Und hinten drein komm ich bey Nacht
Und vögle sie dass alles kracht
Mittwoch, 18. Dezember 2019
Dienstag, 10. Dezember 2019
Montag, 25. November 2019
Die Mädgen oder
vielmehr die jungen Frauen, die als Modelle sich bey den Mahlern einfinden,
sind allerliebst mit unter und gefällig sich beschauen und genießen zu laßen.
Es wäre auf diese Weise eine sehr bequeme Lust, wenn die französchen Einflüße
nicht auch dieses Paradies unsicher machten. Ich bringe das Portrait von so
einem Geschöpfe mit, man kann nichts zierlichers sehn.
Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt kam durch Friedrich
den Großen und die Taten des Siebenjährigen Kriegs in die deutsche Poesie. Jede
Nationaldichtung muß schal sein oder schal werden, die nicht auf dem
Menschlich-Ersten ruht, auf den Ereignissen der Völker und ihrer Hirten, wenn
beide für einen Mann stehe. Könige sind darzustellen in Krieg und Gefahr, wo
sie eben dadurch als die Ersten erscheinen, weil sie das Schicksal des
Allerletzten bestimmen und teilen, und dadurch viel interessanter werden als
die Götter selbst, die, wenn sie Schicksale bestimmt haben, sich der Teilnahme
derselben entziehen. In diesem Sinne muß jede Nation, wenn sie für irgend etwas
gelten will, eine Epopöe besitzen, wozu nicht gerade die Form des epischen
Gedichts nötig ist.
Donnerstag, 21. November 2019
Donnerstag, 14. November 2019
Montag, 28. Oktober 2019
Mich hat der süße
kleine Gott in einen bösen Weltwinckel relegirt. Die öffentlichen Mädchen der
Lust sind unsicher wie überall. Die Zitellen (unverheurathete Mädchen) sind
keuscher als irgendwo,sie lassen sich nicht anrühren und fragen gleich, wenn
man artig mit ihnen thut: e che concluderemo? Denn entweder soll man sie
heurathen oder verheurathen und wenn sie einen Mann haben, dann ist die Messe
gesungen. Ja man kann fast sagen, daß alle verheurathete Weiber dem zu Gebote
stehn, der die Familie erhalten will. Das sind denn alles böse Bedingungen und
zu naschen ist nur bey denen, die so unsicher sind als öffentliche Creaturen.
Was das Herz betrifft; so gehört es gar nicht in die Terminologie der hiesigen
Liebeskanzley.
Nach diesem Beytrag
zur statistischen Kenntnis des Landes werden Sie ein sonderbar Phenomen
begreifen, das ich nirgends so starck als hier gesehen habe, es ist die Liebe
der Männer untereinander. Vorausgesetzt daß sie selten biß zum höchsten Grad
der Sinnlichkeit getrieben wird, sondern sich in den mittlern Regionen der
Neigung und Leidenschaft verweilt; so kann ich sagen, daß ich die schönsten
Erscheinungen davon, welche wir nur aus griechischen Überlieferungen haben ..
hier mit eignen Augen sehen und als ein aufmercksamer Naturforscher, das
phisische und moralische davon beobachten konnte.
Kind! Kind! nicht
weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die
Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns
bleibt nichts, als, mutig gefaßt, die Zügel festzuhalten und bald rechts bald
links, vom Steine hier vom Sturze da, die Räder wegzulenken. Wohin es geht, wer
weiß es?
Samstag, 26. Oktober 2019
Sich den Obern zu widersetzen, einem Sieger störrig und widerspenstig zu begegnen, damm weil um Griechisch und Lateinisch im Leibe steckt, er aber von diesen Dingen wenig oder nichts versteht, ist kindisch und abgeschmackt. Das ist Professorstolz, wie es Handwerksstolz, Bauernstolz und dergleichen gibt, der seinen Inhaber eben so lächerlich macht, als er ihm schadet.
Sonderbar war es,
dass ich auf äußere Veranlassung verschiedene Maßregeln nehmen musste, welche
mich in neue Verhältnisse setzten, wodurch mein Aufenthalt in Rom immer
schöner, nützlicher und glücklicher ward. Ja, ich kann sagen, dass ich die
höchste Zufriedenheit meines Lebens in diesen letzten acht Wochen genossen habe
und nun wenigstens einen äußersten Punkt kenne, nach welchem ich das Thermometer
meiner Existenz künftig abmessen kann.
Mein Abschied von
hier betrübt drei Personen innigst. Sie werden nie wieder finden, was sie an
mir gehabt haben, ich verlasse sie mit Schmerzen. In Rom hab' ich mich selbst
zuerst gefunden, ich bin zuerst übereinstimmend mit mir selbst glücklich und
vernünftig geworden, und als einen solchen haben mich diese dreie in
verschiedenem Sinne und Grade gekannt, besessen und genossen.
Freitag, 25. Oktober 2019
20. Jan. 87 abends
Dein Brief vom 1. Jan. ist mir gekommen und hat mir Freude und Schmertzen
gebracht. Dazu kann ich nichts weiter sagen als: ich habe nur Eine
Existenz, diese hab ich diesmal ganz gespielt und spiele sie noch. Komm
ich leiblich und geistlich davon, überwältigt meine Natur, mein Geist, mein
Glück, diese Krise, so ersetz ich dir tausendfältig was zu ersetzen ist. – Komm
ich um, so komm ich um, ich war ohne dies zu nichts mehr nütze.
Ach liebe Lotte du
weist nicht welche Gewalt ich mir angethan habe und anthue und daß der Gedancke
dich nicht zu besitzen mich doch im Grunde, ich mags nehmen und stellen und
legen wie ich will aufreibt und aufzehrt. Ich mag meiner Liebe zu dir Formen
geben welche ich will, immer immer – Verzeih mir daß ich dir wieder einmal sage
was so lange stockt und verstummt. Wenn ich dir meine Gesinnungen meine
Gedancken der Tage, der einsamsten Stunden sagen könnte. Leb wohl. Ich bin
heute konfus und fast schwach. Leb wohl Liebe mich, ich gehe nun weiter und du
hörst bald von mir und sollst durch mich noch ein Stück Welt weiter kennen
lernen. Rom d. 21. Febr. 87.
