Dienstag, 26. Dezember 2017
Man verdient wenig Dank von den Menschen, wenn man ihr inneres Bedürfnis erhöhen, ihnen eine große Idee von ihnen selbst geben, ihnen das Herrliche eines wahren, edlen Daseins zum Gefühl bringen will. Aber wenn man die Vögel belügt, Märchen erzählt, von Tag zu Tag ihnen forthelfend sie verschlechtert, da ist man ihr Mann, und darum gefällt sich die neuere Zeit in so viel Abgeschmacktem. Ich sage das nicht, um meine Freunde herunterzusetzen, ich sage nur, daß sie so sind, und daß man sich nicht verwundern muß, wenn alles ist, wie es ist.
Dienstag, 19. Dezember 2017
Morgens. Goethe:
was er näher kennen möchte, wäre das Verhältniß und der Weg der neuen
katholisch gewordenen Protestanten. – Ich meine, die Philosophie der Geschichte
der Menschheit (Herder, Müller), die Zeit der Gegenwart, die welthistorische
Richtung, haben es gethan. Stolberg ist der Heros unter ihnen. – Goethe: Ja, es
sei die Fülle der Menschheit in ihm; das Gemüth des Großen, das Naturell;
selbst das Kindermachen, die eigentliche Fülle des Menschlichen (ein Poet sei
er gerade deswegen nie gewesen). – Ich: Aber nun sei von der andern Seite das
Übel, daß er keine Kritik habe, die Tradition stützen wolle, durch
Gelehrsamkeit und Historie. – Goethe: »Ei, das ist gegen alle Überlieferung,
diese nimmt man entweder an, und dann gibt man von vorn herein etwas zu, oder
man nimmt sie gar nicht an und ist ein rechter kritischer Philister. Auf jenem
Mittelweg aber verdirbt man es mit allen; und es ist ein Beweis, daß er von
dieser Seite noch nicht einmal mit sich fertig ist. Die Protestanten dagegen
fühlen das Leere, und wollen nun einen Mysticismus machen, da ja gerade der
Mysticismus entstehen muß. Dummes, absurdes Volk, verstehen ja nicht einmal,
wie denn die Messe geworden ist, und es ist gerade als könne man eine Messe
machen! So der Schubart, der erbärmliche, mit seinem hübschen Talent, hübschen
aperçus, spielt nun mit dem Tode, sucht sein Heil in der Verwesung, da er
freilich selbst schon halb verwest ist, das heißt, buchstäblich die
Schwindsucht hat. Da möchte man des Teufels werden; es ist aber gut, ich lasse
sie machen, es geht zu Grunde, und das ist recht.«
Ich: und es ist
ihnen mit dem Christenthum, wenn man's beim Licht betrachtet, doch nicht recht
ernst, es läuft am Ende doch immer wieder auf alles und eines und eines und
alles hinaus. Dagegen ich mir den Dualismus für unentbehrlich halte, daß dem
Geist und Leib sein Recht widerfahre, und die Einheit als Ziel und Höchstes
immer gefordert, verlangt werde! Wovon hier auf der Erde nicht die Rede sein
kann, als wenn Gott selbst kömmt. Sie aber wollen dem Herrn Christus auf die Spur
kommen und selbst Christusse machen. Goethe: »Ja, recht, das ist: sie selbst
wollen ein kleiner Herr Christus sein; sie ließen den Leib als solchen gelten,
würden ihn auch zu ehren wissen.« – Dieß Alles kam zur Sprache, bei Gelegenheit
eines neuen dünnen Büchleins: über das Abendmahl, welches in Gießen erschienen,
und das ihm der hier badende Verfasser gegeben.
Sowenig nun die
Dampfmaschinen zu dämpfen sind, sowenig ist dies auch im Sittlichen möglich:
die Lebhaftigkeit des Handels, das Durchrauschen des Papiergelds, das
Anschwellen der Schulden, um Schulden zu bezahlen, das alles sind die
ungeheuern Elemente, auf die gegenwärtig ein junger Mann gesetzt ist. Wohl ihm,
wenn er von der Natur mit mäßigem, ruhigem Sinn begabt ist, um weder unverhältnismäßige
Forderungen an die Welt zu machen noch auch von ihr sich bestimmen zu
lassen!
Freitag, 1. Dezember 2017
Sonntag, 26. November 2017
Die letzte Seite
bin ich nun veranlaßt, in Ernst und Scherz mit etwas Wunderlichem zu schließen.
Des religiosen
Gefühls wird sich kein Mensch erwehren, dabey aber ist es ihm unmöglich,
solches in sich allein zu verarbeiten, deswegen sucht er oder macht sich
Proselyten.
Das letztere ist
meine Art nicht, das erstere aber hab ich treulich durchgeführt und, von
Erschaffung der Welt an, keine Confession gefunden, zu der ich aber in meinen
alten Tagen von einer Secte der Hypsistarier, welche, zwischen Heiden, Juden
und Christen geklemmt, sich erklärten, das Beste, Vollkommenste, was zu ihrer
Kenntniß käme, zu schätzen, zu bewundern, zu verehren und, insofern es also mit
der Gottheit im nahen Verhältniß stehen müsse, anzubeten. Da ward mir auf
einmal aus einem dunklen Zeitalter her ein frohes Licht, denn ich fühlte, daß
ich Zeitlebens getrachtet hatte, mich zum Hypsistarier zu qualificiren; das ist
aber keine kleine Bemühung: denn wie kommt man in der Beschränkung seiner
Individualität wohl dahin, das Vortrefflichste gewahr zu werden?
