Freitag, 21. Februar 2020


An den Herzog Carl August
Rom d. 29. Dec. 87.

Von allen Seiten höre ich daß es Ihnen wohl geht, daß Sie im Haag vergnügt sind und der Kriegshimmel sich aufgeheitert hat. Das Glück bey Frauen das Ihnen niemals gefehlt hat, wird Sie auch in Holland nicht verlassen und Sie dafür schadloß halten, daß Sie die schöne Emilie in Ihrem Hause versäumt haben.

Mich hat der süße kleine Gott in einen bösen Weltwinckel relegirt. Die öffentlichen Mädchen der Lust sind unsicher wie überall. Die Zitellen (unverheurathete Mädchen) sind keuscher als irgendwo, sie lassen sich nicht anrühren und fragen gleich, wenn man artig mit ihnen thut: e che concluderemo? Denn entweder man soll sie heurathen oder sie verheurathen und wenn sie einen Mann haben, dann ist die Messe gesungen. Ja man kann fast sagen, daß alle verheurathete Weiber dem zu Gebote stehn, der die Familie erhalten will. Das sind denn alles böse Bedingungen und zu naschen ist nur bey denen, die so unsicher sind als öffentliche Creaturen. Was das Herz betrifft; so gehört es gar nicht in die Terminologie der hiesigen Liebeskanzley.

Nach diesem Beytrag zur statistischen Kenntniß des Landes werden Sie urtheilen, wie knapp unsre Zustände seyn müßen und werden ein sonderbar Phenomen begreifen, das ich nirgends so starck als hier gesehen habe, es ist die Liebe der Männer untereinander. Vorausgesetzt daß sie selten biß zum höchsten Grab der Sinnlichkeit getrieben wird, sondern sich in den mittlern Regionen der Neigung und Leidenschafft verweilt; so kann ich sagen, daß ich die schönsten Erscheinungen davon, welche wir nur aus griechischen Überlieferungen haben, hier mit eignen Augen sehen und als ein aufmercksamer Naturforscher, das phisische und moralische davon beobachten konnte. Es ist eine Materie von der sich kaum reden, geschweige schreiben läßt, sie sey also, zu künftigen Unterhaltungen aufgespart.