Mittwoch, 16. Oktober 2019
Donnerstag, 10. Oktober 2019
Wenn man vorstehendes
Liedchen nicht in buchstäblichem Sinn nehmen, nicht jenen Dämon, den man
gewöhnlich Amor nennt, dabei denken, sondern eine Versammlung tätiger Geister
sich vorstellen will, die das Innerste des Menschen ansprechen, auffordern, hin
und wider ziehen und durch geteiltes Interesse verwirren, so wird man auf eine
symbolische Weise an dem Zustand teilnehmen, in dem ich mich befand, und
welchen die Auszüge aus Briefen und die bisherigen Erzählungen genugsam
darstellen. Man wird zugestehen, dass eine große Anstrengung gefordert ward,
sich gegen so vieles aufrecht zu erhalten, in Tätigkeit nicht zu ermüden und im
Aufnehmen nicht lässig zu werden.
Nachts durch die
Stadt spazierend, gelangt' ich zum Molo. Dort sah ich mit einem Blick den Mond,
den Schein desselben auf den Wolkensäumen, den sanft bewegten Abglanz im Meere,
heller und lebhafter auf dem Saum der nächsten Welle. Und nun die Sterne des
Himmels, die Lampen des Leuchtturms, das Feuer des Vesuvs, den Widerschein
davon im Wasser und viele einzelne Lichter ausgesät über die Schiffe.
Das dritte Buch von
Goethes Italienerinnerungen beginnt mit einem lateinischen Gebet, das Romulus
bei der Gründung Roms spricht:
Longa sit huic, aetas dominaeque potentia terrae,
Sitque sub hac oriens occiduusque dies.
(Ovid, Fastorum libri)
Langes Leben sei ihr beschieden und Macht zur Herrschaft über die Welt,
und untertan
sei ihr die aufgehende und untergehende Sonne.
Samstag, 28. September 2019
Dienstag, 10. September 2019
Voltaire hatte durch
den Schutz, den er der Familie Calas angedeihen ließ, großes Aufsehn erregt und
sich ehrwürdig gemacht. Für Deutschland fast noch auffallender und wichtiger
war das Unternehmen Lavaters gegen den Landvogt gewesen. Der ästhetische Sinn,
mit dem jugendlichen Mut verbunden, strebte vorwärts, und da man noch vor
kurzem studierte, um zu Ämtern zu gelangen, so fing man nun an, den Aufseher
der Beamten zu machen, und die Zeit war nah, wo der Theater- und Romanendichter
seine Bösewichter am liebsten unter Ministern und Amtleuten aufsuchte. Hieraus
entstand eine halb eingebildete, halb wirkliche Welt von Wirkung und
Gegenwirkung, in der wir späterhin die heftigsten Angebereien und Verhetzungen
erlebt haben, welche sich die Verfasser von Zeitschriften und Tagblättern, mit
einer Art von Wut, unter dem Schein der Gerechtigkeit erlaubten und um so
unwiderstehlicher dabei zu Werke gingen, als sie das Publikum glauben machten,
vor ihm sei der wahre Gerichtshof: töricht! da kein Publikum eine exekutive
Gewalt hat, und in dem zerstückten Deutschland die öffentliche Meinung
niemanden nutzte oder schadete.
Donnerstag, 5. September 2019
5 5.
Januar 1828
Einiges an Faust. Oberaufsichtsgeschäfte mit
meinem Sohne abgethan. Um 10 Uhr Canzlist Ehnlich, dem ich die Abschrift
übertrug der gestern Abend angekommenen Tabelle des Herrn Glenck. Um 12 Uhr
Herr von Vitzthum im Auftrag Ihro Kaiserlichen Hoheit. Einiges Abzusendende
vorbereitet. Mittag die Herren von Gerstenbergk, Coudray, Vogel, Weichard,
Wahl. Blieben bis gegen Abend. Sodann Herr Hofrath Meyer. Lasen einiges in Leo,
Geschichte des jüdischen Staates. Von Serenissimo gesendet, von Lindenfels,
Bemerkungen über von Dörring.
Samstag, 31. August 2019
Samstag, 24. August 2019
Montag, 12. August 2019
Die Weiber sind rechte Egoisten, indem man nur in ihr Interesse fällt,
sofern sie uns lieben oder wir ihre Liebhaber machen oder sie uns zu Liebhabern
wünschen. Eine ruhige, freie, absichtslose Teilnahme und Beurteilung fällt ganz
außer ihrer Fähigkeit. Sie sehen alles nicht etwa nur aus ihrem Standpunkt,
sondern in persönlichem Bezug auf sich.
Mittwoch, 7. August 2019
Ein sehr schöner dreispänniger Reisewagen rollt daher, eine freundliche junge Dame versäumt nicht, sich am Schlage sehen zu lassen und hüben und drüben zu grüßen; aber dem Postillion fällt man in die Zügel, der Schlag wird eröffnet, ein Erzklubist an ihrer Seite sogleich erkannt.
Zu verkennen war er freilich nicht, kurz gebaut, dicklich, breiten Angesichts, blatternarbig. Schon ist er bei den Füßen herausgerissen; man schließt den Schlag und wünscht der Schönheit glückliche Reise. Ihn aber schleppt man auf den nächsten Acker, zerstößt und zerprügelt ihn fürchterlich; alle Glieder seines Leibes sind zerschlagen, sein Gesicht unkenntlich.
Eine Wache nimmt sich endlich seiner an, man bringt ihn in ein Bauernhaus, wo er auf Stroh liegend zwar vor Tätlichkeiten seiner Stadtfeinde, aber nicht vor Schimpf, Schadenfreude und Schmähen geschützt war.
