Sonntag, 13. April 2008

Er meinte, dem Goethe fehle jetzt sehr sein ehemaliger behaglicher Abendkreis, wo ihm die jungen Sängerinnen, was er so gewünscht, vorgesungen und sich alles von ihm gefallen lassen hätten, der Kreis von Bekannten seiner Schwiegertochter sei ihm etwas zu vornehm geschoren und zu weise, er könne sich nicht so nach seiner Bequemlichkeit auslassen. Es scheint mir etwas Wahres an der Sache, und das erklärt auch, wie die Frau Geheimrätin weiland bei allen ihren Fehlern doch eine angenehme Umgebung schaffen konnte, die er nachher lange vermisste.
Herr von Knebel war ein alter Mann mit intelligenten Zügen, aber dabei etwas grämlicher Miene, mit ergrauten Haaren und einem kleinen schwarzen Käppchen auf dem Kopfe. Frau von Knebel fiel mir gleich auf durch ihr sonderbares Kostüm. Sie war eine Frau vielleicht in der Mitte der Vierziger und mochte wohl einmal ein pikantes Gesicht gehabt haben; jetzt aber war sie mager und vergilbt und hatte etwas Unstetes und Flüchtiges in ihrem Wesen und in dem Ausdruck ihrer Züge.
... Als ich die Bemerkung machte, wie sehr sie doch vom Schicksal begünstigt sei, dass es ihr geworden wäre, ihr ganzes Leben im nahen Verkehr mit den ausgezeichnetsten Männern ihrer Zeit durchleben zu können, wie fördernd dies für das eigene Ich sein müsste, wie vieles durch einen solchen Umgang geweckt und ausgebildet werden könnte, was durch das blosse Lesen ihrer Schriften doch so nie zu erreichen sei, erhielt ich eine Antwort, die ich gewiss nicht erwartet hatte. „Ja, meine Liebe“, erwiderte sie, „ich will ihnen sagen, das kommt alles darauf an, wie der Mensch nun gerade ist; mir zum Beispiel hat dies alles gar nichts geholfen, der Wieland pflegte immer zu sagen: Das weiss auch Gott, die Knebel hat ihr ganzes Leben mit den ersten Geistern ihrer Zeit durchlebt, und hat es noch nicht so weit gebracht, dass sie mir und mich voneinander unterscheiden kann.“ Die Sache hatte ihre vollkommene Richtigkeit, ich hatte auch schon die Bemerkung gemacht, dass die Dame in dieser Beziehung nicht sicher sei ...
Goethe war gut und liebenswürdig, zweimal sah ich ihn, stets bei ihm, mir ging die Seele auf, als ich ihm in die Arme flog!
Kriegsgeschichten dagegen lese und höre ich mit grosser Begierde.
Goethe äusserte dazu: „So kann einem also eine Sache zugleich widerwärtig und angenehm sein. Widerwärtig, wenn man sie selbst unternehmen soll, angenehm, wenn man sie an anderen wahrnimmt. Wer diese Doppelgabe am ausgebreitetsten besitzt, ist der Glücklichste in dieser Welt. Er kann niemals ohne Interesse sein, folglich niemals Langeweile empfinden."
„Ja“, sagte er lächelnd, „die Natur reagiert nicht bloss gegen die leibliche Krankheit, sondern auch gegen die geistigen Schwächen; sie sendet in der steigenden Gefahr stärkern Mut. Die Kriegshelden mögen besonders davon zu erzählen wissen. Wie war Zelter?“ fragte er.
In dem neuen Heft von „Kunst und Altertum“, das zu Michaelis erscheint, werden Sie mehrere Gedichte von ihm finden, unter anderem eine wunderherrliche Ballade („Herein, o du Guter!“), die ich in Berlin bei Zelter sah, der sie bereits komponiert hat.
Hokuspokus Goethens mit dem trüben Glas, worauf eine Schlange. „Das ist ein Urphänomen, das muss man nicht weiter erklären wollen.“ „Gott selbst weiss nicht mehr davon als ich.“
Die Schuld von Schillers allzu frühem Tode gab er der Art und Weise, wie er arbeitete. „Ich“, sagte er, „behauptete immer, der Dichter dürfe nicht eher ans Werk gehen, als bis er einen unwiderstehlichen Drang zum Dichten fühle. Und diesen Grundsatz befolge ich auch, ihm verdanke ich mein heiteres Alter.“ „Sie sehen hier“, fuhr er fort, „sechs verschiedene angefangene Arbeiten; ich gehe an keine, wenn sie mich nicht eben anzieht, und verweile bei keiner länger, als ich mich dazu aufgelegt fühle. Schiller dagegen wollte das nicht gelten lassen. Er behauptete, der Mensch müsse können, was er wolle, und nach dieser Manier verfuhr er auch.“