Ich komme gar nicht von dir weg
Donnerstag, 26. Dezember 2013
Freitag, 20. Dezember 2013
Goethe schritt im Zimmer auf und ab. Ich hatte mich an den
Tisch gesetzt, der zwar bereits abgeräumt war, aber auf dem sich noch einige
Reste Wein befanden, nebst einigem Biskuit und Früchten.
Goethe schenkte mir ein und nötigte mich, von beiden etwas
zu genießen. „Sie haben zwar verschmäht,“ sagte er, „diesen Mittag unser Gast
zu sein, doch dürfte ein Glas von diesem Geschenk lieber Freunde Ihnen ganz
wohl tun!“
Ich ließ mir so gute Dinge gefallen, während Goethe
fortfuhr, im Zimmer auf und ab zu gehen und aufgeregten Geistes vor sich
hinzubrummen und von Zeit zu Zeit unverständliche Worte herauszustoßen.
Freitag, 6. Dezember 2013
Wie erschrak Wilhelm, wie betäubt fuhr er aus
einem glücklichen Traum auf, als die Gräfin sich auf einmal mit einem Schrei
von ihm losriß und mit der Hand nach ihrem Herzen fuhr. ... Verlassen Sie
mich, rief sie, und indem sie die Hand von den Augen nahm und ihn mit einem
unbeschreiblichen Blicke ansah, setzte sie mit der lieblichsten Stimme hinzu:
Fliehen Sie mich, wenn Sie mich lieben. ...
Donnerstag, 5. Dezember 2013
Wenn ein Teil der Jenaer Studenten ihm am 28. August 1823, ausgerechnet
an seinem vierundsiebzigsten Geburtstag, als einem Vertreter des
Indifferentismus auf dem Markt ein Pereat bringt, nimmt dies sowohl die
liberale als auch die national-burschenschaftliche Kritik an Goethe vorweg,
welche die kommenden Jahrzehnte beherrschen wird und ihn in den Schatten
Schillers treten läßt. Börne schilt Goethe einen Stabilitätsnarren und rügt
seine breite, kunstschmausende Behaglichkeit; nicht viel anders Heine, der an der
stets auf Ruhe und Ordnung bedachten Kunstbehaglichkeit des großen
Zeitablehnungsgenies Anstoß nimmt.
Sein episches Gedicht haben Sie gelesen; Sie werden gestehen, daß es der
Gipfel seiner und unserer ganzen neueren Kunst ist. Ich hab' es entstehen sehen
und mich fast eben so sehr über die Art der Entstehung als über das Werk
verwundert. Während wir andern mühselig sammeln und prüfen müssen, um etwas
leidliches langsam hervorzubringen, darf er nur leis an dem Baume schütteln, um
sich die schönsten Früchte, reif und schwer, zufallen zu lassen. Es ist
unglaublich, mit welcher Leichtigkeit er jetzt die Früchte eines
wohlangewandten Lebens und einer anhaltenden Bildung an sich selber einärntet,
wie bedeutend und sicher jetzt alle seine Schritte sind, wie ihn die Klarheit
über sich selbst und über die Gegenstände vor jedem eiteln Streben und
Herumtappen bewahrt. Doch Sie haben ihn jetzt selbst, und können sich von allem
dem mit eignen Augen überzeugen. Sie werden mir aber auch darin beipflichten,
daß er auf dem Gipfel, wo er jetzt steht, mehr darauf denken muß, die schöne
Form die er sich gegeben hat, zur Darstellung zu bringen als nachneuem Stoffe
auszugehen, kurz daß er jetzt ganz der poetischen Praktik leben muß. Wenn es
einmal einer unter Tausenden, die darnach streben, dahin gebracht hat, ein
schönes vollendetes Ganzes aus sich zu machen, der kann meines Erachtens nichts
besseres thun, als dafür jede mögliche Art des Ausdrucks zu suchen; denn wie
weit er auch noch kommt, er kann doch nichts Höheres geben.
Samstag, 30. November 2013
Im Ganzen ist es der ungeheure Anblick von Bächen und Strömen, die sich,
nach Naturnothwendigkeit, von vielen Höhen und aus vielen Thälern, gegen
einander stürzen und endlich das Übersteigen eines großen Flusses und eine
Überschwemmung veranlassen, in der zu Grunde geht wer sie vorgesehen hat, so
gut als der sie nicht ahnete. Man sieht in dieser ungeheuern Empirie nichts als
Natur und nichts von dem was wir Philosophen so gern Freiheit nennen möchten.
Wir wollen erwarten ob uns Bonapartes Persönlichkeit noch ferner mit dieser
herrlichen und herrschenden Erscheinung erfreuen wird.
Donnerstag, 21. November 2013
So angenehm-fesselnd indes auch seine
Schilderungen waren, die höchste Glorie umleuchtete ihn erst in Augenblicken
der Begeisterung, wenn ein lebhafteres Rot die Wangen überflog, deutlicher der
Gedanke auf der erhabenen Stirn hervortrat, himmlischer noch die Strahlen
seines Auges glänzten, und sein ganzes Antlitz sich zum Ausdruck einer
göttlichen Anschauung verklärte.
