Freitag, 9. Dezember 2016


Die Natur des Menschen ist eine sehr hinfällige Schönheit.

Ich will von einer jeden dieser Classen, so kurz als die Deutlichkeit erlaubt, eine Beschreibung geben.
Die erste ist die niedrigste und dem Thierreich die nächste. Ich rechne zu ihr den großen Haufen von Menschen, deren bester Theil nicht nur in seiner natürlichen Rohheit bleibt, sondern überdas nach und nach so sehr verunstaltet wird, daß er auch die darunter hervorglimmende natürliche Schönheit fast gänzlich verliert; deren zarte Fähigkeiten theils unentwickelt geblieben, theils im Bearbeiten verdorben werden; die nie zu wahren Menschen reif werden. Ihre Unwissenheit wird mit den Jahren zur Dummheit; und die sinnlichen Triebe, die mit ihnen aufwachsen und keiner gesetzmäßigen Gewalt gehorchen lernen, dünsten eine Menge Vorurtheile aus, welche den unterscheidenden Sinn des Guten und Bösen, das Vorrecht der menschlichen Natur, dicht überziehen; sie arten mit der Zeit in herrschende Neigungen aus, welche nur nach Beschaffenheit des Temperaments und der äußerlichen Umstände abgeändert sind. Diese Menschen sind also sehr sinnliche Geschöpfe, ungestüm in ihren Leidenschaften, wankelmüthig, kurzsichtig, eigensinnig und doch leichtgläubig und also leicht zu betrügen. Die Einbildung ist ihre Vernunft, der äußere Schein der Grund ihrer Entscheidung, ihres Wollens und Nichtwollens. Sie sind größtentheils dazu verurtheilt, nur für den Leib zu sorgen. Daher ziehen sie sich eine niedrige und thierische Denkart zu, daß sie sich niemals über die Erde, wo ihr Futter wächst, erheben können. Ihre Sitten sind so plump wie ihr Geschmack, ihre Vergnügungen sind wenig und von der gröbsten Art; hingegen vergrößert die Unwissenheit, der Aberglaube, die Furcht, die Kleinmüthigkeit die Zahl ihrer Uebel ungemein. Es ist kein Wunder, daß diese Art von Menschen das glückliche Leben nicht kennt, da sie so sehr wenig sind, was der Mensch seyn soll, und ein geheimer Instinct ihnen immer sagt, daß sie keine blose Thiere sind, ob sie gleich von Tyrannen, die oft zu ihrer eignen Art gehören, so gehalten werden.

Man sieht leicht, daß daran nicht zu gedenken ist, daß diese Mittelgattung zwischen Menschen und Yahoos jemals zu etwas Höherm geadelt werde. Ich besorge, daß das so viel als unmöglich sey. Aber man sieht auch gleich, daß die Natur dieser Menschen sie nicht nur fähig, sondern es ihnen unentbehrlich macht, regiert zu werden. Wenn man sich theils ihrer Neigung zum Neuen und Wunderbaren, theils ihrer Trägheit und Furchtsamkeit und ihrer andern Leidenschaften klüglich zu bedienen weiß, so müssen eben diese helfen, sie in so vieler Ordnung zu erhalten, als nöthig ist, um zu verhindern, daß unsre Erde kein Chaos werde. Man muß nicht vergessen, daß es auch unter diesem Pöbel wieder Grade gibt; aber, wenn wir genau untersuchen, so wird der Unterschied zuletzt kaum größer seyn, als der Unterschied zwischen einer Hofcoquette im Gallakleid und zwischen einer Coquette im Mieder, oder zwischen einem Narren im Zwillichkittel und einem Narren mit einem Ordensbande.