Montag, 26. Dezember 2011


Gaudeat ingrediens, laetetur et aede recedens,
His qui praetereunt det bona cuncta Deus. 1608.

Freudig trete herein und froh entferne dich wieder!
Ziehst du als Wandrer vorbey, segne die Pfade dir Gott.

Da gewiß höchsten Ortes so wie von ew. Hochwohlgeboren gnädig und geneigt aufgenommen wird, wenn ich den Zustand in dem ich mich befinde rein und treu auszusprechen wage, dasjenige was sich von selbst versteht bescheiden ablehne und die Betrachtungen zu denen ich aufgeregt werde zutraulich mittheile, so eröffne mit obigen zwey lateinischen Zeilen meinen gegenwärtigen Brief. Ich fand sie als Überschrift der Hauptpforte des Dornburger neu acquirirten Schlößchens, wo mir durch höchste Nachsicht in den traurigsten Tagen eine Zuflucht zu finden vergönnt worden.
Die Einfassung gedachter Thüre selbst ist nach Weise jener Zeit architektonisch-plastisch überreich verziert und gibt, zusammen mit der Inschrift, die Überzeugung, daß vor länger als zweyhundert Jahren gebildete Menschen hier gewirkt, daß ein allgemeines Wohlwollen hier zu Hause gewesen, wogegen auch diese Wohnung durch so viele Kriegs- und Schreckenszeiten hindurch aufrecht bestehend erhalten worden.
Bey meiner gegenwärtigen Gemüthsstimmung rief ein solcher Anblick die Erinnerung in mir hervor: gerade ein so einladend-segnendes Motto sey durch eine Reihe von mehr als funfzig Jahren der Wahlspruch meines verewigten Herrn gewesen, welcher, auf ein groß-bedeutendes Daseyn gegründet, nach seiner erhabenen Sinnesart jederzeit mehr für die Kommenden, Scheidenden und Vorüberwandelnden besorgt war als für sich selbst, der wie der Anordner jener Inschrift weniger seiner Wohnung, seines Daches gedachte als derjenigen, welche da zu herbergen, mit Gunst zu verabschieden oder vorbeygehend zu begrüßen wären. Hier schien es also, daß ich abermals bey ihm einkehre als dem wohlwollenden Eigenthümer dieses uralten Hauses, als dem Nachfolger und Repräsentanten aller vorigen gastfreyen und also auch selbst behaglichen Besitzer.
Die allgemeine traurige Stimmung dieser Stunden ließ mich den Werth solcher Betrachtungen doppelt fühlen und regte mich an, denenselben gleichfalls nachzugehen, als ich nach Verlauf von einigen Tagen und Nächten mich in's Freye zu wagen und die Anmuth eines wahrhaften Lustortes still in mich aufzunehmen begann.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Da sah ich vor mir auf schrosser Felskante eine Reihe einzelner Schlösser hingestellt, in den verschiedensten Zeiten erbaut, zu den verschiedensten Zwecken errichtet. Hier, am nördlichen Ende, ein hohes, altes, [207] unregelmäßig-weitläufiges Schloß, große Säle zu kaiserlichen Pfalztagen umschließend, nicht weniger genugsame Räume zu ritterlicher Wohnung; es ruht auf starken Mauern zu Schutz und Trutz. Dann folgen später hinzugesellte Gebäude, haushältischer Benutzung des umherliegenden Feldbesitzes gewidmet.
Die Augen an sich ziehend aber steht weiter südlich, auf dem solidesten Unterbau, ein heiteres Lustschloß neuerer Zeit, zu anständigster Hofhaltung und Genuß in günstiger Jahreszeit. Zurückkehrend hierauf an das südlichste Ende des steilen Abhanges, finde ich zuletzt das alte, nun auch mit dem Ganzen vereinigte Freygut wieder, dasselbe welches mich so gastfreundlich einlud.
Auf diesem Wege nun hatte ich zu bewundern, wie die bedeutenden Zwischenräume, einer steil abgestuften Lage gemäß, durch Terrassengänge zu einer Art von auf- und absteigendem Labyrinthe architektonisch auf das schicklichste verschränkt worden, indessen ich zugleich die sämmtlichen über einander zurückweichenden Localitäten auf das vollkommenste grünen und blühen sah. Weithingestreckte, der belebenden Sonne zugewendete, hinabwärtsgepflanzte, tiefgrünende Weinhügel. Aufwärts an Mauergeländern üppige Reben, reich an reifenden, Genuß zusagenden Traubenbüscheln; hoch an Spalieren sodann eine sorgsam gepflegte, sonst ausländische Pflanzenart, das Auge nächstens mit hochfarbigen, an leichtem Gezweige herabspielenden Glocken zu ergötzen versprechend. Ferner vollkommen geschlossen-gewölbte Laubwege, einige in dem lebhaftesten Flor durchaus blühender Rosen höchlich reizend geschmückt; Blumenbeete zwischen Gesträuch aller Art.