Lieben und Hassen, Hoffen und Fürchten sind auch nur differente
Zustände unseres trüben Inneren, durch welches der Geist entweder nach der
Licht- oder Schattenseite hinblickt. Blicken wir durch die trübe organische
Umgebung nach dem Lichte hin, so lieben und hoffen wir. Blicken wir nach dem
Finsteren, so hassen und fürchten wir. Beide Seiten haben ihr Anziehendes und
Reizendes. Für manche Menschen sogar die traurige mehr als die heitere.
Die Welt ist wie ein Strom, der in seinem Bette
fortläuft, bald hier bald da zufällig Sandbänke ansetzt und von diesen wieder
zu einem andern Wege genötigt wird. Das geht alles so hübsch und bequem und
nach und nach; dagegen die Wasserbaumeister eine grosse Not haben, wenn sie
diesem Wesen entgegenarbeiten wollen.
Freitag, 15. November 2013
Dienstag, 12. November 2013
Wir sind
in und mit Lavatern glücklich, es ist uns allen eine Cur, um einen Menschen zu
seyn, der in der Häuslichkeit der Liebe lebt und strebt, der an dem was er
würckt Genuss im Würcken hat, und seine Freunde mit unglaublicher
Aufmercksamkeit, trägt, nährt, leitet und erfreut. Wie gern mögt ich ein
Vierteljahr neben ihm zubringen, freylich nicht müsig wie iezt. Etwas zu
arbeiten haben, und Abends wieder zusammen lauffen. Die Wahrheit ist einem doch
immer neu, und wenn man wieder einmal so einen ganz wahren Menschen sieht meynt
man, man käme erst auf die Welt. Aber auch ists im moralischen wie mit einer
Brunnen Cur alle Übel im Menschen tiefe und flache kommen in Bewegung, und das
ganze Eingeweide arbeitet durch einander.
Erst hier geht mir recht klar auf in was für
einem sittlichen Todt wir gewöhnlich zusammen leben, und woher das Eintrocknen
und Einfrieren eines Herzens kommt das in sich nie dürr, und nie kalt ist. Gebe
Gott dass unter mehr grosen Vortheilen auch dieser uns nach Hause begleite,
dass wir unsre Seelen offen behalten, und wir die guten Seelen auch zu öffnen
vermögen. Könnt ich euch mahlen wie leer die Welt ist, man würde sich an
einander klammern und nicht vun einander lassen. Indess bin ich auch schon
wieder bereit dass uns der Sirocko von Unzufriedenheit, Widerwille Undanck,
Lässigkeit und Prätension entgegen dampfe.
Deine Frage über die Schöne kan ich nicht
beantworten. Ich habe mich gegen sie so betragen, als ich's gegen eine Fürstinn
oder eine heilige thun würde. Und wenn es auch nur Wahn wäre, ich mögte mir
solch ein Bild nicht durch die Gemeinschafft einer flüchtigen Begierde
besudlen. Und Gott bewahre uns für einem ernstlichen Band, an dem sie mir die
Seele aus den Gliedern winden würde.
Das Tagewerck
das mir aufgetragen ist, das mir täglich leichter und schweerer wird, erfordert
wachend und träumend meine Gegenwart diese Pflicht wird mir täglich theurer,
und darinn wünscht ich's den grössten Menschen gleich zu thun, und in nichts
grösserm. Diese Begierde, die Pyramide meines Daseyns, deren Basis mir
angegeben und gegründet ist, so hoch als möglich in die Lufft zu spizzen,
überwiegt alles andre und lässt kaum Augenblickliches Vergessen zu. Ich darf
mich nicht säumen, ich bin schon weit in Jahren vor, und vielleicht bricht mich
das Schicksaal in der Mitte, und der Babilonische Thurn bleibt stumpf
unvollendet. Wenigstens soll man sagen es war kühn entworfen und wenn ich lebe,
sollen wills Gott die Kräffte bis hinauf reichen.
Was die geheimen Künste des Cagliostro betrift, bin ich sehr mistrauisch
gegen alle Geschichten, besonders von M. her. Ich habe Spuren, um nicht zu sagen
Nachrichten, von einer großen Masse Lügen, die im Finstern schleicht, von der
du noch keine Ahndung zu haben scheinst. Glaube mir, unsere moralische und
politische Welt ist mit unterirdischen Gängen, Kellern und Cloaken miniret, wie
eine große Stadt zu seyn pflegt, an deren Zusammenhang, und ihrer Bewohnenden
Verhältniße wohl niemand denkt und sinnt; nur wird es dem, der davon einige
Kundschaft hat, viel begreiflicher, wenn da einmal der Erdboden einstürzt, dort
einmal ein Rauch aus einer Schlucht aufsteigt, und hier wunderbare Stimmen
gehört werden.
Sonntag, 3. November 2013
Zu Hause aufgeräumt, meine Papiere durchgesehen
und alle alten Schaalen verbrannt. Andre Zeiten andre Sorgen. Stiller Rückblick
aufs Leben, auf die Verworrenheit, Betriebsamkeit Wissbegierde der Jugend, wie
sie überall herumschweift um etwas befriedigendes zu finden. Wie ich besonders
in Geheimnissen, dunklen Imaginativen Verhältnissen eine Wollust gefunden habe.
