Montag, 1. Juli 2019


Als Meyer fragte, was es denn eigentlich heißen wolle, Plutonist oder Neptunist, sagte Goethe: "O danket Gott, daß Ihr nichts davon wißt, ich kann es auch nicht sagen, man könnte schon wahnsinnig werden, es nur auseinander zu setzen. Ohnehin bedeutet solch' ein Parteiname späterhin nichts mehr, löst sich in Rauch auf; die Leute wissen schon jetzt nicht mehr, was sie damit bezeichnen wollen. Ihr müßt verzeihen, wenn ich grob bin, ich schreibe jetzt eben in den Wanderjahren an der Rolle des Jarno, da spiele ich eine Weile auch im Leben den Grobian fort."

Was soll es nur hier in Weimar mit dem WitDöring werden? Man wird es schon bereuen, ihn hier zu haben; in seinen Memoiren ist kein Funke Geist. Er ist zum steten Gefängniß von der Natur bestimmt; darin spielt er seine Streiche. Wär' ich Fürst, ich ließ ihn gleich wieder verhaften, damit er in sein Element zurück käme. Gesehen und gesprochen hab' ich ihn wohl einmal, warum nicht? als Phänomen; aber ich wäre ein Lump, wenn ich ihn zum zweiten Male sähe.

Der Großherzog ergötzt sich an seinem Hiersein, um einmal wieder sich an einer Gefahr zu laben, um einmal wieder einen zahmen Wolf zu haben, der unter seinen Hunden und Schafen herum renommire.

Der Kerl hat meine Abschiedsformel an ihn: ›Sie haben selbst drucken lassen, daß Sie verführerisch seien und daß man sich nicht zu viel mit Ihnen einlassen müsse,‹ günstig für sich gedeutet; das macht mir Spaß. Nun er erregt doch; darauf kommt Alles an, sei es durch Haß oder Liebe. Man muß nur immer sorgen erregt zu werden, um gegen die Depression anzukämpfen. Das ist auch bei jetziger deprimirender Witterung der beste medicinische Rath. Wer mit mir umgehen will, muß zuweilen auch meine Grobianslaune zugeben, ertragen, wie eines andern Schwachheit oder Steckenpferd. Der alte Meyer ist klug, sehr klug; aber er geht nur nicht heraus, widerspricht mir nicht, das ist fatal. Ich bin sicher, im Innern ist er noch zehnmal zum Schimpfen geneigter als ich und hält mich noch für ein schwaches Licht. Er sollte nur aufpoltern und donnern, das gäbe ein prächtiges Schauspiel.

Mit Johanna Schopenhauer

Hier, caro amico (v. Holtei) das Opus der Voigt (Lebensgeschichte der Caroline Kummerfeld geb. Schulz) ... Die darin vorkommenden Geschichten sind toll genug; «Stella» verbürgt sich für die Wahrheit derselben, und ich, die ich die kleine, alte, sehr rechtliche Heldin noch persönlich gekannt habe, möchte es ebenfalls thun. Goethe hat mir erzählt, daß sie damals wirklich Furore gemacht, und wie er als Student zum Sterben in sie verliebt gewesen und sich im Leipziger Parterre die Hände fast wundgeklatscht habe, wenn sie in dem Weiße'schen Trauerspiel als Julia auftrat und in der Scene, ehe sie den Trank nimmt, die Ottern und Schlangen und Kröten von ihrem weißatlasnen Reifrock herunterschlenkerte, die sie in ihrer Phantasie daran heraufkriechen sah.