Doch auch damit ging es am Ende so weit, daß der Offizier niemand mehr hineinließ; auch mich, dem er es als einem Bekannten nicht abgeschlagen hätte, dringend bat: ich möchte diesem traurigsten und ekelhaftesten aller Schauspiele entsagen.
Da kommen wir mit vollem Trab;
Verzeiht! es ging nicht gütlich ab.
Wir klopften an, wir pochten an,
Und immer ward nicht aufgetan;
Wir rüttelten, wir pochten fort,
Da lag die morsche Türe dort;
Wir riefen laut und drohten schwer,
Allein wir fanden kein Gehör.
Und wie's in solchem Fall geschicht,
Sie hörten nicht, sie wollten nicht;
Wir aber haben nicht gesäumt,
Behende dir sie weggeräumt.
Das Paar hat sich nicht viel gequält,
Vor Schrecken fielen sie entseelt.
Ein Fremder, der sich dort versteckt
Und fechten wollte, ward gestreckt.
In wilden Kampfes kurzer Zeit
Von Kohlen, ringsumher gestreut,
Entflammte Stroh. Nun lodert's frei,
Als Scheiterhaufen dieser drei.
Mittwoch, 31. Juli 2019
Dienstag, 23. Juli 2019
Die
chronikalischen Notizen von den Abenteuern der Schmeling-Mara haben freylich
den wahrhaften Charakter einer empirischen Welt; daher ist's um alles
Geschichtliche ein gar wunderliches unsicheres Wesen und es geht wirklich in's
Komische wenn man überdenkt wie man von längst Vergangenem sich mit Gewißheit
überzeugen will. Wir besitzen hier eine alte niedliche silberne Schaale, die
sich, wie eingegrabenes Bild und Inschrift beweist, von Kaiser Friedrich den
Ersten herschreibt. Es ist unbestritten ein Pathengeschenk, und doch können
sich die Gelehrten nicht vereinigen, wer eigentlich der Getaufte, wer der
Taufzeuge sey. Hierüber existiren nun schon fünf Meynungen, die man als Muster
des Scharfsinns und des Unsinns schätzen und halten kann; eine einzige ist gradsinnig
und plausibel.
Vorgenanntes
Buch gelesen mit besonderm Vergnügen. Concipirt und mundirt. Nebenstehendes
ausgefertigt: Herrn Garteninspector Sckell in Belvedere. – Herr
Salinendirector Glenck zum Neuenjahr Sole von Stotternheim bringend, und auf
Befragen über alle die neuen Bohrunternehmungen in Thüringen Auskunft gebend;
nicht weniger eine geognostische Tabelle in Bezug auf die verschiedenen
Salzformationen aufzeichnend. Verschiedene ihm vorgewiesene Mineralien
geognostisch ordnend und erklärend. Einige Fragen vorlegend, deren Beantwortung
überdenkend. Mittags für uns. Leo, Geschichte des jüdischen Staats fortgesetzt.
Abends Professor Riemer. Einige Abtheilungen gedachten Buches mit demselben
durchgelesen. Anderes Naheliegende besprochen. Späterhin fortgefahren an diesem
Lesen.
Donnerstag, 11. Juli 2019
Ich traf gegen 4 Uhr Hofrath Meyer bei Goethe an.
Letzterer war sehr munter, ja aufgeregt; wie ein Gewitter bei heiterm Himmel
suchte er sich seiner Kraftfülle durch geistige Blitze und Donnerschläge zu
entledigen. Knebeln über Meteorologie consultiren, äußerte Goethe, heiße den
Barometer über den Barometer befragen. Voltaire habe gesagt, die Erde sei eine
alte Coquette, die sich jung zu machen strebe. Die Atmosphäre sei auch so eine
Coquette, die eine zeitlang geregelten Gang affectire, aber bald sich dem
ersten besten Wind preis gebe.
Daß man über
Wellington's Omnipotenz als Premier-Minister jetzt schelte, sei absurd; man
sollte froh sein, daß er endlich seinen rechten Platz eingenommen; wer Indien
und Napoleon besiegt habe, möge wohl mit Recht über eine lumpige Insel
herrschen. Wer die höchste Gewalt besitze, habe Recht; ehrfurchtsvoll müsse man
sich vor ihm beugen. "Ich bin nicht so alt geworden, um mich um die
Weltgeschichte zu bekümmern, die das Absurdeste ist, was es giebt; ob dieser
oder jener stirbt, dieses oder jenes Volk untergeht ist mir einerlei; ich wäre
ein Thor, mich darum zu bekümmern.
Wenn Alexander
Humboldt und die andern Plutonisten mir's zu toll machen, werde ich sie
schändlich blamiren; schon zimmere ich Xenien genug im Stillen gegen sie; die
Nachwelt soll wissen, daß doch wenigstens ein gescheidter Mann in unserm
Zeitalter gelebt hat, der jene Absurditäten durchschaute. Ich finde immer mehr,
daß man es mit der Minorität, die stets die gescheidtere ist, halten muß."
Mittwoch, 10. Juli 2019
„Ihnen in Ihrer Heide“, erwiderte Goethe, „ist es freilich nicht so leicht geworden, und auch wir andern im mittleren Deutschland haben unser bißchen Weisheit schwer genug erkaufen müssen. Denn wir führen doch im Grunde alle ein isoliertes, armseliges Leben! Aus dem eigentlichen Volke kommt uns sehr wenig Kultur entgegen, und unsere sämtlichen Talente und guten Köpfe sind über ganz Deutschland ausgesät. Da sitzt einer in Wien, ein anderer in Berlin, ein anderer in Königsberg, ein anderer in Bonn oder Düsseldorf, alle durch fünfzig bis hundert Meilen voneinander getrennt, so daß persönliche Berührungen und ein persönlicher Austausch von Gedanken zu den Seltenheiten gehört. – Was dies aber wäre, empfinde ich, wenn Männer wie Alexander von Humboldt hier durchkommen und mich in dem, was ich suche und mir zu wissen nötig, in einem einzigen Tage weiter bringen, als ich sonst auf meinem einsamen Wege in Jahren nicht erreicht hätte.“
Montag, 1. Juli 2019
Als Meyer fragte, was
es denn eigentlich heißen wolle, Plutonist oder Neptunist, sagte Goethe: "O
danket Gott, daß Ihr nichts davon wißt, ich kann es auch nicht sagen, man
könnte schon wahnsinnig werden, es nur auseinander zu setzen. Ohnehin bedeutet
solch' ein Parteiname späterhin nichts mehr, löst sich in Rauch auf; die Leute
wissen schon jetzt nicht mehr, was sie damit bezeichnen wollen. Ihr müßt
verzeihen, wenn ich grob bin, ich schreibe jetzt eben in den Wanderjahren an
der Rolle des Jarno, da spiele ich eine Weile auch im Leben den Grobian fort."