Wie ich alles Wissenschafftliche nur halb angegriffen und bald wieder habe
fahren lassen, wie eine Art von demütiger Selbstgefälligkeit durch alles geht
was ich damals schrieb.
Wie kurzsinnig in Menschlichen und göttlichen Dingen ich mich umgedreht
habe. Wie des Thuns, auch des Zweckmäsigen Denckens und Dichtens so wenig, wie
in zeitverderbender Empfindung und Schatten Leidenschafft gar viel Tage
verthan, wie wenig mir davon zu Nuz kommen und da die Hälfte nun des Lebens
vorüber ist, wie nun kein Weeg zurückgelegt sondern vielmehr ich nur dastehe
wie einer der sich aus dem Wasser rettet und den die Sonne anfängt wohlthätig
abzutrocknen. Die Zeit dass ich im Treiben der Welt bin seit 75 Oktbr. getrau
ich noch nicht zu übersehen.
Gott helfe weiter und gebe Lichter, dass wir uns nicht selbst so viel im
Weege stehn. Lasse uns von Morgen zum Abend das gehörige thun und gebe uns
klare Begriffe von den Folgen der Dinge. Dass man nicht sey wie Menschen die
den ganzen Tag über Kopfweh klagen und gegen Kopfweh brauchen und alle Abend zu
viel Wein zu sich nehmen. Möge die Idee des reinen die sich bis auf den Bissen
erstreckt den ich in Mund nehme, immer lichter in mir werden.
Sonntag, 20. Oktober 2013
Samstag, 19. Oktober 2013
Wenn
das taedium vitae den Menschen ergreift, so ist er nur zu bedauern, nicht zu
schelten. Daß alle Symptome dieser wunderlichen, so natürlichen als
unnatürlichen Krankheit auch einmal mein Innerstes durchrast haben, daran läßt
Werther wohl niemand zweifeln. Ich weiß recht gut, was es mich für Entschlüsse
und Anstrengungen kostete, damals den Wellen des Todes zu entkommen, sowie ich
mich aus manchen spätern Schiffbruch auch mühsam rettete und mühselig erholte.
Und so sind nun alle die Schiffer- und Fischergeschichten. Man gewinnt nach dem
nächtlichen Sturm das Ufer wieder, der Durchnetzte trocknet sich, und den
andern Morgen, wenn die herrliche Sonne auf den glänzenden Wogen abermals
hervortritt, hat das Meer schon wieder Appetit zu Feigen.
Donnerstag, 10. Oktober 2013
Und nun sizz ich dir
gute Nacht zu sagen. Mir wars in all dem wie einer Ratte die Gift gefressen
hat, sie läuft in alle Löcher, schlurpft alle Feuchtigkeit, verschlingt alles
Essbaare das ihr in Weeg kommt und ihr innerstes glüht von unauslöschlich
verderblichem Feuer. Heut vor acht Tagen war Lili hier. Und in dieser Stunde
war ich in der grausamst feyerlichst
süsesten Lage meines ganzen Lebens mögt ich sagen.
O Gustgen warum kann
ich nichts davon sagen! Warum! Wie ich durch die glühendsten Trähnen der Liebe,
Mond und Welt schaute und mich alles seelenvoll umgab. Und in der Ferne die
Waldhorn, und der Hochzeitgäste laute Freuden. Gustgen auch seit dem Wetter bin
ich – nicht ruhig aber still – was bey mir still heisst und fürchte nur wieder
ein Gewitter das sich immer in den harmlosesten Tagen zusammenzieht, und – Gute
Nacht Engel. Einzigstes Einzigstes Mädgen – Und ich kenne ihrer Viele –
Dienstag, 8. Oktober 2013
»Auf alles, was ich
als Poet geleistet habe,« pflegte er wiederholt zu sagen, »bilde ich mir gar
nichts ein. Es haben treffliche Dichter mit mir gelebt, es lebten noch
trefflichere vor mir, und es werden ihrer nach mir sein. Daß ich aber in meinem
Jahrhundert in der schwierigen Wissenschaft der Farbenlehre der einzige bin,
der das Rechte weiß, darauf tue ich mir etwas zugute, und ich habe daher ein
Bewußtsein der Superiorität über viele.«
Man muß alt werden,
um dieses alles zu übersehen, und Geld genug haben, seine Erfahrungen bezahlen
zu können. Jedes Bonmot, das ich sage, kostet mir eine Börse voll Gold; eine
halbe Million meines Privatvermögens ist durch meine Hände gegangen, um das zu
lernen, was ich jetzt weiß, nicht allein das ganze Vermögen meines Vaters,
sondern auch mein Gehalt und mein bedeutendes literarisches Einkommen seit mehr
als funfzig Jahren. Außerdem habe ich anderthalb Millionen zu großen Zwecken
von fürstlichen Personen ausgeben sehen, denen ich nahe verbunden war und an
deren Schritten, Gelingen und Mißlingen ich teilnahm.
Es ist nicht genug, daß man Talent habe, es gehört mehr dazu, um gescheit zu werden; man muß auch in großen Verhältnissen leben und Gelegenheit haben, den spielenden Figuren der Zeit in die Karten zu sehen und selber zu Gewinn und Verlust mitzuspielen.