Donnerstag, 23. November 2017
Freitag, 10. November 2017
Montag, 30. Oktober 2017
Mittwoch, 11. Oktober 2017
Es entstand eine
Pause, während welcher Goethe fortfuhr im Zimmer auf- und abzugehen. Ich war
indes begierig, über diesen wichtigen Punkt noch etwas weiteres zu hören, und
suchte daher Goethen wieder in Anregung zu bringen.
»Liegt denn,« sagte
ich, »diese geniale Productivität bloß im Geiste eines bedeutenden Menschen,
oder liegt sie auch im Körper?«
»Wenigstens,«
erwiederte Goethe, »hat der Körper darauf den größten Einfluß. Es gab zwar eine
Zeit, wo man in Deutschtand sich ein Genie als klein, schwach, wohl gar
buckelig dachte, allein ich lobe mir ein Genie, das den gehörigen Körper hat.
Wenn man von Napoleon
gesagt, er sei ein Mensch aus Granit, so gilt dieses besonders auch von seinem
Körper. Was hat sich der nicht alles zugemuthet und zumuthen können! Von dem
brennenden Sande der Syrischen Wüste bis zu den Schneefeldern von Moskau,
welche Unsumme von Märschen, Schlachten und nächtlichen Bivouacs liegt da nicht
in der Mitte! Und welche Strapazen und körperliche Entbehrungen hat er dabei
nicht aushalten müssen! Wenig Schlaf, wenig Nahrung, und dabei immer in der
höchsten geistigen Thätigkeit! Bei der fürchterlichen Anstrengung und Aufregung
des 18. Brumaire ward es Mitternacht, und er hatte den ganzen Tag noch nichts
genossen, und ohne nun an seine körperliche Stärkung zu denken, fühlte er sich
Kraft genug, um noch tief in der Nacht die bekannte Proclamation an das
französische Volk zu entwerfen! Wenn man erwägt, was der alles durchgemacht und
ausgestanden, so sollte man denken, es wäre in seinem vierzigsten Jahre kein
heiles Stück mehr an ihm gewesen; allein er stand in jenem Alter noch auf den
Füßen eines vollkommenen Helden.
Goethe gefiel mir
diesen Abend ganz besonders. Das Edelste seiner Natur schien in ihm rege zu sein;
dabei war der Klang seiner Stimme und das Feuer seiner Augen von solcher Kraft,
als wäre er von einem frischen Auflodern seiner besten Jugend durchglüht.
Merkwürdig war es mir, daß er, der selbst in so hohen Jahren noch einem
bedeutenden Posten vorstand, so ganz entschieden der Jugend das Wort redete und
die ersten Stellen im Staat, wenn auch nicht von Jünglingen, doch von Männern
in noch jugendlichem Alter besetzt haben wollte. Ich konnte nicht umhin einige
hochstehende deutsche Männer zu erwähnen, denen im hohen Alter die nöthige
Energie und jugendliche Beweglichkeit zum Betriebe der bedeutendsten und
mannigfaltigsten Geschäfte doch keineswegs zu fehlen scheine.
»Solche Männer und
ihresgleichen,« erwiederte Goethe, »sind geniale Naturen, mit denen es eine
eigene Bewandtniß hat; sie erleben eine wiederholte Pubertät, während andere
Leute nur einmal jung sind.
Heute bei Goethe zu
Tisch kam das Gespräch bald wieder auf das Dämonische, und er fügte zu dessen
näheren Bezeichnung noch folgendes hinzu.
»Das Dämonische«,
sagte er, »ist dasjenige, was durch Verstand und Vernunft nicht aufzulösen ist.
In meiner Natur liegt es nicht, aber ich bin ihm unterworfen.«
»Napoleon«, sagte
ich, »scheint dämonischer Art gewesen zu sein.«
»Er war es durchaus«,
sagte Goethe, »im höchsten Grade, so daß kaum ein anderer ihm zu vergleichen
ist. Auch der verstorbene Großherzog war eine dämonische Natur, voll
unbegrenzter Tatkraft und Unruhe, so daß sein eigenes Reich ihm zu klein war,
und das größte ihm zu klein gewesen wäre. Dämonische Wesen solcher Art
rechneten die Griechen unter die Halbgötter.«
»Erscheint nicht
auch«, sagte ich, »das Dämonische in den Begebenheiten?«
»Ganz besonders,«
sagte Goethe, »und zwar in allen, die wir durch Verstand und Vernunft nicht
aufzulösen vermögen. Überhaupt manifestiert es sich auf die verschiedenste
Weise in der ganzen Natur, in der unsichtbaren wie in der sichtbaren. Manche
Geschöpfe sind ganz dämonischer Art, in manchen sind Teile von ihm wirksam.«
Dienstag, 10. Oktober 2017
Montag, 25. September 2017
Mittwoch, 20. September 2017
Um nun
aber einigermaßen in die Richte zu kommen, will ich mich wieder nach jenem
Ruderpflock umsehen und eines Gesprächs gedenken, das ich mit unserem geprüften
Freunde Jarno, den ich unter dem Namen Montan im Gebirge fand, zu ganz
besonderer Erweckung eigner Gefühle zufällig zu führen veranlaßt ward. Die
Angelegenheiten unseres Lebens haben einen geheimnisvollen Gang, der sich nicht
berechnen läßt. Du erinnerst dich gewiß jenes Bestecks, das euer tüchtiger
Wundarzt hervorzog, als du dich mir, wie ich verwundet im Walde hingestreckt
lag, hülfreich nähertest? Es leuchtete mir damals dergestalt in die Augen und
machte einen so tiefen Eindruck, daß ich ganz entzückt war, als ich nach Jahren
es in den Händen eines Jüngeren wiederfand. Dieser legte keinen besondern Wert
darauf; die Instrumente sämtlich hatten sich in neuerer Zeit verbessert und
waren zweckmäßiger eingerichtet, und ich erlangte jenes um desto eher, als ihm
die Anschaffung eines neuen dadurch erleichtert wurde. Nun führte ich es immer
mit mir, freilich zu keinem Gebrauch, aber desto sicherer zu tröstlicher
Erinnerung: Es war Zeuge des Augenblicks, wo mein Glück begann, zu dem ich erst
durch großen Umweg gelangen sollte.
