Mittwoch, 4. März 2009

Dabei ist Goethe die Liebe selbst und sucht in allen Dingen und bei allen Menschen nur die vorteilhaftesten Seiten auf, und beurteilt den Menschen nur nach dem Massstabe dessen, was er seiner inneren Natur nach zu leisten im Stande ist. Wie kämen wir schwachen Kinder des Staubes auch sonst neben ihm zurecht, wenn er diese schonende und liebreiche Maxime nicht hätte?
Was sagst Du zu Hölderlins Sophokles? Ist der Mensch rasend oder stellt er sich nur so, und ist sein Sophokles eine versteckte Satire auf schlechtes Übersetzen? Ich habe neulich abends, als ich mit Schiller bei Goethe aß, beide recht damit regaliert. Lies doch den vierten Chor der „Antigone“ - Du hättest Schiller sehen sollen, wie er lachte!
Seine Weise, die Menschen zu betrachten, ist ganz die eines kontemplativen Naturforschers, im edleren Sinne des Wortes.
Könnte nun wohl ein Naturforscher sich über einen Giftbaum oder eine Kröte ärgern? Nun, so verdriesst Goethe auch ein Kotzebue, selbst ein Merkel nicht. Er denkt, der liebe Gott, der von allen Arten etwas gibt, hat ihnen einmal diese eselshafte Natur gegeben, sie müssen ihr treu bleiben. Auch solche Subjekte sind notwendig zum Heil des Ganzen, wenn sie gleich nur negativ wirken.