Was soll es nur hier
in Weimar mit dem WitDöring werden? Man wird es schon bereuen, ihn hier zu
haben; in seinen Memoiren ist kein Funke Geist. Er ist zum steten Gefängniß von
der Natur bestimmt; darin spielt er seine Streiche. Wär' ich Fürst, ich ließ
ihn gleich wieder verhaften, damit er in sein Element zurück käme. Gesehen und
gesprochen hab' ich ihn wohl einmal, warum nicht? als Phänomen; aber ich wäre
ein Lump, wenn ich ihn zum zweiten Male sähe.
Der Großherzog
ergötzt sich an seinem Hiersein, um einmal wieder sich an einer Gefahr zu
laben, um einmal wieder einen zahmen Wolf zu haben, der unter seinen Hunden und
Schafen herum renommire.
Der Kerl hat meine
Abschiedsformel an ihn: ›Sie haben selbst drucken lassen, daß Sie verführerisch
seien und daß man sich nicht zu viel mit Ihnen einlassen müsse,‹ günstig für
sich gedeutet; das macht mir Spaß. Nun er erregt doch; darauf kommt Alles an,
sei es durch Haß oder Liebe. Man muß nur immer sorgen erregt zu werden, um
gegen die Depression anzukämpfen. Das ist auch bei jetziger deprimirender
Witterung der beste medicinische Rath. Wer mit mir umgehen will, muß zuweilen
auch meine Grobianslaune zugeben, ertragen, wie eines andern Schwachheit oder
Steckenpferd. Der alte Meyer ist klug, sehr klug; aber er geht nur nicht heraus,
widerspricht mir nicht, das ist fatal. Ich bin sicher, im Innern ist er noch
zehnmal zum Schimpfen geneigter als ich und hält mich noch für ein schwaches
Licht. Er sollte nur aufpoltern und donnern, das gäbe ein prächtiges
Schauspiel.
Mit
Johanna Schopenhauer
Hier,
caro amico (v. Holtei) das Opus der Voigt (Lebensgeschichte der Caroline
Kummerfeld geb. Schulz) ... Die darin vorkommenden Geschichten sind toll genug;
«Stella» verbürgt sich für die Wahrheit derselben, und ich, die ich die kleine,
alte, sehr rechtliche Heldin noch persönlich gekannt habe, möchte es ebenfalls
thun. Goethe hat mir erzählt, daß sie damals wirklich Furore gemacht, und wie
er als Student zum Sterben in sie verliebt gewesen und sich im Leipziger
Parterre die Hände fast wundgeklatscht habe, wenn sie in dem Weiße'schen
Trauerspiel als Julia auftrat und in der Scene, ehe sie den Trank nimmt, die
Ottern und Schlangen und Kröten von ihrem weißatlasnen Reifrock
herunterschlenkerte, die sie in ihrer Phantasie daran heraufkriechen sah.
Sonntag, 16. Juni 2019
Seine
Pietät für Schiller war eine so innerlich tiefe, daß man davon wahrhaft
ergriffen werden mußte. Ich hatte, als über ›Egmont‹ gesprochen wurde, einst
die Bearbeitung, die Schiller für's Theater unternommen, zu tadeln gewagt und
mein Erstaunen geäußert, daß sie noch immer auf der Weimarischen Bühne gelte.
Den Blick des Alten werd' ich nie vergessen, mit dem er mich anblitzte und fast
grimmig sagte: «Was wißt Ihr, Kinder! Das hat unser großer Freund besser
verstanden, als wir.»
Freitag, 14. Juni 2019
Montag, 10. Juni 2019
So
begab es sich denn, daß er mich einmal nach dem Mittagsessen in eine
Fensterbrüstung manoeuvrirte und in seiner eigenthümlichen unbeschreiblichen
Manier also sprach: «Nun, Sie haben sich ja bisher (beim Vorlesen von Dramen)
recht brav gehalten, wie ich hörte. Sie müssen sich nicht wundern, daß ich Sie
noch nicht gebeten habe, mir Ihre Sachen vorzumachen; ich habe Gründe dazu.
Ihnen wird nicht fremd sein, daß wir zu unserer Zeit uns auch mit dergleichen
beschäftigt und viel darüber gedacht haben; nun hat man sich denn seine
Ansichten über Declamation, Recitation, theatralischen Vortrag und besonders
über die scharfen Unterscheidungen, die den Vorleser von Darsteller trennen,
festgestellt, und da kommen denn die jungen Leute und werfen das alles über den
Haufen. Nun, das ist ja recht schön! aber von uns Alten könnt Ihr nicht
verlangen, daß wir sogleich ohne weiteres nachgeben sollen. Also ich sehe nur
zwei Auswege: entweder Sie gewinnen mich für Ihre Künste – dann zwingen Sie
mich, auf's neue darüber zu denken, und das würde mich stören; denn wir haben
noch viel zu thun; oder es gelingt Ihnen nicht, mich irre zu machen und Sie
befriedigen mich nicht – dann hätten wir beide keine Freude davon. Also denk
ich, es sei besser, es bleibt, wie es ist. – Nun, wie gefällt es Ihnen in
Weimar? Nicht wahr, es steckt viel Bildung in dem Orte? Wir haben denn auch
wohl das unsere dazu gethan.»
«Ew.