Zufällig
sah es Jarno, als wir bei dem Köhler übernachteten, der es alsobald erkannte
und auf meine Erklärung erwiderte: »Ich habe nichts dagegen, daß man sich einen
solchen Fetisch aufstellt, zur Erinnerung an manches unerwartete Gute, an
bedeutende Folgen eines gleichgültigen Umstandes; es hebt uns empor als etwas,
das auf ein Unbegreifliches deutet, erquickt uns in Verlegenheiten und ermutigt
unsere Hoffnungen; aber schöner wäre es, wenn du dich durch jene Werkzeuge
hättest anreizen lassen, auch ihren Gebrauch zu verstehen und dasjenige zu
leisten, was sie stumm von dir fordern.«
Mir
drückten sich gewisse große Motive, Legenden, uraltgeschichtlich Überliefertes
so tief in den Sinn, daß ich sie vierzig bis funfzig Jahre lebendig und wirksam
im Innern erhielt; mir schien der schönste Besitz, solche werte Bilder oft in
der Einbildungskraft erneut zu sehen, da sie sich denn zwar immer
umgestalteten, doch, ohne sich zu verändern, einer reineren Form, einer
entschiednern Darstellung entgegenreiften. Ich will hievon nur die »Braut von
Korinth«, den »Gott und die Bajadere«, den »Grafen und die Zwerge«, den »Sänger
und die Kinder« und zuletzt noch den baldigst mitzuteilenden »Paria« nennen.
Freitag, 15. September 2017
Ihr Haupt ruhte auf seiner Schulter, und
der zerdrückten Locken und Bänder ward nicht gedacht. Sie hatte ihren Arm um
ihn geschlungen; er umfaßte sie mit Lebhaftigkeit und drückte sie wiederholend
an seine Brust. O daß ein solcher Augenblick nicht Ewigkeiten währen kann, und
wehe dem neidischen Geschick, das auch unsern Freunden diese kurzen Augenblicke
unterbrach.
Samstag, 26. August 2017
„Es giebt wunderliche Kritiker,“
fuhr Goethe fort. „An diesem Roman tadelten sie, daß der Held sich zu viel in
schlechter Gesellschaft befinde. Dadurch aber, daß ich die sogenannte schlechte
Gesellschaft als Gefäß betrachtete, um das, was ich von der guten zu sagen
hatte, darin niederzulegen, gewann ich einen poetischen Körper und einen
mannigfaltigen dazu. Hätte ich aber die gute Gesellschaft wieder durch
sogenannte gute Gesellschaft zeichnen wollen, so hätte niemand das Buch lesen
mögen.“
Der lebhafte Trieb nach Amerika zu Anfange des achtzehnten Jahrhunderts
war groß, indem ein jeder, der sich diesseits einigermaßen unbequem fand, sich
drüben in Freiheit zu setzen hoffte; dieser Trieb ward genährt durch
wünschenswerte Besitzungen, die man erlangen konnte, ehe sich noch die Bevölkerung
weiter nach Westen verbreitete. Ganze sogenannte Grafschaften standen noch zu
Kauf an der Grenze des bewohnten Landes, auch der Vater unseres Herrn hatte
sich dort bedeutend angesiedelt. Wie aber in den Söhnen sich oft ein
Widerspruch hervortut gegen väterliche Gesinnungen, so zeigte sich’s auch hier.
Unser Hausherr als Jüngling nach Europa gelangt fand sich hier ganz anders;
diese unschätzbare Kultur seit mehreren tausend Jahren entsprungen, gewachsen,
ausgebreitet, gedämpft, gedrückt, nie ganz erdrückt, wieder aufatmend, sich neu
belebend und nach wie vor in unendlichen Tätigkeiten hervortretend gab ihm ganz
andere Begriffe, wohin die Menschheit gelangen kann. Er zog vor, an den großen
unübersehlichen Vorteilen sein Anteil hinzunehmen und lieber in der großen
geregelt tätigen Masse mitwirkend sich zu verlieren, als drüben über dem Meere
um Jahrhunderte verspätet den Orpheus und Lykurg zu spielen; er sagte: „Überall
bedarf der Mensch Geduld, überall muß er Rücksicht nehmen, und ich will mich
doch lieber mit meinem König abfinden, daß er mir diese oder jene Gerechtsame
zugestehe, lieber mich mit meinem Nachbarn vergleichen, daß sie mir gewisse
Beschränkungen erlassen, wenn ich ihnen von einer andern Seite nachgebe, als
daß ich mich mit den Irokesen herumschlage um sie zu vertreiben, oder sie durch
Kontrakte betriege, um sie zu verdrängen, aus ihren Sümpfen, wo man von
Mosquitos zu Tode gepeinigt wird.“ Er übernahm die Familiengüter, wußte sie
freisinnig zu behandeln, sie wirtschaftlich einzurichten, weite unnütz
scheinende Nachbarsdistrikte klüglich anzuschließen und so sich innerhalb der
kultivierten Welt, die in gewissem Sinne auch gar oft eine Wildnis genannt
werden kann, ein mäßiges Gebiet zu erwerben und zu bilden, das für die
beschränkten Zustände immer noch utopisch genug ist.