Es ist nicht genug, daß man Talent habe, es gehört mehr dazu, um gescheit zu werden; man muß auch in großen Verhältnissen leben und Gelegenheit haben, den spielenden Figuren der Zeit in die Karten zu sehen und selber zu Gewinn und Verlust mitzuspielen.
Zu wünschen wäre es, dass er an dem Platze,
woran er sich befunden, auch gewisse politische Fähigkeiten oder Eigenschaften
sich hätte aneignen können: aber diese sind, wie schon Bacon bemerkt hat,
Gemütern von eigenem reichen Vorrat selten eigen, indem sie anfänglich solche
zum Teil auch zu sehr verachten. So hat unser Weimar durch die ganz
vorzüglichen Geister, die es besessen, im Politischen nicht um ein Haar
gewonnen.
Dienstag, 1. Oktober 2013
Samstag, 14. September 2013
Dienstag, 10. September 2013
Und
so bleiben wir wegen der Zukunft unbekümmert! In unseres Vaters Reiche sind
viele Provinzen und, da er uns hierzulande ein so fröhliches Ansiedeln
bereitete, so wird drüben gewiss auch für beide gesorgt sein; vielleicht
gelingt alsdann, was uns bis jetzo abging, uns angesichtlich kennen zu lernen
und uns desto gründlicher zu lieben. Gedenken Sie mein in beruhigter Treue.
Vorstehendes
war bald nach der Ankunft Ihres lieben Briefes geschrieben, allein ich wagte
nicht, es wegzuschicken; denn mit einer ähnlichen Äußerung hatte ich schon
Ihren edlen, wackeren Bruder wider Wissen und Willen verletzt. Nun aber, da ich
von einer tödlichen Krankheit ins Leben wieder zurückkehre, soll das Blatt
dennoch zu Ihnen, unmittelbar zu melden: dass der Allwaltende mir noch gönnt,
das schöne Licht seiner Sonne zu schauen; möge der Tag Ihnen gleichfalls
freundlich erscheinen und Sie meiner im Guten und Lieben gedenken, wie ich
nicht aufhöre, mich jener Zeiten zu erinnern, wo das noch vereint wirkte, was
nachher sich trennte.
Mittwoch, 28. August 2013
Donnerstag, 22. August 2013
Mittwoch, 21. August 2013
Allein wir selbst betrügen uns so gern,
Und ehren die Verworfnen, die uns ehren.
Die Menschen kennen sich einander nicht;
Nur die Galerensclaven kennen sich,
Die eng' an Eine Bank geschmiedet keuchen;
Wo keiner was zu fordern hat und keiner
Was zu verlieren hat, die kennen sich!
Wo jeder sich für einen Schelmen gibt,
Und seines Gleichen auch für Schelmen nimmt.
Doch wir verkennen nur die andern höflich,
Damit sie wieder uns verkennen sollen.
Und ehren die Verworfnen, die uns ehren.
Die Menschen kennen sich einander nicht;
Nur die Galerensclaven kennen sich,
Die eng' an Eine Bank geschmiedet keuchen;
Wo keiner was zu fordern hat und keiner
Was zu verlieren hat, die kennen sich!
Wo jeder sich für einen Schelmen gibt,
Und seines Gleichen auch für Schelmen nimmt.
Doch wir verkennen nur die andern höflich,
Damit sie wieder uns verkennen sollen.
Montag, 12. August 2013
Ja man gönne mir, der
ich durch die Abwechslungen der menschlichen Gesinnungen, durch die schnelle
Bewegungen derselben in mir selbst und in andern manches gelitten habe und
leide, die erhabene Ruhe, die jene einsame stumme Nähe der großen, leise
sprechenden Natur gewährt, und wer davon eine Ahndung hat, folge mir.
Denn
wie sich diese Sinnesart verbreitet, folgt sogleich die letzte Epoche, welche
wir die prosaische nennen dürfen, da sie nicht etwa den Gehalt der frühern
humanisieren, dem reinen Menschenverstand und Hausgebrauch aneignen möchte,
sondern das Älteste in die Gestalt des gemeinen Tags zieht und auf diese Weise
Urgefühle, Volks- und Priesterglauben, ja den Glauben des Verstandes, der
hinter dem Seltsamen noch einen löblichen Zusammenhang vermutet, völlig
zerstört.
Diese Epoche kann
nicht lange dauern. Das Menschenbedürfnis, durch Weltschicksale aufgeregt,
überspringt rückwärts die verständige Leitung, vermischt Priester-, Volks- und
Urglauben, klammert sich bald da, bald dort an Überlieferungen, versenkt sich
in Geheimnisse, setzt Märchen an die Stelle der Poesie und erhebt sie zu
Glaubensartikeln. Anstatt verständig zu belehren und ruhig einzuwirken, streut
man willkürlich Samen und Unkraut zugleich nach allen Seiten; kein Mittelpunkt,
auf den hingeschaut werde, ist mehr gegeben, jeder Einzelne tritt als Lehrer
und Führer hervor und gibt seine vollkommene Torheit für ein vollendetes Ganze.Und so wird denn auch der Wert eines jeden Geheimnisses zerstört, der Volksglaube selbst entweiht; Eigenschaften, die sich vorher naturgemäß auseinanderenwickelten, arbeiten wie streitende Elemente gegeneinander, und so ist das Tohuwabohu wieder da, aber nicht das erste, befruchtete, gebärende, sondern ein absterbendes, in Verwesung übergehendes, aus dem der Geist Gottes kaum selbst eine ihm würdige Welt abermals erschaffen könnte.