Konnte mir aber ein erwünschteres Symbol geboten werden? deutlicher anzeigend wie Vorfahr und Nachfolger, einen edlen Besitz gemeinschaftlich festhaltend, pflegend und genießend, sich von Geschlecht zu Geschlecht ein anständig-bequemes Wohlbefinden emsig vorbereitend, eine für alle Zeiten ruhige Folge bestätigten Daseyns und genießenden Behagens einleiten und sichern?
Dieses mußte mir also zu einer eigenen Tröstung gereichen, welche nicht aus Belehrung und Gründen hervorging; hier sprach vielmehr der Gegenstand selbst das alles aus was ein bekümmertes Gemüth so gern vernehmen mag: die vernünftige Welt sey von Geschlecht zu Geschlecht auf ein folgereiches Thun entschieden angewiesen. Wo nun der menschliche Geist diesen hohen ewigen Grundsatz in der Anwendung gewahr wird, so fühlt er sich auf seine Bestimmung zurückgeführt und ermuthigt, wenn er auch zugleich gestehen wird: daß er eben in der Gliederung dieser Folge, selbst an- und abtretend, so Freude als Schmerz wie in dem Wechsel der Jahreszeiten so in dem Menschenleben, an andern wie an sich selbst zu erwarten habe.
Hier aber komme ich in den Fall, nochmals mir eine fortgesetzte Geduld zu erbitten, da der Schilderung meines gegenwärtigen Zustandes noch einiges Unentbehrliche hinzufügen wäre.
Von diesen würdigen landesherrlichen Höhen seh ich ferner in einem anmuthigen Thal so vieles, was, dem Bedürfniß des Menschen entsprechend, weit und breit in allen Landen sich wiederholt. Ich sehe zu Dörfern versammelte ländische Wohnsitze, durch Gartenbeete und Baumgruppen gesondert, einen Fluß, der sich vielfach durch Wiesen zieht, wo eben eine reichliche Heuernte die Emsigen beschäftigt; Wehr, Mühle, Brücke folgen auf einander, die Wege verbinden sich auf- und absteigend. Gegenüber erstrecken sich Felder an wohlbebauten Hügeln bis an die steilen Waldungen hinan, bunt anzuschauen nach Verschiedenheit der Aussaat und des Reisegrades. Büsche, hie und da zerstreut, dort zu schattigen Räumen zusammengezogen. Reihenweis auch den heitersten Anblick gewährend seh ich große Anlagen von Fruchtbäumen; sodann aber, damit der Einbildungskraft ja nichts Wünschenswerthes abgehe, mehr oder weniger aufsteigende, alljährlich neu angelegte Weinberge.
Das alles zeigt sich mir wie vor funfzig Jahren und zwar in gesteigertem Wohlseyn, wenn schon diese Gegend von dem größten Unheil mannichfach und wiederholt heimgesucht worden. Keine Spur von Verderben ist zu sehen, schritt auch die Weltgeschichte hart auftretend gewaltsam über die Thäler. Dagegen deutet alles auf eine emsig folgerechte, klüglich vermehrte Cultur eines sanft und gelassen regierten, sich durchaus mäßig verhaltenden Volkes.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Ein so geregeltes sinniges Regiment waltet von Fürsten zu Fürsten. Feststehend sind die Einrichtungen, zeitgemäß die Verbesserungen; so war es vor, so wird es nach seyn, damit das hohe Wort eines Weisen erfüllt werde, welcher sagt: »Die vernünftige Welt ist als ein großes unsterbliches Individuum zu betrachten, welches unaufhaltsam das Nothwendige bewirkt und dadurch sich sogar über das Zufällige zum Herrn erhebt.«
Nun aber sey vergönnt, mich von jenen äußern und allgemeinern Dingen zu meinem Eigensten und Innersten zu wenden, wo ich denn aufrichtigst bekennen kann: daß eine gleichmäßige Folge der Gesinnungen daselbst lebendig sey, daß ich meine unwandelbare Anhänglichkeit an den hohenAbgeschiedenen nicht besser zu bethätigen wüßte, als wenn ich, selbigerweise dem verehrten Eintretenden gewidmet, alles was noch an mir ist diesem wie seinem hohen Hause und seinen Landen von frischem anzuzeigen mich ausdrücklich verpflichte.
Wogegen ist denn auch einer Erwiderung gnädigsten Wohlwollens, fortgesetzten ehrenden Vertrauens und milder Nachsicht mich beruhigend getrösten darf, indem ja das von Pawlowsk am 28. Juni d. J. erlassene huldverkündende Schreiben mir ein so entschieden-erfreuliches, fast beschämendes Zeugniß geworden.