Mittwoch, 23. August 2017
Samstag, 19. August 2017
Unaufhörlich
rief er sich jene Begebenheit zurück, welche einen unauslöschlichen Eindruck
auf sein Gemüt gemacht hatte. Er sah die schöne Amazone reitend aus den Büschen
hervorkommen, sie näherte sich ihm, stieg ab, ging hin und wider und bemühte
sich um seinetwillen. Er sah das umhüllende Kleid von ihren Schultern fallen;
ihr Gesicht, ihre Gestalt glänzend verschwinden. Alle seine Jugendträume
knüpften sich an dieses Bild. Er glaubte nunmehr die edle, heldenmütige
Chlorinde mit eignen Augen gesehen zu haben: ihm fiel der kranke Königssohn
wieder ein, an dessen Lager die schöne, teilnehmende Prinzessin mit stiller
Bescheidenheit herantritt.
Von dem
Wilhelm Meister und dem Hesperus ab stellen sie alle den Jüngling jener Tage
dar; wie er in glücklicher Dämmerung in das Leben eintritt, nach verwandten
Seelen sucht, der Freundschaft begegnet und der Liebe, wie er nun aber mit den
harten Realitäten der Welt in Kampf gerät und so unter mannigfaltigen
Lebenserfahrungen heranreift, sich selber findet und seiner Aufgabe in der Welt
gewiss wird.
Dienstag, 15. August 2017
Sonntag, 13. August 2017
Mann
verschlossener Tat! langsam reifender, aus tausend Eindrücken zusammen auf
einen Punkt gewirkter, auf einen Punkt gedrängter Tat! In dieser Stirne ist
nichts Gedächtnis, nichts Urteil, es ist ewig gegenwärtiges, ewig wirkendes,
nie ruhendes Leben, Drang und Weben! Welche Fülle in den Wölbungen aller Teile!
wie angespannt das Ganze! Dieses Auge faßt den Baum bei der Wurzel.
Donnerstag, 20. Juli 2017
Über
allen Ausdruck ist die reine Selbstigkeit dieses Mannes. Beim ersten Anblicke
scheint was Verderbendes dir entgegen zu streben. Aber die treuherzige
Verschlossenheit der Lippen, die Wangen, das Auge selbst! - Groß ist der
Mensch, in einer Welt von Großen. Er hat nicht die hinlässige Verachtung des
Tyrannen, er hat die Anstrengung dessen, der Widerstand findet, dessen, der
sich im Widerstande bildet; der nicht dem Schicksale, sondern großen Menschen
widerstrebt; der unter großen Menschen geworden ist. Nur ein Jahrhundert von
Trefflichen konnte den Trefflichsten durch Stufen hervorbringen.
Er kann keinen Herrn haben, kann nicht Herr sein. Er hat nie seine Lust
an Knechten gehabt. Unter Gesellen mußt er leben, unter Gleichen und Freien. In
einer Welt voll Freiheit edler Geschöpfe würd er in seiner Fülle sein. Und daß
das nun nicht so ist, schlägt im Herzen, drängt zur Stirne, schließt den Mund,
bohrt im Blicke! Schaut hier den gordischen Knoten, den der Herr der Welt nicht
lösen konnte.
Sonntag, 2. Juli 2017
Ich
sage es daher im Angesichte der Herausgeber und Ankündiger: daß ich an der
ganzen Sache nicht den geringsten Anteil habe. Ohne weitere Verteidigung meines
Charakters, hoffe ich noch so viel Glauben zu verdienen, und ohne weitere Klage
über die Unbilligkeit, womit man mich hier wieder eines ganz unwahrscheinlichen
Vergehens beschuldigen mögen, wünsch ich nur denen rechtschaffenen, würdigen
Personen die sich dadurch gekränkt und beleidigt halten konnten, hiermit genug
getan zu haben. Und o! vermocht ich schließlich Freunden und Feinden recht
lebendig ans Herz zu legen, wie grausam der Mensch durch zweckloses
Anekdotentragen, und liebloses, an sich oft unbedeutendes Nachreden, seines
Bruders Ruhe vergiften, ja dessen bürgerliches Verhältnis untergraben kann.
Dienstag, 20. Juni 2017
So still bin ich lang nicht
gewesen, und wenn das Auge Licht ist wird der ganze Körper licht seyn et vice versa. Die Gräfinn hat mir
manche neue Begriffe gegeben, und alte zusammengerückt. Sie wissen daß ich nie
etwas als durch Irradiation lerne, daß nur die Natur und die größten Meister
mir etwas begreifflich machen können, und daß im halben oder einzelnen etwas zu
fassen mir ganz unmöglich ist! – Wie offt hab ich die Worte Welt, grose Welt, Welt haben u.s.w.
hören müssen und habe mir nie was dabey dencken können, die meisten Menschen
die sich diese Eigenschafften anmasten, verfinsterten mir den Begriff, sie
schienen mir wie schlechte Musickanten auf ihren Fiedeln Symphonien
abgeschiedner Meister zu kreuzigen, ich konnte eine Ahndung davon aus diesem
und ienem einzelnen Liede haben, vergebens sucht ich mir das zu dencken was mir
nicht mit vollem Orchester war produzirt worden.
Dieses kleine Wesen hat mich
erleuchtet. Diese hat Welt oder
vielmehr sie hat die Welt, sie weis die Welt zu behandlen, sie ist wie
Quecksilber das sich in einem Augenblicke tausendfach theilt und wieder in eine
Kugel zusammenläuft. Sicher ihres Werths, ihres Rangs handelt sie zugleich mit
einer Delikatesse und Aisance die man sehn muß um sie zu dencken. Sie scheint
iedem das seinige zu geben wenn sie auch nichts giebt, sie spendet nicht, wie
ich andre gesehn habe, nach Standsgebühr und Würden iedem das eingesiegelte
zugedachte Packetgen aus, sie lebt nur unter den Menschen hin, und daraus
entsteht eben die schöne Melodie die sie spielt daß sie nicht ieden Ton sondern
nur die auserwählten berührt. Sie tracktirts mit einer Leichtigkeit und einer
anscheinenden Sorglosigkeit daß man sie für ein Kind halten sollte das nur auf
dem Klaviere, ohne auf die Noten zu sehen, herumruschelt, und doch weis sie
immer was und wem sie spielt.
