Mittwoch, 3. August 2016
In den meisten Ländern des
Morgens dämpft die Härte der Regierung alle die Triebe, die das Herz des Volkes
erhöhen sollten. In China haben die ersten Kaiser unter dem Volke die Tugend
aufgesucht, um sie dem Throne zu nähern; sie haben mit Ausschliessung ihrer
Söhne, das Zepter dem Würdigsten abgetreten; lange haben die Kaiser den Rath
der Unterthanen willig angenommen, ihre Fehler erkannt, und dem treuen Diener
den Ruhm gelassen, daß die bessern Thaten des Fürsten von seinen Warnungen
herkämen. Aber auch in China ist die alte Einfalt der Herrscher durch die
Schmeichler verdrungen; Usong gestund es. Die Belohnungen werden durch den Rath
unwürdiger Verschnittenen ausgetheilt, der obersten Mandarinen Unterdrückungen
übersehen, und das Joch auf das Volk erschweret. Noch gewinnen zuweilen die
glänzenden Beyspiele tugendhafter Kaiser, und die siegreiche Beredsamkeit alter
Weisen, das Herz eines Fürsten, und bereden ihn, sein Vergnügen, im Glücke des
Landes zu suchen. Aber das Uebel ist geschehen, das Herz des Volkes ist in den
Koth getreten, und keiner edlen Begierden mehr fähig.
»Danischmend
Danischmend!« (rief der Sultan) »was ich sagen würde? – Ich würde« – hier hielt
Seine Hoheit eine ziemliche Weile ein, und der schönen Nurmahal pochte das Herz
vor Furcht für den ehrlichen, wohl meinenden, aber, in der Tat, gar zu
unbedachtsamen Danischmend. – »Ich würde sagen«, fuhr der Sultan endlich fort,
»daß du mir den großen Fürsten auf der Stelle nennen sollst, der dies alles
getan hat.«
»Sire«,
antwortete Danischmend ganz demütig, »ich gestehe freimütig, daß ich, wofern
Ihre Hoheit Sich nicht entschließen es selbst zu sein, weder unter Ihren
Vorgängern noch unter Ihren Zeitgenossen einen kenne, der dies alles getan
hätte. Aber mein Herz sagt mir, daß die Idee eines solchen Fürsten, die ich in
diesem Augenblick, wie durch eine Art von Eingebung, auf einmal in meiner Seele
fand, kein Hirngespenst ist. Er wird kommen, und sollt es auch erst in vielen
Jahrhunderten sein; ganz gewiß wird er kommen, um zu gleicher Zeit die Ehre der
Vorsehung, der Menschheit und des Fürstenstandes zu retten, und der Trost eines
unglücklichen Zeitalters, das Vorbild der Könige, und die Liebe und Wonne aller
Menschen zu sein.«
»Gute
Nacht, Danischmend«, sagte der Sultan lächelnd: »ich sehe du rappelst. Unser
Prophet befiehlt uns, Leute in deinen Umständen mit Ehrerbietung anzusehen;
aber gleichwohl könnte, deucht mich, eine Prise Niesewurz nichts schaden,
Freund Danischmend!«
»Danischmend
hat uns die Verdorbenheit der scheschianischen Nation so groß und so allgemein
vorgestellt«, sagte die Sultanin, »daß ich nicht begreife, wo er den Mann
hernehmen will, der aus diesem Chaos eine neue Welt zu erschaffen fähig sein
sollte. Dies bin ich wenigstens gewiß, daß dieser Mann sich nicht am Hofe zu
Scheschian gebildet haben kann.«
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