Umgekehrt
finde ich, als Beleg Ihrer Bemerkung, daß diejenigen welche aus einem liberalen
Stande zur Poesie kommen eine gewiße Freiheit, Klarheit und Leichtigkeit, aber
wenig Ernst und Innigkeit zeigen. Bei den ersten sticht das Charakteristische
fast bis zur Carricatur, und immer mit einer gewissen Einseitigkeit und Härte
hervor; bei diesen ist Charakterlosigkeit, Flachheit und fast Seichtigkeit zu
fürchten. Der Form nach, möchte ich sagen, sind diese dem ästhetischen näher,
jene hingegen dem Gehalte nach. – Bei einer Vergleichung unsrer Jenaischen und
Weimarischen Dichterinnen bin ich auf diese Bemerkung gerathen . Unsre Freundin
Mereau hat in der That eine gewisse Innigkeit und zuweilen selbst eine Würde
des Empfindens, und eine gewisse Tiefe kann ich ihr auch nicht absprechen. Sie
hat sich bloß in einer einsamen Existenz und in einem Widerspruch mit der Welt
gebildet. Hingegen Amelie Imhof ist zur Poesie nicht durch das Herz, sondern
nur durch die Phantasie gekommen, und wird auch ihr Lebenlang nur damit
spielen. Weil aber, nach meinem Begriff, das Aesthetische Ernst und Spiel
zugleich ist, wobei der Ernst im Gehalte und das Spiel in der Form gegründet
ist, so muß die Mereau das poetische immer der Form nach, die Imhof es immer
dem Gehalt nach verfehlen. Mit meiner Schwägerin hat es eine eigne Bewandtniß,
diese hat das Gute von beiden, aber eine zu große Willkür der Phantasie
entfernt sie von dem eigentlichen Punkt, worauf es ankommt.
Dienstag, 9. November 2021
Ich
sagte Ihnen doch einmal, daß ich Kosegarten in einem Briefe meine Meinung
gesagt habe, und auf seine Antwort begierig sei. Er hat mir nun geschrieben,
und sehr dankbar für meine Aufrichtigkeit. Aber wie wenig ihm zu helfen ist,
sehe ich daraus, daß er mir in demselben Briefe das Anzeigeblatt seiner
Gedichte beilegt, welches nur ein Verrückter geschrieben haben kann. Gewissen
Menschen ist nicht zu helfen, und dem da besonders hat Gott ein ehern Band um
die Stirne geschmiedet.
Endlich
erhalten Sie den Ibykus. Möchten Sie damit zufrieden sein. Ich gestehe, daß ich
bei näherer Besichtigung des Stoffes mehr Schwierigkeiten fand als ich anfangs
erwartete, indessen däucht mir, daß ich sie größtentheils überwunden habe. Die
zwei Hauptpunkte worauf es ankam schienen mir erstlich eine Continuität in die
Erzählung zu bringen, welche die rohe Fabel nicht hatte, und zweitens die
Stimmung für den Effect zu erzeugen. Die letzte Hand habe ich noch nicht daran
legen können, da ich erst gestern Abend fertig geworden, und es liegt mir
zuviel daran, daß Sie die Ballade bald lesen, um von Ihren Erinnerungen noch
Gebrauch machen zu können. Das angenehmste wäre mir, zu hören, daß ich in
wesentlichen Punkten Ihnen begegnete.
Schiller. - Mit meiner Gesundheit geht es seit acht Tagen wieder besser und im Hause steht es auch gut. Meine Frau grüßt Sie herzlich. Von Humboldts habe ich seit ihrer Abreise aus Dresden noch nichts vernommen. Aus dem Gotterischen Nachlaß erhalte ich seine Oper: die Geisterinsel, die nach Shakespeares Sturm bearbeitet ist; ich habe den ersten Act gelesen, der eben sehr kraftlos ist und eine dünne Speise. Indessen danke ich dem Himmel, daß ich einige Bogen in den Horen auszufüllen habe und zwar durch einen so classischen Schriftsteller, der das Genie- und Xenien-Wesen vor seinem Tode so bitter beklagt hat - Und so zwingen wir denn Gottern, der lebend nichts mit den Horen zu thun haben wollte, noch todt darin zu spuken.
Leben
Sie recht wohl, lassen Sie bald wieder von sich hören.