Was in
ieder Kunst das Genie ist, hat sie in der Kunst des Lebens. Tausend andre
kommen mir vor wie Leute die das durch Fleis ersezzen wollen was ihnen die
Natur versagt hat, noch andre wie Liebhaber die ihr Conzertgen auswendig
gelernt haben und es ängstlich produziren, noch andre – nun es wird uns Stoff
zur Unterredung genug geben. Sie kennt den größten Teil vom vornehmen, reichen,
schönen, verständigen Europa, theils durch sich theils durch andre, das Leben,
Treiben, Verhältniß so vieler Menschen ist ihr gegenwärtig im höchsten Sinne
des Worts, es kleidet sie alles was sie sich von iedem zueignet und was sie
iedem giebt thut ihm wohl. Sie sehen ich trete geschwind auf alle Seiten um mit
todten Worten, mit einer Folge von Ausdrücken ein einziges Lebendiges Bild zu
beschreiben. Das Beste bleibt immer zurück. Ich habe noch drey Tage und nichts
zu thun als sie anzusehn in der Zeit
will ich noch manchen Zug erobern. Nur noch einen der wie eine Parabel den
Anfang einer ungeheuren Bahn zeichnet. Der Pfarr hier ist ein schlechter Kerl,
nicht so daß man ihn absezzen könnte, genug er ist schlecht. Wenn der Graf ihn
zu Gaste lädt so ißt sie nicht mit hausen, und sagt es sey recht und nothwendig
auch öffentlich zu zeichen wenn man iemanden um seiner Schlechtigkeit willen
verachtet.
Thun Sie
dieses zu ienem oben gesagten hinzu so multiplizirt es die Summe ungeheuer.
Gerne macht ich Ihnen nun auch von ihm das Portrait so weit ichs habe und
führte den Rattentext weiter aus, wenn mich bey diesem Gegenstande nicht der
natürliche Widerwille gegen das Schreiben behende ergriff. Soviel kan ich sagen
er macht mir meine dramatische und epische Vorrathskammer um ein gutes reicher.
Ich kan nicht verderben, da ich auch aus Steinen und Erde Brod machen kan.
Adieu süse Unterhaltung meines
innersten Herzens. Ich sehe und höre nichts guts das ich nicht im Augenblick
mit Ihnen theile. Und alle meine Beobachtungen über Welt und mich, richten sich
nicht, wie Marck Antonins, an mein eignes, sondern an mein zweites selbst.
Durch diesen Dialog, da ich mir bey iedem dencke was Sie dazu sagen mögten,
wird mir alles heller und werther. Wir
haben heute Gäste von Langensalza. auf das Siegel drück ich einen Kuß und bin
dein für ewig.
Sonntag, 18. Juni 2017
Die
seltenste Entwickelungsstufe der Phantasmen bei vollkommenster Gesundheit des
Geistes und des Körpers ist die Fähigkeit, bei geschlossenen Augen das
willkührlich Vorgestellte wirklich zu sehen. Es sind nur wenige Fälle dieser
Art bekannt geworden; hierher gehören Cardanus, Goethe und noch einige andere
Fälle, die ich in der Schrift: »J. Müller, über die phantastischen Gesichtserscheinungen.
Coblenz 1826« mitgetheilt. …. Im Jahre
1828 hatte ich Gelegenheit, mich mit Goethe über diesen, uns beide gleich
interessirenden Gegenstand zu unterhalten. Da er wußte, daß bei mir, wenn ich
mich ruhig bei geschlossenen Augen hinlege, vor dem Einschlafen leicht Bilder
in den Augen erscheinen, ohne daß es zum Schlaf kommt, indem vielmehr die
Bilder sehr wohl beobachtet werden können, so war er sehr begierig zu erfahren,
wie sich diese Bilder bei mir gestalten. Ich erklärte, daß ich durchaus keinen
Einfluß des Willens aus Hervorrufung und Verwandlung derselben habe, und daß
bei mir niemals eine Spur von symmetrischer und vegetativer Entwickelung
vorkomme. Goethe hingegen konnte das Thema willkührlich angeben, und dann
erfolgte allerdings scheinbar unwillkührlich, aber gesetzmäßig und symmetrisch
das Umgestalten. Ein Unterschied zweier Naturen, wovon die eine die größte
Fülle der dichterischen Gestaltungskraft besaß, die andere aber auf die
Untersuchung des Wirklichen und des in der Natur Geschehenden gerichtet ist.
Die Männer denken mehr auf das Einzelne, auf das Gegenwärtige,
und das mit Recht, weil sie zu thun, zu wirken berufen sind; die Weiber
hingegen mehr auf das was im Leben zusammenhängt, und das mit gleichem Rechte,
weil ihr Schicksal, das Schicksal ihrer Familien, an diesen Zusammenhang geknüpft
ist, und auch gerade dieses Zusammenhängende von ihnen gefordert wird.
Donnerstag, 1. Juni 2017
Gar schön war’s, wie er sagte, dass ein einzelner Mensch nie einen Charakter in dem höchsten Ausdruck haben könne; er würde nicht leben können; er müsse vermischte Eigenschaften haben, um zu existieren. Er war in der Stunde, da er dies alles sprach, recht in seinem Himmel, und wir haben ihm endlich versprechen müssen, mit niemand davon zu reden.
