Donnerstag, 11. März 2010
Das Gespräch kam nun auf die Dichterinnen im allgemeinen und der Hofrat Rehbein bemerkte, dass das poetische Talent der Frauenzimmer ihm oft als eine Art von geistigem Geschlechtstrieb vorkomme. „Da hören Sie nur,“ sagte Goethe lachend, indem er mich ansah, „geistigen Geschlechtstrieb! – wie der Arzt das zurechtlegt! –“ „Ich weiss nicht, ob ich mich recht ausdrücke,“ fuhr dieser fort, „aber es ist so etwas. Gewöhnlich haben diese Wesen das Glück der Liebe nicht genossen, und sie suchen nun in geistigen Richtungen Ersatz. Wären sie zu rechter Zeit verheiratet und hätten sie Kinder geboren, sie würden an poetische Produktionen nicht gedacht haben.“
„Doch unsere Dichterinnen,“ fuhr er sehr lebhaft fort, „möchten immer dichten und schreiben, soviel sie wollten, wenn nur unsere Männer nicht wie die Weiber schrieben! Aber das ist es, was mir nicht gefällt. Man sehe doch unsere Zeitschriften und Taschenbücher, wie das alles so schwach ist und immer schwächer wird! – Wenn man jetzt ein Kapitel des Cellini im Morgenblatt abdrucken liesse, wie würde sich das ausnehmen!“
„Die Welt bleibt immer dieselbe,“ sagte Goethe, „die Zustände wiederholen sich, das eine Volk lebt, liebt und empfindet wie das andere: warum sollte denn der eine Poet nicht wie der andere dichten? Die Situationen des Lebens sind sich gleich: warum sollten denn die Situationen der Gedichte sich nicht gleich sein?“
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