Samstag, 2. März 2019


Ich mußte, als ich Goethen vor mir hatte, alles fahren lassen, was die langjährige, tiefgenährte Bekanntschaft mit dem Dichter mir einflößen gekonnt, um nur mit dem neubekannten wirksamen Menschen beschäftigt zu sein, der mild, freundlich, treuherzig, anmüthig, geistvoll, kraftreich, mir das Bild eines ganzen Menschen – wenn dieser geringe Ausdruck der hohen Bedeutung fähig ist – in vollständig ausgebreiteter, großartiger, schöner Lebensentwickelung vergegenwärtigte. Das seltene Glück – hier wohl unverdient, doch nicht unwürdig empfangen – einer so milden und biedern Aufnahme, als sei ich ein alter Freund, der längst erwartet worden, mußte mich umsomehr überraschen, als ich die scheue Zurückhaltung, die ihm sooft vorgeworfen worden, in den schriftlichen Berührungen, die ich mit ihm gehabt, nicht ganz hatte vermissen können. Nach der ersten Begrüßung, wobei er mir die Hand reichte, sprachen wir gleich sehr vertraut, und bald nachher hielt er inne, hielt mir seine Hand hin und rief mit Innigkeit: »Sie müssen mir nochmal die Hand geben!« –

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