Samstag, 20. Mai 2017
Folgerecht aber nunmehr
darzustellen, wie bei Veränderung und Erweiterung des Lokals, dem Translozieren
der Büchersammlung aus dem Schlosse, der Umstellung, Einschaltung,
Verschmelzung alles einzelnen verfahren worden, schiene gleichfalls eine
unmögliche Aufgabe, wenn der Professor und Bibliothekar Dr. Güldenapfel in
einem Bericht, welcher den größten Teil des beigefügten Aktenfaszikels
ausmacht, solche nicht schon befriedigend gelöst hätte.
Man darf sich überzeugen, daß die
höchsten Herren Erhalter mit gewogenem Beifalle die Ausführlichkeit ansehen werden,
womit ein wohldenkender, seit sieben Jahren in den kleinlichsten Arbeiten zu
einem großen Zwecke beschäftigter Mann gern eines jeden einzelnen Augenblicks gedenkt,
deren unzählige, treu benutzt, endlich das Ganze zu bewirken, mit Hingebung
aufgewendet werden mußten.
Mittwoch, 17. Mai 2017
Leider
wird dieser fast so unbeschreiblich als unerträgliche Zustand von vielen wohl
verstanden werden, die wie unser Freund, sich für außerordentliche physische
und moralische Phänomene ansehen, und jene Bewegungen, die sie zerreißend
beunruhigen, der Gewalt ihres Herzens der Kraft ihres Geistes zuschreiben; da
sie doch mit etwas mehr Ordnung in ihrer Diät, mit etwas mehr Natur in ihrem
Genüsse, zu ihrer eigenen und zu der Ihrigen Zufriedenheit recht ordentliche,
und recht natürliche Menschen werden würden. Ja erlaubt mir meine Freunde, daß
ich euch sage: Ihr erscheint mir oft,
wie kleine sachte Bäche, worein die Knaben Steine tragen, um sie rauschen zu
machen.
Freitag, 12. Mai 2017
Was ist
das mit der Philosophie und besonders mit der neuen für eine wunderliche Sache!
In sich selbst hineinzugehen, seinen eignen Geist über seinen Operationen zu
ertappen, sich ganz in sich zu verschließen, um die Gegenstände desto besser
kennenzulernen! Ist das wohl der rechte Weg? Der Hypochondrist, sieht der die
Sachen besser an, weil er immer in sich gräbt und sich untergräbt? Gewiß, diese
Philosophie scheint mir eine Art von Hypochondrie zu sein, eine falsche Art von
Neigung, der man einen prächtigen Namen gegeben hat. Verzeihen Sie einem Alten,
verzeihen Sie einem praktischen Arzte.
Donnerstag, 4. Mai 2017
Das
Gespräch fiel auf Selbstkenntniß. »Ich behaupte, der Mensch kann sich nie
selbst kennen lernen, sich nie rein als Object betrachten. Andre kennen mich
besser als ich mich selbst. Nur meine Bezüge zur Außenwelt kann ich kennen und
richtig würdigen lernen, darauf sollte man sich beschränken. Mit allem Streben
nach Selbstkenntniß, das die Priester, das die Moral uns predigen, kommen wir
nicht weiter im Leben, gelangen weder zu Resultaten noch zu wahrer innerer
Besserung. Doch will ich diese Ansicht nicht eben für ein Evangelium ausgeben.
Was sind travers? Falsche Stellungen zur Außenwelt. Wer hat sie nicht? Jede
Lebensstufe hat die ihr eignen.«
Was am sonderbarsten war, so
geriet er durch sein beständiges Nachdenken und Insichgekehrtsein sogar auf den
Egoismus, der ihn beinahe hätte verrückt machen können.
Weil nämlich seine Träume größtenteils sehr lebhaft waren und beinahe an die Wirklichkeit zu grenzen schienen, so fiel es ihm ein, daß er auch wohl am hellen Tage träume und die Leute um ihn her, nebst allem, was er sahe, Geschöpfe seiner Einbildungskraft sein könnten.
Dies war ihm ein erschrecklicher Gedanke, und er fürchtete sich vor sich selber, sooft er ihm einfiel, auch suchte er sich dann wirklich durch Zerstreuung von diesen Gedanken loszumachen.
Das Einzelne, Abgerissene und
Zerstückte in seinem Dasein war es immer, was ihm Verdruß und Ekel erweckte.
Und dies entstand so oft, als
unter dem Druck der Umstände seine Gedanken sich nicht über den gegenwärtigen
Moment erheben konnten. – Dann war alles so unbedeutend, so leer und trocken
und nicht der Mühe des Denkens wert. –
Dieser Zustand ließ ihn immer
die Ankunft der Nacht, einen tiefen Schlummer, ein gänzliches Vergessen seiner
selbst wünschen – ihm kroch die Zeit mit Schneckenschritten fort – und er
konnte sich nie erklären, warum er in diesem Augenblicke lebte.
Diesem
großen, erhabenen und tröstlichen Gefühle so wenig als nur möglich
nachzuhängen, lehrte mich ein edler Freund, der sich mir immer näher verband;
es war der Arzt, den ich in dem Hause meines Oheims hatte kennen lernen, und
der sich von der Verfassung meines Körpers und meines Geistes sehr gut
unterrichtet hatte; er zeigte mir, wie sehr diese Empfindungen, wenn wir sie
unabhängig von äußern Gegenständen in uns nähren, uns gewissermaßen aushöhlen
und den Grund unseres Daseins untergraben. »Tätig zu sein«, sagte er, »ist des
Menschen erste Bestimmung, und alle Zwischenzeiten, in denen er auszuruhen
genötigt ist, sollte er anwenden, eine deutliche Erkenntnis der äußerlichen Dinge
zu erlangen, die ihm in der Folge abermals seine Tätigkeit erleichtert.«
Donnerstag, 20. April 2017
Wenn Goethe sich im Gespräch erschliesst, ist er gewöhnlich guter Laune, und er legt Wert darauf, seine Ansichten in einer möglichst originellen Form vorzubringen. Die Wahrheit liegt ihm am Herzen, aber je fester er von der Richtigkeit seiner Worte überzeugt ist, um so lieber kleidet er sie in ein Paradoxon.
