Sonntag, 20. April 2008
Immer wieder quälten ihn Endzeitvisionen. „Wir armen Künstler dieser letzten Zeiten“, heisst es 1797 an Schiller. 1808 gedachte Goethe, wie der alte Diokletian in Spalato „als letzter Heide zu leben und zu sterben“. 1826 glaubte er, in einer „rückschreitenden“ Zeit zu leben; 1831 fürchtete er eine neue Barbarei. … Er sah die „Zeit kommen, wo Gott keine Freude mehr an den Menschen hat und er abermals alles zusammenschlagen muss zu einer verjüngten Schöpfung“.
Wenn man sieht, wie die Welt überhaupt, und besonders die junge, nicht allein ihren Lüsten und Leidenschaften hingegeben ist, sondern wie zugleich das Höhere und Bessere an ihnen durch die ernsten Torheiten der Zeit verschoben und verfratzt wird, so daß ihnen alles, was zur Seligkeit führen sollte, zur Verdammnis wird, unsäglichen äußern Drang nicht gerechnet, so wundert man sich nicht über Untaten, durch welche der Mensch gegen sich selbst und andere wütet. Ich getraute mir, einen neuen "Werther" zu schreiben, über den dem Volke die Haare noch mehr zu Berge stehn sollten als über den ersten. Laß mich noch eine Bemerkung hinzufügen. Die meisten jungen Leute, die ein Verdienst in sich fühlen, fordern mehr von sich als billig. Dazu werden sie aber durch die gigantische Umgebung gedrängt und genötigt. Ich kenne deren ein halb Dutzend, die gewiß auch zugrunde gehn und denen nicht zu helfen wäre, selbst wenn man sie über ihren wahren Vorteil aufklären könnte.
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