Freitag, 15. Mai 2009

Die Gegenwart will ihre Rechte; was sich täglich im Dichter von Gedanken und Empfindungen aufdrängt, das will und soll ausgesprochen sein. Hat man aber ein grösseres Werk im Kopfe, so kann nichts daneben aufkommen, so werden alle Gedanken zurückgewiesen, und man ist für die Behaglichkeit des Lebens selbst so lange verloren. Welche Anstrengung und Verwendung von Geisteskraft gehört nicht dazu, um nur ein grosses Ganzes in sich zu ordnen und abzurunden, und welche Kräfte und welche ruhige ungestörte Lage im Leben, um es dann in einem Fluss gehörig auszusprechen. Hat man sich nun im Ganzen vergriffen, so ist alle Mühe verloren; ist man ferner, bei einem so umfangreichen Gegenstande, in einzelnen Teilen nicht völlig Herr seines Stoffes, so wird das Ganze stellenweise mangelhaft werden, und man wird gescholten; und aus allem entspringt für den Dichter statt Belohnung und Freude für so viele Mühe und Aufopferung nichts als Unbehagen und Lähmung der Kräfte. Fasst dagegen der Dichter täglich die Gegenwart auf, und behandelt er immer gleich in frischer Stimmung, was sich ihm darbietet, so macht er sich immer etwas Gutes, und gelingt ihm auch einmal etwas nicht, so ist nichts daran verloren.
Da ist der August Hagen in Königsberg, ein herrliches Talent; haben Sie seine ›Olfried und Lisena‹ gelesen ? Da sind Stellen darin, wie sie nicht besser sein können; die Zustände an der Ostsee, und was sonst in dortige Lokalität hineinschlägt, alles meisterhaft. Aber es sind nur schöne Stellen, als Ganzes will es niemanden behagen. Und welche Mühe und welche Kräfte hat er daran verwendet! ja er hat sich fast daran erschöpft. Jetzt hat er ein Trauerspiel gemacht!