Freitag, 13. Juli 2012

»Wir Frauen sind nun einmal so, lieber Vater,« sagte Frau von Goethe, indem sie über den Tisch neigend ihm die Hand drückte. – »Man muß euch schon in euerer Liebenswürdigkeit gewähren lassen,« erwiederte Goethe. 
»Man will,« sagte Herr von Martius, »auf dem Ararat ein Stück von der Arche Noah's versteinert gefunden haben, und es sollte mich wundern, wenn man nicht auch die versteinerten Schädel der ersten Menschen finden sollte.« 
»Dieser Meinung,« sagte Goethe, »muß ich widersprechen. Ich behaupte vielmehr, daß die Natur sich immer reichlich, ja verschwenderisch erweise, und daß es weit mehr in ihrem Sinne sei, anzunehmen, sie habe statt eines einzigen armseligen Paares die Menschen gleich zu Dutzenden, ja zu Hunderten hervorgehen lassen. Als nämlich die Erde bis zu einem gewissen Punkt der Reise gediehen war, die Wasser sich verlaufen hatten und das Trockene genugsam grünte, trat die Epoche der Menschwerdung ein, und es entstanden die Menschen durch die Allmacht Gottes überall, wo der Boden es zuließ, und vielleicht auf den Höhen zuerst. Anzunehmen, daß dieses geschehen, halte ich für vernünftig, allein darüber nachzusinnen, wie es geschehen, halte ich für ein unnützes Geschäft, das wir denen überlassen wollen, die sich gern mit unauflößbaren Problemen beschäftigen und die nichts Besseres zu thun haben.«
»Ich kann es dem Guten nicht verargen,« sagte Goethe, »daß er von Italien mit solcher Begeisterung redet; weiß ich doch, wie mir selber zu Muthe gewesen ist! Ja ich kann sagen, daß ich nur in Rom empfunden habe, was eigentlich ein Mensch sei. Zu dieser Höhe, zu diesem Glück der Empfindung bin ich später nie wieder gekommen; ich bin, mit meinem Zustande in Rom verglichen, eigentlich nachher nie wieder froh geworden.«