Dienstag, 30. Juli 2013
Donnerstag, 25. Juli 2013
Auf
Ihr sehr werthes Schreiben, mein Theuerster, habe wahrhaftest zu erwidern: daß
das frühzeitige Scheiden Ihres trefflichen Vaters für mich ein großer
persönlicher Verlust sey. Ich denke mir gar zu gern die wackeren Männer, welche
gleichzeitig bestrebt sind, Kenntnisse zu vermelden und Einsichten zu
erweitern, in voller Thätigkeit.
Wenn
zwischen entfernten Freunden sich erst ein Schweigen einschleicht, sodann ein
Verstummen erfolgt und daraus ohne Grund und Noth sich eine Mißstimmung
erzeugt, so müssen wir darin leider eine Art von Unbehülflichkeit entdecken,
die in wohlwollenden guten Charakteren sich hervorthun kann und die wir, wie
andere Fehler, zu überwinden und zu beseitigen mit Bewußtseyn trachten sollten.
Ich habe in meinen bewegten und gedrängten Leben mich einer solchen Versäumniß
öfters schuldig gemacht und will auch in dem gegenwärtigen Fall den Vorwurf
nicht ganz von mir ablehnen. Soviel aber kann ich versichern, daß ich es für
den zu früh Dahingegangenen weder als Freund an Neigung, noch als Forscher an
Theilnahme und Bewunderung je habe fehlen lassen, ja daß ich oft irgend etwas
Wichtiges zur Anfrage zu bringen gedachte, wodurch denn auf einmal alle bösen
Geister des Mißtrauens wären verscheucht gewesen.
Doch
hat das vorüberrauschende Leben unter andern Wunderlichkeit auch diese, daß
wir, in Thätigkeit so bestrebsam, auf Genuß so begierig, gar selten die
angebotenen Einzelnheiten des Augenblicks zu schätzen und festzuhalten wissen.
Uns
so bleibt denn im höchsten Alter uns die Pflicht noch übrig, das Menschliche,
das uns nie verläßt, wenigstens in seinen Eigenheiten anzuerkennen und uns
durch Reflexion über die Mängel zu beruhigen, deren Zurechnung nicht ganz
abzuwenden ist.
Mich
Ihnen und Ihren theuren Angehörigen zu geneigtem Wohlwollen bestens empfehlend.
ergebenst
Weimar
den 3. Januar 1832.
J.
W. v. Goethe.
Montag, 15. Juli 2013
Ich statuiere keine
Erinnerung in eurem Sinne. Was uns irgend Großes, Schönes, Bedeutendes
begegnet, muss nicht erst von außen her wieder erinnert, gleichsam erjagt
werden. Es muss sich vielmehr gleich von Anfang her in unser Inneres verweben,
mit ihm eins werden, ein neues besseres Ich in uns erzeugen und so ewig bildend
in uns fortleben und schaffen. Es gibt kein Vergangenes, das man zurücksehnen
dürfte, es gibt nur ein ewig Neues, das sich aus den erweiterten Elementen des
Vergangenen gestaltet, und die echte Sehnsucht muss stets produktiv sein, ein
neues Bessres erschaffen.
Dienstag, 9. Juli 2013
Aber
soll ich Ihnen eine wunderliche Empfindung bekennen? Selbst gegen die Bildnisse
habe ich eine Art von Abneigung; denn sie scheinen mir immer einen stillen
Vorwurf zu machen; sie deuten auf etwas Entferntes, Abgeschiedenes und erinnern
mich, wie schwer es sei, die Gegenwart recht zu ehren. Gedenkt man, wieviel
Menschen man gesehen, gekannt, und gesteht sich, wie wenig wir ihnen, wie wenig
sie uns gewesen, wie wird uns da zumute! Wir begegnen dem Geistreichen, ohne
uns mit ihm zu unterhalten, dem Gelehrten, ohne von ihm zu lernen, dem
Gereisten, ohne uns zu unterrichten, dem Liebevollen, ohne ihm etwas Angenehmes
zu erzeigen.
Sonntag, 30. Juni 2013
Samstag, 15. Juni 2013
Donnerstag, 13. Juni 2013
Mag
der Grieche seinen Ton
Zu Gestalten drücken,
An der eignen Hände Sohn
Steigern sein Entzücken.
Aber uns ist wonnereich,
In den Euphrat greifen
Und im flüss'gen Element
Hin und wieder schweifen.
Löscht ich so der Seele Brand,Zu Gestalten drücken,
An der eignen Hände Sohn
Steigern sein Entzücken.
Aber uns ist wonnereich,
In den Euphrat greifen
Und im flüss'gen Element
Hin und wieder schweifen.
Lied, es wird erschallen:
Schöpft des Dichters reine Hand,
Wasser wird sich ballen.
