Samstag, 16. Juni 2007

Zwar ist, ich gestehe es, ein solcher Entschluss sehr illiberal und nur Verzweiflung kann einen dazu bringen; es ist aber doch immer besser ein für allemal zu entsagen, als immer einmal über den andern Tag rasend zu werden.
In der Lage, in der ich mich befinde, habe ich mir zugeschworen, an nichts mehr Theil zu nehmen, als an dem, was ich so in meiner Gewalt habe, wie ein Gedicht, wo man weiß, daß man zuletzt nur sich zu tadeln oder zu loben hat; an einem Werke, an dem man, wenn der Plan einmal gut ist, nicht das Schicksal des Penelopeischen Schleiers erlebt. Leider lösen in allen übrigen Dingen einem die Menschen gewöhnlich wieder auf, was man mit großer Sorgfalt gewoben hat, und das Leben gleicht jener beschwerlichen Art zu wallfahrten, wo man drei Schritte vor, und zwei zurück thun muß.
Es ist lustig zu sehen, was diese Menschenart eigentlich geärgert hat, was sie glauben, dass einen ärgert, wie schal, leer und gemein sie eine fremde Existenz ansehen, wie sie ihre Pfeile gegen das Außenwerk richten, wie wenig sie nur ahnen, in welcher unzugänglichen Burg der Mensch wohnt, dem es nur irgend Ernst um sich und um die Sachen ist.
Wer gerne leben mag und ein entschiedenes Streben in sich fühlt, einen freien Blick über die Welt hat, dem muß vor einem kleinen Dienst wie vor dem Grabe schaudern. Solche enge Verhältnisse können nur durch die höchste Konsequenz, wodurch sie die Gestalt einer großen Haushaltung annehmen, interessant werden.
Nur ein Augenblick war’s, in dem ich lebte, der wieget
Alle Tage, die sonst kalt mir verschwindenden, auf.
Auf den letzten Seiten von Wilhelm Meisters Lehrjahre drängen die Ereignisse einem Augenblick des vollkommenen Glücks entgegen, der wie in einem langsamer werdenden Traum immer schwieriger zu erlangen ist, bis der Roman unmittelbar vor diesem Augenblick, aber ohne ihn erreicht zu haben, zum Stillstand kommt.
„Vergebens klagen wir Menschen uns selbst, vergebens das Schicksal an! Wir sind elend und zum Elend bestimmt, und ist es nicht völlig einerlei, ob eigene Schuld, höherer Einfluss oder Zufall, Tugend oder Laster, Weisheit oder Wahnsinn uns ins Verderben stürzen?“
Der Referent fand ihn einmal umgeben von einer Folge anderer Naturgegenstände, die er geordnet hatte, um der letzverstorbenen Frau Grossherzogin, deren Besuch er erwartete, den leisern, verborgneren Übergang der Natur von dem Einen zu dem Andern, und besonders auch anschaulich zu machen, wie die alma mater in dem Einen nicht nur andeute, was erst das Zweite empfangen solle, sondern zuweilen es dort gewissermassen , halb und halb, schon vorausnehme. Über letzteres, wo er glaubte, es nachweisen zu können, verbreitete er sich mit besonderm Vergnügen und mit mancher höchst unerwarteten, bald heitern und leichtern, bald sanftfeierlichen und weit hinaus deutenden Wendung. So begann er in letzter Weise einmal, indem er eben zwei solche Gegenstände in den Händen hielt: Was meinen Sie: könnte nicht St.Paulus, diese tiefe Seele, dergleichen im Sinne gehabt haben, wo er des „ängstlichen Harrens der Kreatur“ gedenkt, und wie sie „sich sehnet immerdar?“