Excellenz!» sagte ich fest; denn jetzt wollte ich doch etwas Positives
mitnehmen: «ich soll morgen, die zu ›Faust‹ gehörige ›Helena‹ vorlesen: ich
habe mir zwar alle Mühe damit gegeben, aber alles verstehe ich doch nicht.
Möchten Sie mir nicht z.B. erklären, was eigentlich damit gemeint sei, wenn
Faust an Helena's Seite die Landgebiete an einzelne Heerführer vertheilt? Ob
eine bestimmte Andeutung. - « Er ließ mich nicht ausreden, sondern unterbrach
mich sehr freundlich: «Ja, ja, ihr guten Kinder! wenn Ihr nur nicht so dumm
wäret!» Hierauf ließ er mich stehen.
Mittwoch, 5. Juni 2019
Donnerstag, 30. Mai 2019
Mittwoch, 22. Mai 2019
Keine persönlichen Visiten, welches öffentlich von den Ministern
verbeten worden. Schreiben an Carlyle mundirt. Nebenstehendes abgeschlossen: An
Frau Obermedizinalrath von Ringseis nach München. Herrn Sckell in
Dresden. Herrn Frommann nach Jena. Herrn Hofrath und Professor von
Martius München. – Anderes vorbereitet. Wilhelm Meister über Hamlet,
übersetzt im Globe Tom. VI. No. 15. Dr. Weller, mit demselben gefrühstückt.
Fausts dritte Scene abgeschlossen. Übergang zu der vierten. Mittags für uns.
Nach Tische Gespräch mit meinem Sohn. Verschiedenes, besonders über eine
vorhabende Reise junger Freunde. Manches vorbereitet. Abends Herr Hofrath
Meyer. Einiges zu Kunst und Alterthum. Nachher Cäcilie. Wölfchen. Später etwas
am Hauptgeschäft.
Mundum des gestern Entworfenen. Nebenstehendes: Herrn
Generalsuperintendenten Röhr, wegen Geh. Rath Schweitzers Übelbefinden. Herrn
Bergrath Cramer, dankende Erwiederung und Anfrage, Wetzlar. – Concepte und
Munda für die nächsten Posttäge. Meldete sich A. B.
Granville. M. D. De la societé Royale de London et de l'academie Imperiale des
sciences de Petersbourgh. Medecin de S. A. R. le Duc de Clarence, Grand Admiral
d'Angleterre. Das Portefeuille für Eisenach aufgesucht. Herr und Frau von
Hopfgarten von Eisenach zum Besuche. Des Herrn Granville Versuche über die
ägyptischen Mumien. Mittag Dr. Eckermann. Mein Sohn sprach viel von seinem
Reiseplane. Herr Canzler, das Album von Gräfin Line bringend. Manches andere
verhandelnd. Später Professor Riemer. Mit ihm das Carneval durchgegangen. Er
theilte sodann verschiedene Einzelnheiten mit, theils eigene theils aufgefaßte.
Späterhin Dr. Eckermann. Aufmunterung zu einiger eingreifender Theilnahme. Er
hatte bisher seinen Zuständen allzusehr nachgebend eine gewisse geistige Thätigkeit,
wenn schon in seinem Geschäfte treu beschäftigt, versäumt.
Vorgerückt
an den drey letzten Scenen des ersten Actes. Manches vorgearbeitet im Concept
und Mundum. Die jungen Herrschaften. Mittag Hofrath Vogel. Interessantes
Gespräch. Wurde des Breslauer Lichtenstädt Werkchen über Platos Naturlehren und
sonstiges besprochen. Abends mehrfache Sendungen von Herrn Schmid aus Altenberge, bedeutende Zinnstufen und
dazu gehörige Gebirgsarten. Professor Leo, Vorlesungen über die Geschichte des
jüdischen Staates.
Freitag, 10. Mai 2019
Verzeih! aber wenn
du gegenwärtig wärst, müßtest du noch mehr erdulden. Mit 82 Jahren nimmt man es
wirklich ernster in sich und für sich selbst, indem man die liebe leidige Welt
in ihrem vieltausendjährigen Narrenleben in Gottesnamen fortwandeln läßt. Es
ist schrecklich, wie sich das ein- über das andere Mal wieder in seinen
Irrthümern brüstet.
Nach allen diesen,
etwas Timonischen Ausdrücken, die man sich nicht immer versagen sollte, darf
ich dir wohl vertrauen: daß seit Anfang des Jahrs mir manches gelungen ist, was
ich dafür halten kann, weil ich wenigstens es nicht besser zu machen wüßte. Sey
dir also dergleichen Vermächtniß hiemit angekündigt.
Dienstag, 30. April 2019
Donnerstag, 25. April 2019
Rom, den 20.
Juni.
Nun hab' ich hier schon wieder treffliche
Kunstwerke gesehen, und mein Geist reinigt und bestimmt sich. Doch brauchte ich
wenigstens noch ein Jahr allein in Rom, um nach meiner Art den Aufenthalt
nutzen zu können, und ihr wißt, ich kann nichts auf andre Art. Jetzt, wenn ich scheide,
werde ich nur wissen, welcher Sinn mir noch nicht aufgegangen ist, und so sei
es denn eine Weile genug.
Rom, Ende Juni. -
Ich habe mich in eine zu große Schule begeben, als daß ich geschwind wieder aus
der Lehre gehen dürfte. Meine Kunstkenntnisse, meine kleinen Talente müssen
hier ganz durchgearbeitet, ganz reif werden, sonst bring' ich wieder euch einen
halben Freund zurück, und das Sehnen, Bemühen, Krabbeln und Schleichen geht von
neuem an. Ich würde nicht fertig werden, wenn ich euch erzählen sollte, wie mir
auch wieder alles diesen Monat hier geglückt ist, ja, wie mir alles auf einem
Teller ist präsentiert worden, was ich nur gewünscht habe. Ich habe ein schönes
Quartier, gute Hausleute. Tischbein geht nach Neapel, und ich beziehe sein
Studium, einen großen kühlen Saal. Wenn ihr mein gedenkt, so denkt an mich als
an einen Glücklichen; ich will oft schreiben, und so sind und bleiben wir
zusammen.