Montag, 3. Juni 2013
Ich bin seit mehreren Wochen nicht ganz wohl. Ich schlafe
schlecht und zwar in den unruhigsten Träumen vom Abend bis zum Morgen, wo ich
mich in sehr verschiedenartigen Zuständen sehe, allerlei Gespräche mit
bekannten und unbekannten Personen führe, mich herumstreite und zanke, und zwar
alles so lebendig, daß ich mir jeder Einzelheit am andern Morgen noch deutlich
bewußt bin. Dieses Traumleben aber zehrt von den Kräften meines Gehirns, so daß
ich mich am Tage schlaff und abgespannt fühle, zu jeder geistigen Tätigkeit
ohne Lust und Gedanken.
Ich hatte Goethe wiederholt meinen Zustand geklagt und er hatte
mich wiederholt getrieben, mich doch meinem Arzt zu vertrauen. „Was Euch
fehlt,“ sagte er, „ist gewiß nicht der Mühe wert; wahrscheinlich nichts als
eine kleine Stockung, die durch einige Gläser Mineralwasser oder ein wenig Salz
zu heben ist, aber laßt es nicht länger so fortschlendern, sondern tut dazu!“
Montag, 13. Mai 2013
Ich mache Ihnen
Striche denn ich sas eine Viertelstunde in Gedancken und mein Geist flog auf
dem ganzen bewohnten Erdboden herum. Unseeliges Schicksal das mir keinen
Mittelzustand erlauben will. Entweder auf einem Punckt, fassend, festklammernd,
oder schweifend gegen alle vier Winde! – Seelig seyd ihr verklärte
Spaziergänger, die mit zufriedener Anständiger Vollendeung ieden Abend den
Staub von ihren Schuhen schlagen, und ihres Tagwercks Göttergleich sich freuen
Sonntag, 5. Mai 2013
Wenn Kindesblick
begierig schaut,
Er findet des Vaters Haus gebaut;
Und wenn das Ohr sich erst vertraut,
Ihm tönt der Muttersprache Laut;
Gewahrt es dies und jenes nah,
Man fabelt ihm, was fern geschah,
Umsittigt ihn, wächst er heran;
Er findet eben alles getan.
Man rühmt ihm dies, man preist ihm das:
Er wäre gar gern auch etwas;
Wie er soll wirken, schaffen, lieben,
Das steht ja alles schon geschrieben
Und, was noch schlimmer ist, gedruckt;
Da steht der junge Mensch verduckt,
Und endlich wird ihm offenbar:
Er sei nur, was ein andrer war.
Er findet des Vaters Haus gebaut;
Und wenn das Ohr sich erst vertraut,
Ihm tönt der Muttersprache Laut;
Gewahrt es dies und jenes nah,
Man fabelt ihm, was fern geschah,
Umsittigt ihn, wächst er heran;
Er findet eben alles getan.
Man rühmt ihm dies, man preist ihm das:
Er wäre gar gern auch etwas;
Wie er soll wirken, schaffen, lieben,
Das steht ja alles schon geschrieben
Und, was noch schlimmer ist, gedruckt;
Da steht der junge Mensch verduckt,
Und endlich wird ihm offenbar:
Er sei nur, was ein andrer war.
Ich hielt es für
unmöglich, daß der hochgefeierte Dichter sich keine jüngere und schönere
Geliebte ausgesucht haben sollte, doch schwand allmählich dieser Zweifel, als
ich sie in ihrem Hause besuchte und dort mit lauter Andenken des damals in Rom weilenden
Freundes umgeben sah. Sie führte mich zu seinem Bilde, las mir seine Verse vor und bemühte sich,
meine Phantasie durch die Schilderung seiner Liebenswürdigkeit zu bestechen.
... Indessen muß man die Geschicklichkeit bewundern, womit diese Frau ihr
künstliches Spiel durchzuführen wußte, so daß sie noch in späterer Zeit für
Goethes Geliebte galt.
Der Charakter dieser
Frau gehörte unstreitig zu den edelsten, und ihr Verstand, der mir zwar nie
bedeutend erscheinen wollte, führte sie glücklich an den mannigfachen Klippen
des Hoflebens vorüber . … Es läßt sich
nicht leugnen, daß Frau v. Stein bei dem besten Herzen viel Schlauheit und
Weltklugheit besitzen mußte; sonst wäre es ihr unmöglich gewesen, bis ans Ende
ihrer sehr langen Laufbahn ohne die mindeste Unterbrechung eine Stellung zu behaupten,
die sie der Herzogin Luise und Goethen so nahe brachte, daß nur der Tod dieses
innige Verhältnis lösen konnte, auf welchem selbst jetzt noch, wo ich dies
schreibe, ein undurchdringlicher Schleier ruht. Goethe allein vermöchte es, ihn
zu lüften; aber schwerlich wird er sich dazu verstehen. Folglich wird auch die
Nachwelt über eine Sache nicht klarer urteilen, die den Zeitgenossen des großen
Mannes stets rätselhaft blieb. Dem sei nun, wie ihm wolle! Was auch jener Schleier
verhüllen mag, Unwürdiges kann es nicht sein.
