Es entstand eine
Pause, während welcher Goethe fortfuhr im Zimmer auf- und abzugehen. Ich war
indes begierig, über diesen wichtigen Punkt noch etwas weiteres zu hören, und
suchte daher Goethen wieder in Anregung zu bringen.
»Liegt denn,« sagte
ich, »diese geniale Productivität bloß im Geiste eines bedeutenden Menschen,
oder liegt sie auch im Körper?«
»Wenigstens,«
erwiederte Goethe, »hat der Körper darauf den größten Einfluß. Es gab zwar eine
Zeit, wo man in Deutschtand sich ein Genie als klein, schwach, wohl gar
buckelig dachte, allein ich lobe mir ein Genie, das den gehörigen Körper hat.
Wenn man von Napoleon
gesagt, er sei ein Mensch aus Granit, so gilt dieses besonders auch von seinem
Körper. Was hat sich der nicht alles zugemuthet und zumuthen können! Von dem
brennenden Sande der Syrischen Wüste bis zu den Schneefeldern von Moskau,
welche Unsumme von Märschen, Schlachten und nächtlichen Bivouacs liegt da nicht
in der Mitte! Und welche Strapazen und körperliche Entbehrungen hat er dabei
nicht aushalten müssen! Wenig Schlaf, wenig Nahrung, und dabei immer in der
höchsten geistigen Thätigkeit! Bei der fürchterlichen Anstrengung und Aufregung
des 18. Brumaire ward es Mitternacht, und er hatte den ganzen Tag noch nichts
genossen, und ohne nun an seine körperliche Stärkung zu denken, fühlte er sich
Kraft genug, um noch tief in der Nacht die bekannte Proclamation an das
französische Volk zu entwerfen! Wenn man erwägt, was der alles durchgemacht und
ausgestanden, so sollte man denken, es wäre in seinem vierzigsten Jahre kein
heiles Stück mehr an ihm gewesen; allein er stand in jenem Alter noch auf den
Füßen eines vollkommenen Helden.