Dienstag, 9. April 2013
Ich verließ ihn
nicht, folgte ihm in alle Kirchen, überall kniete er auf der letzten Bank unter
den Bettlern und legte sein Haupt eine Weile in die Hände, wenn er wieder
emporsah, war mir's allemal wie ein Donnerschlag in der Brust; da ich nach
Hause kam, fand ich mich nicht mehr in die alte Lebensweise, es war, als ob
Bett, Stuhl und Tisch nicht mehr an dem gewohnten Ort ständen, es war Nacht
geworden, man brachte Licht herein, ich ging ans Fenster und sah hinaus auf die
dunklen Straßen, und wie ich die in der Stube von dem Kaiser sprechen hörte, da
zitterte ich wie Espenlaub, am Abend in meiner Kammer legte ich mich vor meinem
Bett auf die Knie und hielt meinen Kopf in den Händen wie er, es war nicht
anders, wie wenn ein großes Tor in meiner Brust geöffnet wär' …
aber eine geheime
Stimme sagte mir, daß ich an dem, was mir heute beschert geworden, mir solle
genügen lassen, und ging nicht wieder mit; nein, ich suchte meine einsame
Schlafkammer auf und setzte mich auf den Stuhl am Bett und weinte dem Kaiser
schmerzlich süße Tränen der heißesten Liebe, am andern Tag reiste er ab, ich
lag früh morgens um vier Uhr in meinem Bett, der Tag fing eben an zu grauen, es
war am 17. April, da hörte ich fünf Posthörner blasen, das war er, ich sprang
aus dem Bett, vor übergroßer Eile fiel ich in die Mitte der Stube und tat mir
weh, ich achtete es nicht und sprang ans Fenster, in dem Augenblick fuhr der
Kaiser vorbei, er sah schon nach meinem Fenster, noch eh' ich es aufgerissen
hatte, er warf mir Kußhände zu und winkte mir mit dem Schnupftuch, bis er die
Gasse hinaus war.
Von
der Zeit an habe ich kein Posthorn blasen hören, ohne dieses Abschieds zu
gedenken, und bis auf den heutigen Tag, wo ich den Lebensstrom seiner ganzen
Länge nach durchschifft habe und eben im Begriff bin, zu landen, greift mich
sein weitschallender Ton noch schmerzlich an, und wo so vieles, worauf die
Menschen Wert legen, rund um mich versunken ist, ohne daß ich Kummer darum habe.
Soll man da nicht wunderliche Glossen machen, wenn man erleben muß, daß eine
Leidenschaft, die gleich im Entstehen eine Chimäre war, alles Wirkliche
überdauert und sich in einem Herzen behauptet, dem längst solche Ansprüche als
Narrheit verpönt sind? Ich hab' auch nie Lust gehabt, davon zu sprechen, es ist
heute das erstemal.
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