Freitag, 2. Oktober 2020

Er war sehr gut gegen mich, nennte mich im Vertrauen seines Herzens Du, das verwies ich ihm mit den sanftesten Ton von der Welt, sich’s nicht anzugewöhnen, weil es nun eben niemand wie ich zu verstehn weiß und er ohnedies oft gewisse Verhältnisse aus den Augen setz. Da springt er wild auf vom Kanapee, sagt: „Ich muß fort!“, läuft ein paarmal auf und ab, um seinen Stock zu suchen, findt ihn nicht, rennt so zur Türe hinaus ohne Abschied, ohne Gutenacht. Sehen Sie, lieber Zimmermann, so war’s heute mit unsern Freund. Schon einigemal habe ich bittern Verdruß um ihn gehabt; das weiß er nicht und soll’s nie wissen.  ...  

Goethe hatte sich mir gegenüber gesetzt, und wir sprachen noch über allerlei Dinge. Dann verweilten wir wieder bei Lord Byron, und es kamen die mancherlei Unfälle zur Erwähnung, die sein späteres Leben getrübt, bis zuletzt ein zwar edles Wollen, aber ein unseliges Geschick ihn nach Griechenland geführt und vollends zugrunde gerichtet. „Überhaupt“, fuhr Goethe fort, „werden Sie finden, daß im mittleren Leben eines Menschen häufig eine Wendung eintritt, und daß, wie ihn in seiner Jugend alles begünstigte und alles ihm glückte, nun mit einemmal alles ganz anders wird, und ein Unfall und ein Mißgeschick sich auf das andere häuft.“