Freitag, 6. Juni 2014

Schon lange würde ich Ew. Durchl. Rechenschafft von meiner Reise, von meinem Aufenthalte in Rom gegeben haben, wenn ich hätte hoffen können etwas zu schreiben das Ihrer Aufmercksamkeit werth wäre. Der Reisende kann selten aus sich selbst herausgehen, was er von Schicksalen zu melden hat ist wenig bedeutend und meistens schreibt er mit selbstgefälligem Entzücken: daß er nun auch jene langgewünschten Gegenden betrete, jene herrlichen Gegenstände mit Augen sehe und nach seiner Art davon und dabey genieße.
Ich habe nun den ersten flüchtigen Lauf durch Rom beynahe geendigt, ich kenne die Stadt und ihre Lage, die Ruinen, Villen, Palläste, Gallerien und Musea. Wie leicht ist es bey einer solchen Fülle von Gegenständen etwas zu dencken, zu empfinden, zu phantasiren. Aber wenn es nun darauf ankommt die Sachen um ihrer selbst willen zu sehen, den Künsten aufs Marck zu dringen, das Gebildete und Hervorgebrachte nicht nach dem Effeckt den es auf uns macht, sondern nach seinem innern Werthe zu beurtheilen; dann fühlt man erst wie schwer die Aufgabe ist und wünscht mehr Zeit und ernsthaftere Betrachtung diesen schätzbaren Denckmalen menschlichen Geistes und menschlicher Bemühungen wiedmen zu können.