Mittwoch, 1. Mai 2013
Dienstag, 23. April 2013
Dienstag, 9. April 2013
Ich verließ ihn
nicht, folgte ihm in alle Kirchen, überall kniete er auf der letzten Bank unter
den Bettlern und legte sein Haupt eine Weile in die Hände, wenn er wieder
emporsah, war mir's allemal wie ein Donnerschlag in der Brust; da ich nach
Hause kam, fand ich mich nicht mehr in die alte Lebensweise, es war, als ob
Bett, Stuhl und Tisch nicht mehr an dem gewohnten Ort ständen, es war Nacht
geworden, man brachte Licht herein, ich ging ans Fenster und sah hinaus auf die
dunklen Straßen, und wie ich die in der Stube von dem Kaiser sprechen hörte, da
zitterte ich wie Espenlaub, am Abend in meiner Kammer legte ich mich vor meinem
Bett auf die Knie und hielt meinen Kopf in den Händen wie er, es war nicht
anders, wie wenn ein großes Tor in meiner Brust geöffnet wär' …
aber eine geheime
Stimme sagte mir, daß ich an dem, was mir heute beschert geworden, mir solle
genügen lassen, und ging nicht wieder mit; nein, ich suchte meine einsame
Schlafkammer auf und setzte mich auf den Stuhl am Bett und weinte dem Kaiser
schmerzlich süße Tränen der heißesten Liebe, am andern Tag reiste er ab, ich
lag früh morgens um vier Uhr in meinem Bett, der Tag fing eben an zu grauen, es
war am 17. April, da hörte ich fünf Posthörner blasen, das war er, ich sprang
aus dem Bett, vor übergroßer Eile fiel ich in die Mitte der Stube und tat mir
weh, ich achtete es nicht und sprang ans Fenster, in dem Augenblick fuhr der
Kaiser vorbei, er sah schon nach meinem Fenster, noch eh' ich es aufgerissen
hatte, er warf mir Kußhände zu und winkte mir mit dem Schnupftuch, bis er die
Gasse hinaus war.
Von
der Zeit an habe ich kein Posthorn blasen hören, ohne dieses Abschieds zu
gedenken, und bis auf den heutigen Tag, wo ich den Lebensstrom seiner ganzen
Länge nach durchschifft habe und eben im Begriff bin, zu landen, greift mich
sein weitschallender Ton noch schmerzlich an, und wo so vieles, worauf die
Menschen Wert legen, rund um mich versunken ist, ohne daß ich Kummer darum habe.
Soll man da nicht wunderliche Glossen machen, wenn man erleben muß, daß eine
Leidenschaft, die gleich im Entstehen eine Chimäre war, alles Wirkliche
überdauert und sich in einem Herzen behauptet, dem längst solche Ansprüche als
Narrheit verpönt sind? Ich hab' auch nie Lust gehabt, davon zu sprechen, es ist
heute das erstemal.
Mittwoch, 3. April 2013
„Du
hast etwas gelernt, seit ich dich nicht gesehen“, - sagte Goethe zu Bettina von
Arnim, als sie ihn im Sommer 1826 in Weimar besuchte, - „Du hast gelernt,
Menschen zu schonen, denn vorher hast Du das niemals gekonnt. Nun mach, dass,
wenn ich Dich nach einiger Zeit wiederum sehe, Du abermals etwas gelernt hast,
so kann am Ende noch etwas daraus werden.“
Mittwoch, 27. März 2013
Den
10ten, wieder in der Stadt auf meiner Bergere; aufm Knie schreib ich Ihnen.
Liebe der Brief soll heute fort, und nur sag ich Ihnen noch dass mein Kopf
ziemlich heiter mein Herz leidlich frey ist – Was sag ich –! o beste wie wollen
wir Ausdrücke finden für das was wir fühlen! Beste wie können wir einander was
von unserm Zustande melden, da der von Stund zu Stund wechselt.
Wie
ich jung war, ich weiß nicht, es war alles ganz anders. Zwar wirft man den
Alten vor, sie lobten töricht das Vergangene und verachteten das Gegenwärtige,
weil sie kein Gefühl dafür haben. Aber wahr bleibt wahr. Wie ich jung war, man
wußte von all den Verfeinerungen nichts, sowenig man von dem Staate was wußte,
zu dem man jetzt die Kinder gewöhnt.
Mittwoch, 6. März 2013
Dienstag, 26. Februar 2013
Dreimal glücklich
sind diejenigen zu preisen, die ihre Geburt sogleich über die untern Stufen der
Menschheit hinaushebt; die durch jene Verhältnisse, in welchen sich manche gute
Menschen die ganze Zeit ihres Lebens abängstigen, nicht durchzugehen, auch
nicht einmal darin als Gäste zu verweilen brauchen. Allgemein und richtig muß
ihr Blick auf dem höheren Standpunkte werden, leicht ein jeder Schritt ihres
Lebens! Sie sind von Geburt an gleichsam in ein Schiff gesetzt, um bei der
Überfahrt, die wir alle machen müssen, sich des günstigen Windes zu bedienen
und den widrigen abzuwarten, anstatt daß andere nur für ihre Person schwimmend
sich abarbeiten, vom günstigen Winde wenig Vorteil genießen und im Sturme mit
bald erschöpften Kräften untergehen.