Auch neue Gedanken
und Einfälle hab' ich genug, ich finde meine erste Jugend bis auf Kleinigkeiten
wieder, indem ich mir selbst überlassen bin, und dann trägt mich die Höhe und
Würde der Gegenstände wieder so hoch und weit, als meine letzte Existenz nur
reicht. Mein Auge bildet sich unglaublich, und meine Hand soll nicht ganz
zurückbleiben. Es ist nur ein Rom in der Welt, und ich befinde mich hier wie
der Fisch im Wasser und schwimme oben wie eine Stückkugel im Quecksilber, die
in jedem andern Fluidum untergeht. Nichts trübt die Atmosphäre meiner Gedanken,
als daß ich mein Glück nicht mit meinen Geliebten teilen kann. Der Himmel ist
jetzt herrlich heiter, so daß Rom nur morgens und abends einigen Nebel hat. Auf
den Gebirgen aber, Albano, Castello, Frascati, wo ich vergangene Woche drei
Tage zubrachte, ist eine immer heitre reine Luft. Da ist eine Natur zu
studieren.
Mittwoch, 17. April 2019
Dienstag, 16. April 2019
Durch
diese beiden Freunde ward ich denn auch gar bald mit Merck bekannt, dem ich
durch Herdern, von Straßburg aus, nicht ungünstig angekündigt war. Dieser eigne
Mann, der auf mein Leben den größten Einfluß gehabt, war von Geburt ein
Darmstädter. Von seiner früheren Bildung wüßte ich wenig zu sagen. Nach
vollendeten Studien führte er einen Jüngling nach der Schweiz, wo er eine
Zeitlang blieb, und beweibt zurückkam. Als ich ihn kennen lernte, war er
Kriegszahlmeister in Darmstadt. Mit Verstand und Geist geboren, hatte er sich
sehr schöne Kenntnisse, besonders der neueren Literaturen, erworben, und sich
in der Welt- und Menschengeschichte nach allen Zeiten und Gegenden umgesehn.
Treffend und scharf zu urteilen war ihm gegeben. Man schätzte ihn als einen
wackern entschlossenen Geschäftsmann und fertigen Rechner. Mit Leichtigkeit
trat er überall ein, als ein sehr angenehmer Gesellschafter für die, denen er
sich durch beißende Züge nicht furchtbar gemacht hatte.
Er
war lang und hager von Gestalt, eine hervordringende spitze Nase zeichnete sich
aus, hellblaue, vielleicht graue Augen gaben seinem Blick, der aufmerkend hin
und wider ging, etwas Tigerartiges. Lavaters »Physiognomik« hat uns sein Profil
aufbewahrt. In seinem Charakter lag ein wunderbares Mißverhältnis: von Natur
ein braver, edler, zuverlässiger Mann, hatte er sich gegen die Welt erbittert,
und ließ diesen grillenkranken Zug dergestalt in sich walten, daß er eine
unüberwindliche Neigung fühlte, vorsätzlich ein Schalk, ja ein Schelm zu sein.
Verständig, ruhig, gut in einem Augenblick, konnte es ihm in dem andern
einfallen, wie die Schnecke ihre Hörner hervorstreckt, irgend etwas zu tun, was
einen andern kränkte, verletzte, ja was ihm schädlich ward.
Doch
wie man gern mit etwas Gefährlichem umgeht, wenn man selber davor sicher zu
sein glaubt, so hatte ich eine desto größere Neigung, mit ihm zu leben und
seiner guten Eigenschaften zu genießen, da ein zuversichtliches Gefühl mich
ahnden ließ, daß er seine schlimme Seite nicht gegen mich kehren werde. Wie er
sich nun, durch diesen sittlich unruhigen Geist, durch dieses Bedürfnis, die
Menschen hämisch und tückisch zu behandeln, von einer Seite das gesellige Leben
verdarb, so widersprach eine andere Unruhe, die er auch recht sorgfältig in
sich nährte, seinem innern Behagen. Er fühlte nämlich einen gewissen
dilettantischen Produktionstrieb, dem er um so mehr nachhing, als er sich in
Prosa und Versen leicht und glücklich ausdrückte, und unter den schönen
Geistern jener Zeit eine Rolle zu spielen gar wohl wagen durfte.
Ich
besitze selbst noch poetische Episteln von ungemeiner Kühnheit, Derbheit und
Swiftischer Galle, die sich durch originelle Ansichten der Personen und Sachen
höchlich auszeichnen, aber zugleich mit so verletzender Kraft geschrieben sind,
daß ich sie nicht einmal gegenwärtig publizieren möchte, sondern sie entweder
vertilgen, oder als auffallende Dokumente des geheimen Zwiespalts in unserer
Literatur der Nachwelt aufbewahren muß. Daß er jedoch bei allen seinen Arbeiten
verneinend und zerstörend zu Werke ging, war ihm selbst unangenehm, und er sprach
es oft aus, er beneide mich um meine unschuldige Darstellungslust, welche aus
der Freude an dem Vorbild und dem Nachgebildeten entspringe.
Mittwoch, 10. April 2019
Wie
selig kann man seine Freunde preisen die wenigstens das Unheil nicht mit Augen
sehen das in dieser Gegend und nun auch in dem unglücklichen Maynz angerichtet
wird. Ihre gütigen Briefe zeigen mir Sie auf dem gewöhnlichen ruhigen, obgleich
mitunter beschwerlichen Pfade der bürgerlichen Geschäfte und des häußlichen Lebens,
möge ein gutes Geschick Sie lange drauf erhalten.
