Donnerstag, 22. Dezember 2011

Da sah ich vor mir auf schrosser Felskante eine Reihe einzelner Schlösser hingestellt, in den verschiedensten Zeiten erbaut, zu den verschiedensten Zwecken errichtet. Hier, am nördlichen Ende, ein hohes, altes, [207] unregelmäßig-weitläufiges Schloß, große Säle zu kaiserlichen Pfalztagen umschließend, nicht weniger genugsame Räume zu ritterlicher Wohnung; es ruht auf starken Mauern zu Schutz und Trutz. Dann folgen später hinzugesellte Gebäude, haushältischer Benutzung des umherliegenden Feldbesitzes gewidmet.
Die Augen an sich ziehend aber steht weiter südlich, auf dem solidesten Unterbau, ein heiteres Lustschloß neuerer Zeit, zu anständigster Hofhaltung und Genuß in günstiger Jahreszeit. Zurückkehrend hierauf an das südlichste Ende des steilen Abhanges, finde ich zuletzt das alte, nun auch mit dem Ganzen vereinigte Freygut wieder, dasselbe welches mich so gastfreundlich einlud.
Auf diesem Wege nun hatte ich zu bewundern, wie die bedeutenden Zwischenräume, einer steil abgestuften Lage gemäß, durch Terrassengänge zu einer Art von auf- und absteigendem Labyrinthe architektonisch auf das schicklichste verschränkt worden, indessen ich zugleich die sämmtlichen über einander zurückweichenden Localitäten auf das vollkommenste grünen und blühen sah. Weithingestreckte, der belebenden Sonne zugewendete, hinabwärtsgepflanzte, tiefgrünende Weinhügel. Aufwärts an Mauergeländern üppige Reben, reich an reifenden, Genuß zusagenden Traubenbüscheln; hoch an Spalieren sodann eine sorgsam gepflegte, sonst ausländische Pflanzenart, das Auge nächstens mit hochfarbigen, an leichtem Gezweige herabspielenden Glocken zu ergötzen versprechend. Ferner vollkommen geschlossen-gewölbte Laubwege, einige in dem lebhaftesten Flor durchaus blühender Rosen höchlich reizend geschmückt; Blumenbeete zwischen Gesträuch aller Art.
Konnte mir aber ein erwünschteres Symbol geboten werden? deutlicher anzeigend wie Vorfahr und Nachfolger, einen edlen Besitz gemeinschaftlich festhaltend, pflegend und genießend, sich von Geschlecht zu Geschlecht ein anständig-bequemes Wohlbefinden emsig vorbereitend, eine für alle Zeiten ruhige Folge bestätigten Daseyns und genießenden Behagens einleiten und sichern?
Dieses mußte mir also zu einer eigenen Tröstung gereichen, welche nicht aus Belehrung und Gründen hervorging; hier sprach vielmehr der Gegenstand selbst das alles aus was ein bekümmertes Gemüth so gern vernehmen mag: die vernünftige Welt sey von Geschlecht zu Geschlecht auf ein folgereiches Thun entschieden angewiesen. Wo nun der menschliche Geist diesen hohen ewigen Grundsatz in der Anwendung gewahr wird, so fühlt er sich auf seine Bestimmung zurückgeführt und ermuthigt, wenn er auch zugleich gestehen wird: daß er eben in der Gliederung dieser Folge, selbst an- und abtretend, so Freude als Schmerz wie in dem Wechsel der Jahreszeiten so in dem Menschenleben, an andern wie an sich selbst zu erwarten habe.
Hier aber komme ich in den Fall, nochmals mir eine fortgesetzte Geduld zu erbitten, da der Schilderung meines gegenwärtigen Zustandes noch einiges Unentbehrliche hinzufügen wäre.
Von diesen würdigen landesherrlichen Höhen seh ich ferner in einem anmuthigen Thal so vieles, was, dem Bedürfniß des Menschen entsprechend, weit und breit in allen Landen sich wiederholt. Ich sehe zu Dörfern versammelte ländische Wohnsitze, durch Gartenbeete und Baumgruppen gesondert, einen Fluß, der sich vielfach durch Wiesen zieht, wo eben eine reichliche Heuernte die Emsigen beschäftigt; Wehr, Mühle, Brücke folgen auf einander, die Wege verbinden sich auf- und absteigend. Gegenüber erstrecken sich Felder an wohlbebauten Hügeln bis an die steilen Waldungen hinan, bunt anzuschauen nach Verschiedenheit der Aussaat und des Reisegrades. Büsche, hie und da zerstreut, dort zu schattigen Räumen zusammengezogen. Reihenweis auch den heitersten Anblick gewährend seh ich große Anlagen von Fruchtbäumen; sodann aber, damit der Einbildungskraft ja nichts Wünschenswerthes abgehe, mehr oder weniger aufsteigende, alljährlich neu angelegte Weinberge.
Das alles zeigt sich mir wie vor funfzig Jahren und zwar in gesteigertem Wohlseyn, wenn schon diese Gegend von dem größten Unheil mannichfach und wiederholt heimgesucht worden. Keine Spur von Verderben ist zu sehen, schritt auch die Weltgeschichte hart auftretend gewaltsam über die Thäler. Dagegen deutet alles auf eine emsig folgerechte, klüglich vermehrte Cultur eines sanft und gelassen regierten, sich durchaus mäßig verhaltenden Volkes.