Dienstag, 18. August 2009

„Und dann, das Leben eines deutschen Gelehrten, was ist es? Was in meinem Fall daran etwa Gutes sein möchte, ist nicht mitzuteilen, und das Mitteilbare ist nicht der Mühe wert. Und wo sind denn die Zuhörer, denen man mit einigem Behagen erzählen möchte?“
Als ich darauf später mit Goethe allein war, fragte er mich über Zelter. »Nun,« sagte er, »wie gefällt er Ihnen?« Ich sprach über das durchaus Wohltätige seiner Persönlichkeit. »Er kann«, fügte Goethe hinzu, »bei der ersten Bekanntschaft etwas sehr derbe, ja mitunter sogar etwas roh erscheinen. Allein das ist nur äusserlich. Ich kenne kaum jemanden, der zugleich so zart wäre wie Zelter. Und dabei muss man nicht vergessen, dass er über ein halbes Jahrhundert in Berlin zugebracht hat. Es lebt aber, wie ich an allem merke, dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, dass man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern dass man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muss, um sich über Wasser zu halten.«
Heute gegen Abend liess er mich dennoch rufen. Als ich zu ihm hineintrat, fand ich einen Stuhl bereits in seine Nähe gesetzt; er reichte mir seine Hand entgegen und war äusserst liebevoll und gut. Er fing sogleich an, über meine kleine Rezension zu reden. »Ich habe mich sehr darüber gefreut,« sagte er, »Sie haben eine schöne Gabe. Ich will Ihnen etwas sagen,« fuhr er dann fort, »wenn Ihnen vielleicht von andern Orten her literarische Anträge gemacht werden sollten, so lehnen Sie solche ab oder sagen es mir wenigstens zuvor; denn da Sie einmal mit mir verbunden sind, so möchte ich nicht gerne, dass Sie auch zu anderen ein Verhältnis hätten.«
Ich antwortete, dass ich mich bloss zu ihm halten wolle, und dass es mir auch vorderhand um anderweitige Verbindungen durchaus nicht zu tun sei.
Das war ihm lieb, und er sagte darauf, dass wir diesen Winter noch manche hübsche Arbeit miteinander machen wollten.