Mich
wandelt in meiner jetzigen Lage eine Art Stupor an und ich finde den trivialen
Ausdruck: der Verstand steht mir still,
trefflich um die Lage meines Geistes auszudrucken. …
Seit
dem Anfange der eigentlichen Belagrung haben unsre Jäger auf ihrem gewöhnlichen
Posten weniger Gefahr als vorher. Es wollte einigen gar nicht schmecken. Einer
der sich ziemlich gut gehalten hat Nahmens Blumenstein hat um den Trauschein
gebeten, er lebt schon lange mit einem Mädchen die Güntherinn heißt. Durchl.
sind geneigt ihm zu willfahren, hätten Sie wohl die Gütigkeit zu sorgen? daß
dem Mädchen das er schwanger zurückgelassen biß zu seiner Rückkunft von
Stadtraths wegen kein Leid geschehe. Es gehen jetzt soviel Weltbürger zu Grunde
daß man den neu eintretenden wohl ihre Ankunft facilitiren kann.
Samstag, 30. März 2019
Mittwoch, 27. März 2019
Jedem
Alter des Menschen antwortet eine gewisse Philosophie. Das Kind erscheint als
Realist; denn es findet sich so überzeugt von dem Dasein der Birnen und Aepfel
als von dem seinigen. Der Jüngling, von inneren Leidenschaften bestürmt, muss
auf sich selbst merken, sich vorfühlen: er wird zum Idealisten umgewandelt.
Dagegen ein Skeptiker zu werden hat der Mann alle Ursache; er tut wohl zu
zweifeln, ob das Mittel, das er zum Zwecke gewählt hat, auch das rechte sei.
Vor dem Handeln, im Handeln hat er alle Ursache, den Verstand beweglich zu
erhalten, damit er nicht nachher über eine falsche Wahl sich zu betrüben habe.
Der Greis jedoch wird sich immer zum Mystizismus bekennen. Er sieht, dass so
vieles vom Zufall abzuhängen scheint: das Unvernünftige gelingt, das Vernünftige
schlägt fehl, Glück und Unglück stellen sich unerwartet ins Gleiche; so ist es,
so war es, und das hohe Alter beruhigt sich in dem, der da ist, der da war, und
der immer da sein wird.
Donnerstag, 14. März 2019
Freitag, 8. März 2019
Samstag, 2. März 2019
Ich
mußte, als ich Goethen vor mir hatte, alles fahren lassen, was die langjährige,
tiefgenährte Bekanntschaft mit dem Dichter mir einflößen gekonnt, um nur mit
dem neubekannten wirksamen Menschen beschäftigt zu sein, der mild, freundlich,
treuherzig, anmüthig, geistvoll, kraftreich, mir das Bild eines ganzen Menschen
– wenn dieser geringe Ausdruck der hohen Bedeutung fähig ist – in vollständig
ausgebreiteter, großartiger, schöner Lebensentwickelung vergegenwärtigte. Das
seltene Glück – hier wohl unverdient, doch nicht unwürdig empfangen – einer so
milden und biedern Aufnahme, als sei ich ein alter Freund, der längst erwartet
worden, mußte mich umsomehr überraschen, als ich die scheue Zurückhaltung, die
ihm sooft vorgeworfen worden, in den schriftlichen Berührungen, die ich mit ihm
gehabt, nicht ganz hatte vermissen können. Nach der ersten Begrüßung, wobei er
mir die Hand reichte, sprachen wir gleich sehr vertraut, und bald nachher hielt
er inne, hielt mir seine Hand hin und rief mit Innigkeit: »Sie müssen mir
nochmal die Hand geben!« –
Vergebens
würde ich den Gang, den Inhalt, oder auch nur die Art des alsbald lebhaften
Gesprächs zu schildern suchen; es war wie ein Stück Leben, in tausend Wellen
fließend, ein Gefühl im Ganzen wirkend, ohne die einzelnen Bezüge gesondert
festhalten zu lassen; jedes Wort eine Blüthe am Zweige eines Baumes, aus der
tiefen dunkeln Wurzel her, aber selber doch nur als lustigheitres Gebild des
Augenblickes erschlossen. Wie jenen hellenischen Fremden zu Athen, die nach
mehreren mit Plato verlebten Tagen ihn ersuchten, sie nun auch zu seinem
berühmten Namensvetter, dem Philosophen, zu führen, so ging es fast mir, der
ich in täuschender Besinnung leicht diesen herrlichen Mann hätte bitten können,
mir nun auch Bekanntschaft des ihm gleichnamigen Schriftstellers zu
verschaffen. Ich blieb auf Goethes wiederholtes Anmahnen den ganzen Abend bei
ihm, bis Mitternacht sogar; sein Sohn und dessen neuvermählte Gattin waren die
einzigen Mitgenossen eines Theils dieser Stunden. Schwer würde ich einige
besondere Sprüche aus dem lebendigen Ganzen aussondern; die festesten,
kräftigsten Äußerungen, die feinsten erfreulichsten Wendungen, voll Gestalt im
Hervorkommen, zerflossen mir unter den Händen, wenn ich sie dem Gedächtniß zum
Behalten und Überliefern einprägen wollte.
Wir
sprachen über alles, Goethe mit ungewöhnlichem – er sagt' es selbst – Zutrauen
von Dingen, die seine Denkart sonst lieber unerörtert lassen mag; auch über den
Geist und die Richtung der Entwickelung der Gegenwart, über die Gestalten der
nächsten Vergangenheit, Napoleon, Franzosen, Deutschland, Preußen. Wie freut'
ich mich des unerschütterlichen Vertrauens, das ich trotz aller Zwischendinge
stets in unsres vaterländischen Dichters Vaterlandstreue gesetzt! Wie gerecht,
einsichtig und unschuldig waren seine Äußerungen in dieser Hinsicht, von wahrem
Geschichtsgefühl, so des Augenblicks, wie der Jahrhunderte beseelt! Er sieht
nur früh und schnell die Dinge so, wie die meisten erst spät sie sehen; er hat
vieles schon durchgearbeitet und beseitigt, womit wir uns noch plagen, und wir
verlangen, er solle unsre Kindereien mitmachen, weil wir sie noch als Ernst
nehmen!
