Donnerstag, 24. November 2016


Der Kreis, worin solche Kräfte wirken sollen, muß nothwendig groß seyn. Sie sind zu Gesetzgebern, zu Lehrern, zu Führern des menschlichen Geschlechts bestimmt. Sie sollen das Ganze übersehen, für das Ganze sorgen. Von ihnen sollen die Entwürfe herkommen, wie die Beschwerden der Menschen zu verringern sind, und wie ihre Vortheile vermehrt werden können. Und eben, weil die Hindernisse, die der Ausführung im Wege liegen, an Zahl und Gewicht so groß sind, wurden sie mit so vieler Stärke, mit so weitsehenden hellen Einsichten, mit einem so lebhaften Instinct zum Großen und Ruhmwürdigen, mit einem so mächtigen Enthusiasmus versehen, damit sie den Menschen das Gute wirklich thun, was schwächere, obgleich gutwillige Geister ihnen nur wünschen können. Diejenigen unter diesen Genien, die ihrer Bestimmung getreu sind, sind den englischen Schutzgeistern ähnlich, welche nach der frommen Meinung der Alten über die Welt wachen, die Sphären regieren und den Befehl des Schöpfers diesseits des Himmels vollziehen. Sie haben Alles, was den übrigen Menschen abgeht, um sich selbst glücklich zu machen; sie sind zum Regieren, wie diese zum Gehorchen gemacht. Sie vertreiben die Unwissenheit und bekriegen die Vorurtheile und praktischen  Irrthümer, tausendmal schädlichere Ungeheuer als diejenigen, deren Vertilgung dem Hercules einen Platz bei den griechischen Göttern verdiente. Sie bringen Licht, Wahrheit und Ordnung ins menschliche Leben. Sie lehren oder bewachen die heiligen Gesetze der Natur, welche die Quellen aller übrigen Gesetze sind. Sie bezähmen und mildern die Wildheit und Härte der Menschen, verbessern, bilden und poliren ihre Sitten; lehren sie das Anständige, das Edle, das Schöne – und so machen sie gewisser Maßen die Fabel wahr, welche der zaubrischen Laute des Orpheus die Kraft, wilde Thiere zu besänftigen, andichtete.

Wie traurig ist es, daß solche Fähigkeiten mißbraucht werden können! daß solche Geister ihres Endzwecks verfehlen und von ihrer Hoheit herabstürzen können; daß sie die wahre Ehre, Wohlthäter der Menschen zu seyn, aus den Augen verlieren und, von dem falschen Schimmer einer eingebildeten Göttlichkeit, von einer Chimäre, einem leeren Getön getäuscht, Zerstörer der Welt werden können. Wenn ich einen Alexander nach Lorbeern rennen sehe, so dünkt mich, ich sehe die Fähigkeit eines Engels Werke eines Insects verrichten. Sollen so kleine, so niederträchtige Begierden in himmlische Seelen kommen? Sich selbst beherrschen, ist die höchste Stufe der Hoheit. Wer dieß nicht kann, hat das Recht verloren, sich der Regierung der Menschen anzumaßen. Wie unglücklich ist es, wenn Helden unrichtig denken! Wie viel kommt es darauf an, daß diese wissen, was wahrhaftig groß und ruhmwürdig ist. Wie nöthig ist es, daß diese fühlen, daß sie von einem Höhern abhängen, daß seine Gesetze ihre Richtschnur sind, daß sie ihm nur im Wohlthun ähnlich seyn können! Ein Genie, der sich auf die schlimme Seite wendet, ein Erobrer, ein Zerstörer, ein  Verführer der Menschen ist ein desto häßlicheres Ungeheuer, je größer und liebenswürdiger er gewesen seyn würde, wenn er in seiner gehörigen Laufbahn geblieben wäre. Ein gefallner Engel ist tausendmal häßlicher, als der schlimmste Mensch.