Samstag, 14. Juni 2008

Als unter mancherlei ausgebrachten Toasten auch einer der Erinnerung geweiht wurde, brach er mit Heftigkeit in die Worte aus:»Ich statuire keine Erinnerung in Eurem Sinne, das ist nur eine unbeholfene Art sich auszudrücken. Das uns irgend Großes, Schönes, Bedeutendes begegnet, muß nicht erst von Außen her wieder er–innert, gleichsam er-jagt werden, es muß sich vielmehr gleich vom Anfang her in unser Inneres verweben, mit ihm eins werden, ein neueres besseres Ich in uns erzeugen und so ewig bildend in uns fortleben und schaffen. Es giebt kein Vergangenes, das man zurücksehnen dürfte, es giebt nur ein ewig Neues, das sich aus den erweiterten Elementen des Vergangenen gestaltet und die ächte Sehnsucht muß stets productiv sein, ein neues Besseres erschaffen.« »Und,« setzte er mit großer Rührung hinzu, – »haben wir dies nicht alle in diesen Tagen an uns selbst erfahren? Fühlen wir uns nicht alle insgesammt durch diese liebenswürdige, edle Erscheinung, die uns jetzt wieder verlassen will, im Innersten erfrischt, verbessert, erweitert? Nein, sie kann uns nicht entschwinden, sie ist in unser innerstes Selbst übergegangen, sie lebt in uns mit uns fort und fange sie es auch an, wie sie wolle, mir zu entfliehen, ich halte sie immerdar fest in mir.«
Goethe war zwar herzlich und mittheilend, jedoch innerlich gedrückt, sichtbar leidend. Seine ganze Haltung gab mir den Begriff eines unbefriedigten großartigen Strebens, einer gewissen inneren Desperation.
Von 7 1/2 – 9 Uhr Abends war ich ganz allein bei Goethe. Wir sprachen über Reinhard, Zach, die Herzogin Mutter von Gotha, Herzog Ernst, Frau v. Buchwald, Gotter, Prinz August und von v. Grimm.
Vertraulichste Mitteilung seiner Verhältnisse zu Levetzows. „Es ist eben ein Hang, der mir noch viel zu schaffen machen wird, aber ich werde darüber hinauskommen.“ Iffland könnte ein charmantes Stück daraus fertigen, ein alter Onkel, der seine junge Nichte allzuheftig liebt.
Von 5 bis 11 Uhr bei Goethe. ....
Nachher ergoss er sich noch in Lob des Badelebens, weil man dort ganz aus sich heraustrete, ganz frei ausser sich lebe, was zu Hause niemals vorkomme.