HIPPIAS. Ein Träumender, ein
Kranker, ein Wahnwitziger sieht, und doch ist das nicht, was er sieht.
AGATHON. Weil er in diesem Zustande nicht recht sehen kann.
HIPPIAS. Wie kannst du beweisen,
daß du nicht gerad in diesem Punct krank bist? Frage die Ärzte; man kann in
einem einzigen Stück wahnwitzig, und in allen Übrigen klug sein; so wie eine
Laute bis auf eine einzige falsche Saite wohl gestimmt sein kann. Der rasende
Ajax sieht zwo Sonnen, ein doppeltes Thebe. Was für ein untrügliches
Kennzeichen hast du, das Wahre von dem was nur scheint; das was du würklich empfindest,
von dem was du dir nur einbildest; das was du richtig empfindest, von dem was
eine verstimmte Nerve dich empfinden macht, zu unterscheiden? Und wie, wenn
alle Empfindung betröge, und nichts von allem was ist, so wäre, wie du es
empfindest?
AGATHON. Darum bekümmere ich mich
wenig. Gesetzt, die Sonne sei nicht so, wie ich sie sehe und fühle; für mich
ist sie darum nicht minder so, wie ich sie sehe und fühle, und das ist für mich
genug. Ihr Einfluß in das System aller meiner übrigen Empfindungen ist darum
nicht weniger würklich, wenn sie gleich nicht so ist, wie sie sich meinen
Sinnen darstellt, ja wenn sie gar nicht ist.
HIPPIAS. Die Anwendung hievon, wenn dirs beliebt? …
"Ich mag nicht sagen, wie ich denke," erwiederte Goethe. "Es versteckt sich hinter jenem Gerede mehr böser Wille gegen mich, als Sie wissen. Ich fühle darin eine neue Form des alten Hasses, mit dem man mich seit Jahren verfolgt und mir im stillen beizukommen sucht. Ich weiß recht gut, ich bin vielen ein Dorn im Auge, sie wären mich alle sehr gern los, und da man nun an meinem Talent nicht rühren kann, so will man an meinen Charakter. Bald soll ich stolz sein, bald egoistisch, bald voller Neid gegen junge Talente, bald in Sinnenlust versunken, bald ohne Christenthum, und nun endlich gar ohne Liebe zu meinem Vaterlande und meinen lieben Deutschen. Sie kennen mich nun seit Jahren hinlänglich und fühlen was an all dem Gerede ist. Wollen Sie aber wissen, was ich gelitten habe, so lesen Sie meine ›Xenien‹, und es wird Ihnen aus meinen Gegenwirkungen klar werden, womit man mir abwechselnd das Leben zu verbittern gesucht hat.
Ein deutscher Schriftsteller – ein deutscher Märtyrer! Ja, mein Guter! Sie werden es nicht anders finden. Und ich selbst kann mich kaum beklagen; es ist allen andern nicht besser gegangen, den meisten sogar schlechter, und in England und Frankreich ganz wie bei uns. Was hat nicht Molière zu leiden gehabt, und was nicht Rousseau und Voltaire! Byron ward durch die bösen Zungen aus England getrieben und würde zuletzt ans Ende der Welt geflohen sein, wenn ein früher Tod ihn nicht den Philistern und ihrem Haß enthoben hätte.Und wenn noch die bornirte Masse höhere Menschen verfolgte! Nein, ein Begabter und ein Talent verfolgt das andere. Platen ärgert Heine, und Heine Platen, und jeder sucht den andern schlecht und verhaßt zu machen, da doch zu einem friedlichen Hinleben und Hinwirken die Welt groß und weit genug ist und jeder schon an seinem eigenen Talent einen Feind hat, der ihm hinlänglich zu schaffen macht!"
Ein deutscher Schriftsteller – ein deutscher Märtyrer! Ja, mein Guter! Sie werden es nicht anders finden. Und ich selbst kann mich kaum beklagen; es ist allen andern nicht besser gegangen, den meisten sogar schlechter, und in England und Frankreich ganz wie bei uns. Was hat nicht Molière zu leiden gehabt, und was nicht Rousseau und Voltaire! Byron ward durch die bösen Zungen aus England getrieben und würde zuletzt ans Ende der Welt geflohen sein, wenn ein früher Tod ihn nicht den Philistern und ihrem Haß enthoben hätte.Und wenn noch die bornirte Masse höhere Menschen verfolgte! Nein, ein Begabter und ein Talent verfolgt das andere. Platen ärgert Heine, und Heine Platen, und jeder sucht den andern schlecht und verhaßt zu machen, da doch zu einem friedlichen Hinleben und Hinwirken die Welt groß und weit genug ist und jeder schon an seinem eigenen Talent einen Feind hat, der ihm hinlänglich zu schaffen macht!"
Samstag, 15. April 2017
Eine
niedrige Kindheit, unzulänglicher Unterricht in der Jugend, zerrissene,
zerstreute Studien im Jünglingsalter, der Druck eines Schulamtes, und was in
einer solchen Laufbahn Ängstliches und Beschwerliches erfahren wird, hatte er
mit vielen andern geduldet. Er war dreißig Jahre alt geworden, ohne irgendeine
Gunst des Schicksals genossen zu haben; aber in ihm selbst lagen die Keime
eines wünschenswerten und möglichen Glücks.
