Samstag, 28. Januar 2006

Die Poeten schreiben alle, als wären sie krank und die ganze Welt ein Lazarett. Alle sprechen sie von dem Leiden und dem Jammer der Erde und von den Freuden des Jenseit, und unzufrieden, wie sie schon alle sind, hetzt einer den andern in noch grössere Unzufriedenheit hinein. Das ist ein wahrer Missbrauch der Poesie, die uns doch eigentlich dazu gegeben ist, um die kleinen Zwiste des Lebens auszugleichen und den Menschen mit der Welt und seinem Zustand zufrieden zu machen. Aber die jetzige Generation fürchtet sich vor aller echten Kraft, und nur bei der Schwäche ist es ihr gemütlich und poetisch zu Sinne.
"Ich sage immer und wiederhole es", begann er, "die Welt könnte nicht bestehen, wenn sie nicht so einfach wäre. Dieser elende Boden wird nun schon tausend Jahre bebaut, und seine Kräfte sind immer diesselbigen. Ein wenig Regen, ein wenig Sonne, und es wird jeden Frühling wieder grün, und so fort."
Aber das können diese Sanscülotten nicht begreifen, und was uns anderen gross erscheint, erscheint ihnen grob. Das Grosse ist ihnen unbequem, sie haben keine Ader, es zu verehren, sie können es nicht dulden.
Man müsste ein ganzes Buch schreiben, um alle grossen Verdienste dieses Gedichts nach Würden zu schätzen. Man tut wohl, es alle Jahr einmal zu lesen, um immer wieder daran zu lernen und den Eindruck seiner grossen Schönheit aufs neue zu empfinden.
"Das Gedicht ist so schön", sagte er, "dass man den Eindruck davon, bei den schlechten Zuständen, in denen man lebt, nicht in sich behalten kann und dass man immer von neuem erstaunt, wenn man es wieder liest."
Man spricht viel vom Theater, aber wer nicht selbst darauf war, kann sich keine Vorstellung davon machen. Wie völlig diese Menschen mit sich selbst unbekannt sind, wie sie ihr Geschäft ohne Nachdenken treiben, wie ihre Anforderungen ohne Grenzen sind, davon hat man keinen Begriff. Nicht allein will jeder der erste, sondern auch der einzige sein, jeder möchte gerne alle übrigen ausschliessen, und sieht nicht, dass er mit ihnen zusammen kaum etwas leistet; jeder dünkt sich wunderoriginal zu sein, und ist unfähig sich in etwas zu finden was ausser dem Schlendrian ist; dabei eine immerwährende Unruhe nach etwas Neuem. Mit welcher Heftigkeit wirken sie gegeneinander! und nur die kleinlichste Eigenliebe, der beschränkteste Eigennutz macht, dass sie sich miteinander verbinden. Vom wechselseitigen Betragen ist gar die Rede nicht; ein ewiges Misstrauen wird durch schändliche Reden unterhalten; wer nicht liederlich lebt, lebt albern. Jeder macht Anspruch auf die unbedingteste Achtung, jeder ist empfindlich gegen den geringsten Tadel. Das hat er selbst alles schon besser gewusst! Und warum hat er denn immer das Gegenteil getan? Immer bedürftig und immer ohne Zutrauen, scheint es, als wenn sie sich vor nichts so sehr fürchteten als vor Vernunft und gutem Geschmack, und nichts so sehr zu erhalten suchten, als das Majestätsrecht ihrer persönlichen Willkür.