Die
Ehe ist der Anfang und der Gipfel aller Kultur. Sie macht den Rohen mild, und
der Gebildetste hat keine bessere Gelegenheit, seine Milde zu beweisen.
Unauflöslich muss sie sein: denn sie bringt so vieles Glück, dass alles
einzelne Unglück dagegen gar nicht zu rechnen ist. Und was will man von Unglück
reden? Ungeduld ist es, die den Menschen von Zeit zu Zeit anfällt, und dann
beliebt er sich unglücklich zu finden. Lasse man den Augenblick vorübergehen,
und man wird sich glücklich preisen, dass ein so lang Bestandenes noch besteht.
Sich zu trennen, gibts gar keinen hinlänglichen Grund. Der menschliche Zustand
ist so hoch in Leiden und Freuden gesetzt, dass gar nicht berechnet werden
kann, was ein paar Gatten einander schuldig werden. Es ist eine unendliche
Schuld, die nur durch die Ewigkeit abgetragen werden kann. Unbequem mag es
manchmal sein, das glaub ich wohl, und das ist eben recht. Sind wir nicht auch
mit dem Gewissen verheiratet, das wir oft gerne los sein möchten, weil es
unbequemer ist, als uns je ein Mann oder eine Frau werden könnte?
Freitag, 15. Februar 2019
Es
ist mir nicht leicht ein Blat saurer zu schreiben geworden, als der letzte
Brief an dich und wahrscheinlich war er dir so unangenehm zu lesen, als mir zu
schreiben. Indeß ist doch wenigstens die Lippe eröfnet und ich wünsche daß wir
sie nie gegeneinander wieder schließen mögen. Ich habe kein größeres Glück
gekannt als das Vertrauen gegen dich, das von jeher unbegränzt war, sobald ich
es nicht mehr ausüben kann, bin ich ein andrer Mensch und muß in der Folge mich
noch mehr verändern.
Wen
man die kalte, feuchte Sommerzeit, die strengen Winter bedenckt, wenn durch des
Herzogs äusseres Verhältniß und durch andre Combinationen alles bey uns
inkonsistent und folgenloß ist und wird, wenn man fast keinen Menschen nennen
kann, der in seinem Zustande behaglich wäre; so gehört schon Kraft dazu sich
aufrecht, und nicht einen Plan zu machen, der einen nach und nach loslösen
könnte; wenn nun aber gar ein übles Verhältniß zu den Nächsten entsteht; so
weiß man nicht mehr wohin man soll. Ich sage das so gut in deinem als meinem
Sinne und versichre dich: daß es mich unendlich schmerzt, dich unter diesen
Umständen noch so tief zu betrüben.
Dienstag, 5. Februar 2019
Im
Sommer 1822 wurde während eines Mahls über die vielen Kniffe der deutschen
Rechtschreibung diskutiert. "Ich halte sie mir nach Möglichkeit vom Halse",
erklärte Goethe, "und mache, wenn man streng sein will, in jedem Brief
Schreibfehler. Und kein Komma!"
Die
Anwesenden konnten es nicht glauben, was Goethe hier referierte. Dann fuhr
Goethe schnell fort: "Dabei beruhige ich mein Gewissen mit der Meinung des
verehrten Wielands, der behauptet hat: ‚Religion und Interpunktion sind Privatsachen.’"
Freitag, 25. Januar 2019
Überhaupt war er heute in jener bitter humoristischen Stimmung und sophistischen Widerspruchsart, die man so ungern zuweilen an ihm wahrnimmt. Über Gruithusens Behauptung im Monde eine Festung entdeckt zu haben, gerieth er ganz außer sich.
»Den Unsinn verbreitet, offenbare Irrthümer als baare Wahrheit ausgegeben zu sehen, ist das Schrecklichste, was einem Vernünftigen begegnen kann. So ist aber die liebe Menschheit. Indeß muß sie Gott wohl nicht anders haben wollen, sonst hätte er anders mit ihr angefangen.«
»Den Unsinn verbreitet, offenbare Irrthümer als baare Wahrheit ausgegeben zu sehen, ist das Schrecklichste, was einem Vernünftigen begegnen kann. So ist aber die liebe Menschheit. Indeß muß sie Gott wohl nicht anders haben wollen, sonst hätte er anders mit ihr angefangen.«
Dienstag, 15. Januar 2019
An
Friedrich Schiller
Aus
dem gesellig müsigen Carlsbad hätte ich in keine entgegengesetztere Existenz
kommen können als in das einsam thätige Ilmenau, die wenigen Tage die ich hier
bin sind mir sehr schnell verstrichen und ich muß noch acht Tage hier bleiben,
wenn ich in den Geschäften nach Wunsch klar werden will. Ich war immer gerne
hier und bin es noch, ich glaube es kommt von der Harmonie in der hier alles
steht. Gegend, Menschen, Clima, Thun und Lassen. Ein stilles, mäßiges
ökonomisches Streben, und überall den Übergang vom Handwerck zum Maschinenwerck
und bey der Abgeschnittenheit einen größern Verkehr mit der Welt als manches
Städtchen im flachen zugänglichen Lande. Noch habe ich auch keine Idee gehabt
als die hierher passte, es war aber sehr nothwendig daß ich das Pensum vor
Winters absolvirte. Leben Sie recht wohl in andern Regionen und gedencken mein
mit der Ihrigen.
Ilmenau
d. 29. Aug. 1795.
Samstag, 12. Januar 2019
Übrigens
hätte ihm sein literarischer Dilettantismus eher Nutzen als Schaden gebracht,
wenn er nicht den unwiderstehlichen Trieb gefühlt hätte, auch im technischen
und merkantilischen Fach aufzutreten. Denn wenn er einmal seine Fähigkeiten zu
verwünschen anfing, und außer sich war, die Ansprüche an ein ausübendes Talent nicht
genialisch genug befriedigen zu können, so ließ er bald die bildende, bald die
Dichtkunst fahren und sann auf fabrikmäßige kaufmännische Unternehmungen,
welche Geld einbringen sollten, indem sie ihm Spaß machten.
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