Donnerstag, 15. März 2007
Erst im reiferen Alter wurde es mir klar, weshalb er jeden so ruhig und widerspruchslos anhörte: es lag ihm vor allem daran, die Menschen, mit denen er, wenn auch nur vorübergehend, zu tun hatte, kennen zu lernen, und er wusste wohl, dass dies am besten dadurch erreicht wird, wenn man das Indivduum, anstatt es durch Widerspruch zu verwirren und zu reizen, frei seine Meinung aussprechen lässt.
Tiefste Verehrung in der Brust, ging ich weg. So kerngesundes Urteil, so gänzliche Unbefangenheit, Freiheit von aller Prätention, rein menschliche, ich möchte sagen bürgerliche Würdigung der Dinge, so viel Milde, Nachsicht und Schonung gegen menschliche Verirrungen und Schwachheiten, stets mit ihrer klarsten Erkenntnis gepaart, so viel innre Ruhe in Überblickung einer höchst bewegten Vergangenheit, so viel gutmütige Festhaltung des Einzelnen, frohsinnige Erinnerung, Natürlichkeit in Ausdruck und Empfindung - wird sich wohl nicht leicht wieder in einem Fürsten vereinigen. Es ist unmöglich, ihn nicht zu lieben, ihm über etwas zu grollen, wenn man ihn so gemütlich über sich und andere sprechen hört. Diese zwei Stunden waren köstlich.
Goethe habe stets zu viel in die Weiber gelegt, seine eigenen Ideen in ihnen geliebt, eigentlich grosse Leidenschaft nicht empfunden. Seine längste Liebschaft, die Frau von Stein, sei eine recht gute Frau gewesen, aber eben kein grosses Licht. Die Vulpius habe alles verdorben, ihn der Gesellschaft entfremdet; der Tod der Herzogin-Mutter habe auch vieles zerstört, da sei ein zwangloser Zentralpunkt gewesen, die Grossherzogin habe nach ihrer Eigentümlichkeit dies nicht fortsetzen können; mit Frau von Heygendorf sei Goethe bald, der Frau wegen, zerfallen.
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