Sonntag, 3. Mai 2009

Das Inhaltsverzeichnis ist mir zur rechten Zeit gekommen und entspricht ganz meinen Wünschen und Zwecken. Lassen Sie mich die Frankfurter Rezensionen bei meiner Rückkehr auf gleiche Weise redigiert finden, so zolle ich den besten Dank, welchen ich vorläufig schon im Stillen entrichte, indem ich Ihre Gesinnungen, Zustände, Wünsche, zwecke und Pläne mit mir teilnehmend herumtrage, um bei meiner Rückkunft mich über Ihr Wohl desto gründlicher besprechen zu können. Mehr sag’ ich heute nicht. Der Abschied von Marienbad gibt mancherlei zu denken und zu tun, während man ein allzu kurzes Verweilen mit vorzüglichen Menschen gar schmerzlich empfindet.
Möge ich Sie in stiller Tätigkeit antreffen, aus der denn doch zuletzt am sichersten und reinsten Weltumsicht und Erfahrung hervorgeht. Leben Sie wohl; freue mich auf ein längeres und engeres Zusammensein.
Mit der Goethe und der Ulrich zu Tisch. Dass Goethe jetzt so heftig werde und sich gehen lasse. Woher es komme.
Wenn so beide (er und Günther) zusammen kämen, das komme ihm immer so vor, als wenn ein paar indische Götter sich so einander besuchen und etwas voneinander haben wollen.
»Ich muss geradeheraus sagen,« begann er, »ich wünsche, dass Sie diesen Winter bei mir in Weimar bleiben.« Dies waren seine ersten Worte, dann ging er näher ein und fuhr fort: »In der Poesie und Kritik steht es mit Ihnen aufs beste, Sie haben darin ein natürliches Fundament; das ist Ihr Metier, woran Sie sich zu halten haben und welches Ihnen auch sehr bald eine tüchtige Existenz zuwege bringen wird. Nun ist aber noch manches, was nicht eigentlich zum Fache gehört und was Sie doch auch wissen müssen. Es kommt aber darauf an, dass Sie hiebei nicht lange Zeit verlieren sondern schnell darüber hinwegkommen. Das sollen Sie nun diesen Winter bei uns in Weimar, und Sie sollen sich wundern, wie weit Sie Ostern sein werden. Sie sollen von allem das Beste haben, weil die besten Hülfsmittel in meinen Händen sind. Dann stehen Sie fürs Leben fest und kommen zum Behagen und können überall mit Zuversicht auftreten.«
»Für eine Wohnung in meiner Nähe«, fuhr Goethe fort, »werde ich sorgen; Sie sollen den ganzen Winter keinen unbedeutenden Moment haben. Es ist in Weimar noch viel Gutes beisammen, und Sie werden nach und nach in den höhren Kreisen eine Gesellschaft finden, die den besten aller grossen Städte gleichkommt. Auch sind mit mir persönlich ganz vorzügliche Männer verbunden, deren Bekanntschaft Sie nach und nach machen werden und deren Umgang Ihnen im hohen Grade lehrreich und nützlich sein wird.«
Merkwürdige Reflexion Goethes über sich selbst: Dass er das Ideelle unter einer weiblichen Form oder unter der Form des Weibes concipirt. Wie ein Mann sei, das wisse er ja nicht. Den Mann zu schildern sei ihm nur biographisch möglich, es müsse etwas Historisches zum Grunde liegen.
Bei Gelegenheit des Theaters, und was dabei vorgeht, scheinbar ohne Goethes Wissen, sagte er, dass er mehr davon wisse als Gott selbst, der sich um solchen Dreck nicht bekümmerte.
„Du hast wohl recht, aber wir andern sind so daran gewöhnt, uns alles von ihm gefallen zu lassen, dass es uns nie einfällt, darüber böse zu werden oder zu zürnen.“ „Das mag sein, aber Goethe würde es in seiner Jugend schwerlich geduldet haben, so behandelt zu werden.“