Mittwoch, 12. April 2017
Samstag, 8. April 2017
Freitag, 24. März 2017
Der Tasso ist nun einmal das höchste
Geistige, die zarteste Menschheit, welche auch von der sanftesten und weichsten
Umgebung gedrückt, sich ihrer Auflösung nähert; welche den Schwerpunkt verloren
hat, der sie an die Wirklichkeit heftet, und daher auch erst in der Erscheinung
ihre eigentliche Vollendung erreichen konnte. Die tragische Darstellung dieses
Zarten, Geistigen, auf dem Punkte, wo es sich jammernd ablöst und in sich
selbst versinkt, ist gewiss das Höchste der Poesie.
Freitag, 10. März 2017
Das Deraisonnement der Deutschen in Rom mag
sich noch widerlicher ausnehmen als wenn man es in Deutschland hören muß, und
doch ist das Gespräch überall nichts als ein Austausch von Irrthümern, und ein
Kreislauf von beschränkten Eigenheiten. Wir wollen unsern Weg recht still aber
auch recht eigensinnig verfolgen. Lassen Sie nur ja niemand nichts von unsern
Hypothesen, Theorien und Absichten merken, wenn die Leute von uns noch einige
gute Meynung behalten sollen. Es ist bloß mit der Masse unserer vereinigten
Kräfte und mit der Ausführung des Ganzen, daß wir ihnen in der Folge imponiren
können und doch werden sie auszusetzen genug finden.
Ich war von je her überzeugt daß man entweder unbekannt oder unerkannt durch die Welt gehe, so daß ich auf kleinen oder größeren Reisen, in so fern es nur möglich war, meinen Nahmen verbarg und künftig will ich ihn gewiß nur zu besserer Ausführung unseres Zweckes aushängen.
Sonntag, 19. Februar 2017
Ein heiterer Tag ist wie
ein grauer, wenn wir ihn ungerührt ansehen, und was kann uns rühren als die
stille Hoffnung, daß die angeborne Neigung unsers Herzens nicht ohne Gegenstand
bleiben werde? Uns rührt die Erzählung jeder guten Tat, uns rührt das Anschauen
jedes harmonischen Gegenstandes; wir fühlen dabei, daß wir nicht ganz in der
Fremde sind, wir wähnen einer Heimat näher zu sein, nach der unser Bestes, Innerstes
ungeduldig hinstrebt.
Die Unruhe hielt ihn noch
eine Zeitlang wach, und er beschäftigte sich, das Bild der Amazone mit dem Bild
seiner neuen, gegenwärtigen Freundin zu vergleichen. Sie wollten noch nicht
miteinander zusammenfließen; jenes hatte er sich gleichsam geschaffen, und
dieses schien fast ihn umschaffen zu wollen.
Freitag, 27. Januar 2017
Sie kommen mir eine Zeither
vor wie Madonna die gen Himmel fährt, vergebens dass ein rückbleibender seine
Arme nach ihr ausstreckt, vergebens dass sein scheidender trähnenvoller Blick
den ihrigen noch einmal niederwünscht, sie ist nur in den Glanz versuncken der
sie umgiebt, nur voll Sehnsucht nach der Krone die ihr überm Haupt schwebt.
Adieu doch Liebe! Weimar, d. 7. Okbr. 76.
Mittwoch, 25. Januar 2017
Die Deutschen sind im Durchschnitt rechtliche,
biedere Menschen aber von Originalität, Erfindung, Charakter, Einheit, und
Ausführung eines Kunstwerkes haben sie nicht den mindesten Begriff. Das heisst
mit Einem Worte sie haben keinen Geschmack. Versteht sich auch im Durchschnitt.
Den rohren Teil hat man durch Abwechslung und Uebertreiben, den gebildetern
durch eine Art Honettetät zum besten. Ritter, Räuber, Wohltätige, Dankbare, ein
redlicher biederer Tiers-Etat, ein infamer Adel pp. und durchaus eine
wohlsoutenierte Mittelmässigkeit, aus der man nur allenfalls abwärts ins
Platte, aufwärts in den Unsinn einige Schritte wagt, das sind nun schon zehen
Jahre die Ingredienzien und der Charakter unserer Romane und Schauspiele. Was
ich unter diesen Aspekten von ihrem Theater hoffe, es mag dirigieren wer will,
können Sie denken.
Mich hat der süße kleine Gott in einen bösen
Weltwinckel relegirt. Die öffentlichen Mädchen der Lust sind unsicher wie
überall. Die Zitellen (unverheurathete Mädchen) sind keuscher als irgendwo, sie
lassen sich nicht anrühren und fragen gleich, wenn man artig mit ihnen thut: e
che concluderemo? Denn entweder man soll sie heurathen oder sie verheurathen
und wenn sie einen Mann haben, dann ist die Messe gesungen. Ja man kann fast
sagen, daß alle verheurathete Weiber dem zu Gebote stehn, der die Familie
erhalten will. Das sind denn alles böse Bedingungen und zu naschen ist nur bey
denen, die so unsicher sind als öffentliche Creaturen. Was das Herz betrifft,
so gehört es gar nicht in die Terminologie der hiesigen Liebeskanzley.
Sonntag, 8. Januar 2017
Mir ist der Besitz nötig, um den richtigen Begriff der Objekte zu bekommen. Frei von den Täuschungen, die die Begierde nach einem Gegenstand unterhält, lässt erst der Besitz mich ruhig und unbefangen urteilen. Und so liebe ich den Besitz, nicht der beseßnen Sache, sondem meiner Bildung wegen, und weil er mich ruhiger und dadurch glücklicher macht. Auch die Fehler einer Sache lehrt mich erst der Besitz.
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