Wie sehr dasselbe mich erquickend aufregte, wie dankbar ich anerkennen mußte, solches von der Hand eines so werthen, längst geschätzten, geliebten Mannes zu erhalten, hoffe ich bald mündlich mit kräftigern Worten ausdrucken zu können.


Gegenwärtig füge nur die Bitte hinzu, Ew. Hochwohlgeboren mögen sich eifrigst verwenden, daß Vorstehendes, wenn auch seltsam scheinend, jedoch aus den eigensten Zuständen und treusten Gesinnungen hervorgegangen, zu ruhiger Stunde von unsern höchsten Herrschaften gnädigst nachsichtig aufgenommen werden möge.
Ein baldiges frohes Wiedersehen hoffend, unterzeichne mich in vorzüglichster Hochachtung.

Da Beyliegendes, in den ersten Tagen meines Hierseyns Verfaßtes, zum Absenden bereit mir vor Augen liegt, darf ich Ew. Hochwohlgeboren nicht verbergen daß ein Zweifel mich beunruhigt: ob es denn auch schicklich sey, den Monolog des wunderlich nachsinnenden Einsiedlers zu einer Epoche darzubringen, wo Hof und Land sich in lebendigster Theilnahme bewegen.
Indessen, da es noch ungehöriger seyn müßte zu schweigen, so gebe diese Blätter Ew. Hochwohlgeboren zutraulich in die Hände, ganz Dero Beurtheilung überlassend, ob Dieselben vorerst nur den Inhalt und sodann später das Ausführlichere geziemend vorlegen wollen. Freundschaftlichem einsichtigen Ermessen eine dem Augenblick anpaßliche Behandlung völlig anheimgebend.

Freitag, 9. Dezember 2011

»Von allen Geistern, die ich jemals angelockt, .... fühl' ich mich rings umsessen, ja umlagert.«
Die Fähigkeit, vom Besondern schnell zum Allgemeinen aufzusteigen, das scheinbar Getrennte zu verknüpfen und für jede abweichende Erscheinung die befriedigende Formel der Gesetzmäßigkeit aufzufinden, hat nicht leicht ein Sterblicher in höherem Grade besessen. Daher denn auch bei jedem Naturstudium ihm leicht und ungezwungen ein Apperçu entgegenkam – oder, wie er es ausdrückte: das Gewahrwerden einer großen Maxime eintrat, die ihr Licht urplötzlich über seine Forschungen ausgoß.»Ich lasse« – hörte ich ihn einst sagen – »die Gegenstände ruhig auf mich einwirken, beobachte dann diese Wirkung und bemühe mich, sie treu und unverfälscht wiederzugeben; dies ist das ganze Geheimniß, was man Genialität zu nennen beliebt.«

»Wer mit zweiundzwanzig Jahren den ›Werther‹ schrieb« – hörte ich ihn öfters sagen, wenn er zu verstehen geben wollte, daß er »eben doch keine Katze« sei.

