Goethe zeigte mir
einen eleganten grünen Lehnstuhl, den er dieser Tage in einer Auktion sich
hatte kaufen lassen.
»Ich werde ihn jedoch wenig oder gar nicht gebrauchen,« sagte er, »denn alle
Arten von Bequemlichkeit sind eigentlich ganz gegen meine Natur. Sie sehen in
meinem Zimmer kein Sofa; ich sitze immer in meinem alten hölzernen Stuhl und
habe erst seit einigen Wochen eine Art von Lehne für den Kopf anfügen lassen.
Eine Umgebung von bequemen geschmackvollen Meublen hebt mein Denken auf und
versetzt mich in einen behaglichen passiven Zustand. Ausgenommen, daß man von
Jugend auf daran gewöhnt sei, sind prächtige Zimmer und elegantes Hausgeräte
etwas für Leute, die keine Gedanken haben und haben mögen.«
Freitag, 25. Mai 2012
Man
spricht immer viel von Aristokratie und Demokratie, die Sache ist ganz einfach
diese: In der Jugend, wo wir nichts besitzen oder doch den ruhigen Besitz nicht
zu schätzen wissen, sind wir Demokraten. Sind wir aber in einem langen Leben zu
Eigentum gekommen, so wünschen wir dieses nicht allein gesichert, sondern wir
wünschen auch, daß unsere Kinder und Enkel das Erworbene ruhig genießen mögen.
Deshalb sind wir im Alter immer Aristokraten ohne Ausnahme, wenn wir auch in
der Jugend uns zu anderen Gesinnungen hinneigten. Leo spricht über diesen Punkt
mit großem Geiste.
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