Donnerstag, 8. Dezember 2022

Nicht aber allein vor dem Sultan, sondern auch vor Geliebten erniedrigt man sich ebenso tief und noch häufiger. 

 … hier sehen wir den ersten Diplomaten des Jahrhunderts, in der grössten Ruhe, sitzend und alle Zufälligkeiten des Augenblicks gelassen erwartend. Umgeben von einem höchst anständigen, aber nicht prunkhaften Zimmer finden wir ihn im schicklichen einfachen Hofkleide, den Degen an der Seite, den Federhut nicht weit hinterwärts auf dem Canapé liegend, eben als erwarte der Geschäftsmann die Meldung des Wagens, um zur Conferenz zu fahren; den linken Arm auf die Tischlehne gelehnt, in der Nähe von Papier, Schreibzeug und Feder, die Rechte im Schoos, den rechten Fuss über den linken geschlagen, erscheint er vollkommen impassibel. Wir erwehrten uns nicht des Andenkens an die Epikurischen Gottheiten, welche da wohnen „wo es nicht regnet noch schneiet noch irgend ein Sturm weht“; so ruhig sitzt hier der Mann, unangefochten von allen Stürmen, die um ihn her sausen. Begreifen lässt sich, dass er so aussieht, aber nicht wie er es aushält. Sein Blick ist das Unerforschlichste; er sieht vor sich hin, ob er aber den Beschauer ansieht, ist zweifelhaft ….  Genug, wir mögen hier physiognomisieren und deuten wie wir wollen, so finden wir unsere Einsicht zu kurz, unsre Erfahrung zu arm, unsre Vorstellung zu beschränkt, als dass wir uns von einem solchen Wesen einen hinlänglichen Begriff machen könnten.