Montag, 5. Dezember 2011

Nichts ... regte ihn innerlich stärker auf, als die Selbstgefälligkeit, womit eingebildete, obschon übrigens talentvolle Personen bei Betrachtung eines Kunstwerks oder sonst einer vortrefflichen Arbeit diese dadurch zu loben meinten, daß sie ausriefen: das sehe ganz so aus, als wenn sie es gemacht hätten; oder: das könnten sie wohl auch gemacht haben. Da wurde denn hinterher im Kreise der Vertrauten eine solche Person mit einem Frankfurter Provinzialismus »ein Schnudelputz« genannt.
Er suchte die göttliche Ruhe in sich herzustellen und so ging sie aus seinem Herzen in die Schöpfungen seines Geistes über. Wie sehr sie gleichwohl nur in der dichterischen Stimmung den reinen unbewegten Spiegel bildete, in welchem die Welt mit ihren Objecten sich einstrahlte, in dem Treiben und Toben des Lebens aber zu schwanken und ihr Gleichgewicht zu verlieren drohte, und daher der Sicherstellung bedurfte, zeigte die ihm fast zur Gewohnheit gewordene Ermahnung: »Ruhig, ruhig! nur Ruhe!« die er andern zurief, oft wenn sie noch oder schon ruhig waren, sodaß sie zugleich die lautgewordene innerliche Selbstaufforderung zu gelassenem und besonnenem Verfahren zu sein schien.

Samstag, 26. November 2011

Was bin ich denn selbst, was habe ich geleistet? Alles, was ich gesehen habe, gehört und beobachtet, habe ich gesammelt und ausgenutzt. Meine Werke sind von unzähligen verschiedenen Individuen genährt worden, von Ignoranten und Weisen, Leuten von Geist und Dummköpfen; die Kindheit, das reife Alter, das Greisenalter, alle haben mir ihre Gedanken entgegengebracht, ihre Fähigkeiten, Hoffnungen und Lebensansichten, ich habe oft geerntet, was andere gesäet haben. Mein Werk ist das eines Kollektivwesens, das den Namen Goethe trägt.
„Gibt es denn im allgemeinen“, sagte ich, „kein Mittel, um eine produktive Stimmung hervorzubringen, oder, wenn sie nicht mächtig genug wäre, sie zu steigern?“
„Um diesen Punkt“, erwiderte Goethe, „steht es gar wunderlich, und wäre darüber allerlei zu denken und zu sagen.“
„Jede Produktivität höchster Art, jedes bedeutende Aperçu, jede Erfindung, jeder große Gedanke, der Früchte bringt, und Folge hat, steht in niemandes Gewalt und ist über aller irdischen Macht erhaben. Dergleichen hat der Mensch als unverhoffte Geschenke von oben, als reine Kinder Gottes zu betrachten, die er mit freudigem Dank zu empfangen und zu verehren hat. Es ist dem Dämonischen verwandt, das übermächtig mit ihm tut, wie es beliebt, und dem er sich bewußtlos hingibt, während er glaubt, er handle aus eigenem Antriebe. In solchen Fällen ist der Mensch oftmals als ein Werkzeug einer höheren Weltregierung zu betrachten, als ein würdig befundenes Gefäß zur Aufnahme eines göttlichen Einflusses. – Ich sage dies, indem ich erwäge, wie oft ein einziger Gedanke ganzen Jahrhunderten eine andere Gestalt gab, und wie einzelne Menschen durch das, was von ihnen ausging, ihrem Zeitalter ein Gepräge aufdrückten, das noch in nachfolgenden Geschlechtern kenntlich blieb und wohltätig fortwirkte.“

