Mittwoch, 13. Januar 2016

Goethe ist wohl und prächtig und im höchsten Grade tätig.

Seltsam schiefe Stellung des Friedrich von Müller. Ihm erscheint ein anderer Goethe, und Goethe duldet und schätzt ihn, weil er sich ihm gegenüber anders zeigen kann, sehr düster, pessimistisch, bissig und ungezogen. Er verbirgt vor ihm Dinge, er bricht Unterhaltungen ab, in dem er ans Fenster geht und dort in einem Buch zu lesen beginnt, er schimpft, lässt seinen Launen freien Lauf.
Darüber war ich sehr froh; denn nichts ist peinlicher als das Zusammensein mit ihm, wenn er jeden Gesprächsfaden sogleich fallen lässt oder abreisst, auf jede Frage mit. „Gute Menschen! es ist ihnen aber nicht zu helfen“ oder „Da mögt Ihr jungen Leute zusehen, ich bin zu alt dazu“ antwortet und manche lange Pause mit nichts als Hm! Hm! ausfüllt, auch wohl den Kopf wie aus Schläfrigkeit sinken lässt.

... „Sie hat etwas“, sagte Goethe, „wovon Ihr beide keinen Begriff habt und welches ich nicht verraten will.“ ....
„Da wir allein sind“, sagte Goethe, „so kann ich Ihnen wohl entdecken, wie es um jenes Fräulein steht. - Geist hat sie nicht, denn dies ist etwas sehr Seltenes, besonders bei Frauen. Aber sie hat eine gewisse innere Freiheit, wodurch sie dem Augenblick überlegen ist und wodurch sie oft höchst anmutig und angenehm sein kann. ...