Welche
Bequemlichkeit, welche Leichtigkeit gibt ein angebornes Vermögen! und wie
sicher blühet ein Handel, der auf ein gutes Kapital gegründet ist, so daß nicht
jeder mißlungene Versuch sogleich in Untätigkeit versetzt! Wer kann den Wert
und Unwert irdischer Dinge besser kennen, als der sie zu genießen von Jugend
auf im Falle war, und wer kann seinen Geist früher auf das Notwendige, das
Nützliche, das Wahre leiten, als der sich von so vielen Irrtümern in einem
Alter überzeugen muß, wo es ihm noch an Kräften nicht gebricht, ein neues Leben
anzufangen!
Samstag, 2. Februar 2013
Da
sich die liebe Excellenz abermals als ernsthafte Dame Ihrem demüthigen Freunde
nähert und denselben wo nicht mit bedencklichen doch mit bedeutenden Worten
anredet; so erfordert die Schuldigkeit daß derselbe sich ungesäumt mit
gebührender Erwiederung einfinde, welches auch hiermit geziemend, und zwar
vorerst eigenhändig geschieht.
Es
ist nicht zu läugnen daß wir andern Poeten einigermaßen verwandt sind mit dem
Cammerdiener des Königs Midas; nur unterschreiben wir uns von diesem Herrn
Vetter darin gar merklich, daß, wenn derselbe die Mängel seines Prinzipals
ohnmöglich verschweigen konnte, wir dagegen es sehr peinlich finden von den
Vollkommenheiten unserer Herrinnen zu schweigen.
Sie
haben daher, meine scharfsichtige Freundinn, mich irgend eines Vorhabens in
gegründetem Verdacht, nur muß ich zu meiner Rettung und Rechtfertigung
versichern, daß ich dergleichen Anmassungen niemals aus eigner, uns vom Urvater
Helios verliehenem Macht und Gewalt würde gewagt haben. Vielmehr sollte ein
gewißer stiller Wunsch im Laufe dieses Jahrs gegen die Freundinn verlauten und
in Form einer gnädig weiter zu befördernden Bitte vor derselben erscheinen.
Da aber Ihr letztes
vertrauliches Schreiben, ahndungsvoll schon eine abschlägige Antwort auf ein
nicht angebrachtes Gesuch enthält, so ergebe ich mich um so mehr darein und
verschließe, auf diesen himmlischen Fingerzeig, meine Gesinnungen und Vorhaben
in einem stillen treuergebenen Herzen, wo sie auf jede Art zu wuchern nicht
ermangeln werden. Bekennend und schweigend
immer derselbe
Goethe
immer derselbe
Goethe
Im Orient, wo ich
mich jetzt gewöhnlich aufhalte wird es schon für das höchste Glück geachtet,
wenn von irgend einem demüthigen Knecht, vor dem Angesichte der Herrin
gesprochen wird und Sie es auch nur geschehen läßt. Zu wie vielen Kniebeugungen
würde derjenige hingerissen werden, deßen Sie selbst erwähnte! Möchte ich doch
allerhöchsten Ortes nur manchmal nahmenweise erscheinen dürfen!
Freitag, 25. Januar 2013
Es ist sonderbar, daß
man es dem Manne verargt, der eine Frau an die höchste Stelle setzen will, die
sie einzunehmen fähig ist: und welche ist höher als das Regiment des Hauses?
Wenn der Mann sich mit äußern Verhältnissen quält, wenn er die Besitztümer
herbei schaffen und beschützen muß, wenn er sogar an der Staatsverwaltung
Anteil nimmt, überall von Umständen abhängt, und nichts regiert, indem er zu
regieren glaubt, immer nur politisch sein muß, wo er gern vernünftig wäre,
versteckt, wo er offen, falsch, wo er redlich zu sein wünschte; wenn er um des
Zieles willen, das er nie erreicht, das schönste Ziel, die Harmonie mit sich
selbst, in jedem Augenblicke aufgeben muß: indessen herrscht eine vernünftige
Hausfrau im Innern wirklich, und macht einer ganzen Familie jede Tätigkeit,
jede Zufriedenheit möglich. Was ist das höchste Glück des Menschen, als daß wir
das ausführen, was wir als recht und gut einsehen? daß wir wirklich Herren über
die Mittel zu unsern Zwecken sind? Und wo sollen, wo können unsere nächste
Zwecke liegen, als innerhalb des Hauses?
Donnerstag, 24. Januar 2013
Mittwoch, 9. Januar 2013
»Sie haben recht«,
versetzte er mit einiger Verlegenheit, »der Mensch ist dem Menschen das
Interessanteste und sollte ihn vielleicht ganz allein interessieren. Alles
andere, was uns umgibt, ist entweder nur Element, in dem wir leben, oder
Werkzeug, dessen wir uns bedienen. Je mehr wir uns dabei aufhalten, je mehr wir
darauf merken und teil daran nehmen, desto schwächer wird das Gefühl unsers
eignen Wertes und das Gefühl der Gesellschaft. Die Menschen, die einen großen
Wert auf Gärten, Gebäude, Kleider, Schmuck oder irgend ein Besitztum legen,
sind weniger gesellig und gefällig; sie verlieren die Menschen aus den Augen,
welche zu erfreuen und zu versammeln nur sehr wenigen glückt. Sehn wir es nicht
auch auf dem Theater? Ein guter Schauspieler macht uns bald eine elende,
unschickliche Dekoration vergessen, dahingegen das schönste Theater den Mangel
an guten Schauspielern erst recht fühlbar macht.«
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