Sonntag, 6. April 2008

Man müsse stets die Gunst verteilen, sonst winde man selbst das Ruder aus der Hand. So, führte er an, habe er zweiundzwanzig Jahre lang dem Theater vorgestanden, ohne sich eine Schwäche gegen eine Actrice zu verstatten, deren mehrere, besonders Euphrosyne und die Wolff, es ihm doch sehr nahe gelegt. Wer aber die Lust des Herrschens einmal empfunden, dürfe nicht leichtsinnig den Stützpunkt durch Favoritschaften aufgeben.
Alles kommt auf ein Aperçu an. Es ist das Höchste, wozu es der Mensch bringt, und weiter bringt er es nicht.
Abends mit Julie bei Goethe, herrliche Stunden.
Es ist nun einmal ein seltsamer Mensch, aber wahrlich kein interessanter. Naturgeschichte und Technologie sind jetzt seine Lieblings-Unterhaltung; jedes andere Gespräch nimmt er nur gezwungen an.
Doch nur allzurasch entschlüpften so köstliche Stunden. „Lasst mich, Kinder“, sprach er plötzlich, „einsam zu meinen Steinen dort unten eilen, denn nach solchem Gespräch geziemt dem alten Merlin, sich mit den Urelementen wieder zu befreunden.“
Wir sahen ihm lange und frohbewegt nach, als er, in seinen lichtgrauen Mantel gehüllt, feierlich ins Tal hinabstieg, bald bei diesem, bald bei jenem Mineral oder Pflanze verweilend.
Goethe öffnete uns seine Zimmer, als ich bei Ottilie den Abend zubrachte. Er war höchst liebenswürdig in seinem Flausrock und schaukelte mich hin und her auf den Wogen seines Gesprächs.
Seht, lieben Kinder, was wäre ich denn, wenn ich nicht immer mit klugen Leuten umgegangen wäre und von ihnen gelernt hätte? Nicht aus Büchern, sondern durch lebendigen Ideentausch, durch heitre Geselligkeit müsst ihr lernen!
Ja, ja, das ist ja ganz hübsch, beinahe machte es ein Bild.