Freitag, 18. November 2011

Wir haben's von jeher mit den Scheisskerlen verdorben und die Scheisskerle sitzen überall auf dem Fass.
Hier gedenken wir nur Günthers, der ein Poet im vollen Sinn des Worts genannt werden darf. Ein entschiedenes Talent, begabt mit Sinnlichkeit, Einbildungskraft, Gedächtnis, Gabe des Fassens und Vergegenwärtigens, fruchtbar im höchsten Grad, rhythmisch bequem, geistreich, witzig und dabei vielfach unterrichtet; genug, er besaß alles, was dazu gehört, im Leben ein zweites Leben durch Poesie hervorzubringen, und zwar in dem gemeinen wirklichen Leben. Wir bewundern seine große Leichtigkeit, in Gelegenheitsgedichten alle Zustände durchs Gefühl zu erhöhen und mit passenden Gesinnungen, Bildern, historischen und fabelhaften Überlieferungen zu schmücken. Das Rohe und Wilde daran gehört seiner Zeit, seiner Lebensweise und besonders seinem Charakter oder, wenn man will, seiner Charakterlosigkeit. Er wusste sich nicht zu zähmen, und so zerrann ihm sein Leben wie sein Dichten.
Durch ein unfertiges Betragen hatte sich Günther das Glück verscherzt, an dem Hof Augusts des Zweiten angestellt zu werden, wo man, zu allem übrigen Prunk, sich auch nach einem Hofpoeten umsah, der den Festlichkeiten Schwung und Zierde geben und eine vorübergehende Pracht verewigen könnte. Von König war gesitteter und glücklicher, er bekleidete diese Stelle mit Würde und Beifall.
Ich habe in diesen acht Tagen viel Merkwürdiges, wenn es auch nur meist negativ merkwürdig gewesen wäre, gesehen. An dem Grafen Reden, dem Director der Schlesischen Bergwerke, haben wir einen sehr guten Gesellschafter gehabt. Nun sind wir wieder hier in dem lärmenden, schmutzigen, stinkenden Breslau, aus dem ich bald erlöst zu sein wünsche.

Donnerstag, 17. November 2011

Die zwei mittlern Finger sollen immer zusammenbleiben, der Daumen, Zeige- und kleine Finger etwas gebogen hängen. Auf diese Art ist die Hand in ihrer gehörigen Haltung und zu allen Bewegungen in ihrer richtigen Form.

Dienstag, 15. November 2011

Was machst du an der Welt? Sie ist schon gemacht;
Der Herr der Schöpfung hat alles bedacht.
Dein Los ist gefallen; verfolge die Weise!
Der Weg ist begonnen, vollende die Reise!
Denn Sorgen und Kummer verändern es nicht;
Sie schleudern dich ewig aus gleichem Gewicht.
Die Natur. - Sie spielt ein Schauspiel; ob sie es selbst sieht, wissen wir nicht, und doch spielt sie’s für uns, die wir in der Ecke stehen.

Mittwoch, 9. November 2011

Wie selig kann man seine Freunde preisen die wenigstens das Unheil nicht mit Augen sehen das in dieser Gegend und nun auch in dem unglücklichen Maynz angerichtet wird. Ihre gütigen Briefe zeigen mir Sie auf dem gewöhnlichen ruhigen, obgleich mitunter beschwerlichen Pfade der bürgerlichen Geschäfte und des häußlichen Lebens, möge ein gutes Geschick Sie lange drauf erhalten.
Mich wandelt in meiner jetzigen Lage eine Art Stupor an und ich finde den trivialen Ausdruck: der Verstand steht mir still, trefflich um die Lage meines Geistes auszudrucken.
Die Hälfte der schönen und wohlgelegnen Stadt mag nun wohl schon verbrannt seyn der Erfolg muß diesen grimmigen Entschluß rechtfertigen. Die Situation der emigrirten Maynzer ist die traurigste von der Welt.

Dein Packet hab' ich noch nicht übergeben, ich weiß nicht, warum. Ein Dämon hält mich ab. Die Zerstreuung, Verwirrung, Inhumanität um uns ist zu groß. Vale et ama. 

Donnerstag, 3. November 2011

Seine nähere Bekanntschaft erhält man sehr schwer; die Menschen, welche ich gesprochen, wissen alle keinen, mit dem er sehr genau umgehet. 

Freitag, 21. Oktober 2011

Als der Kanzler und Coudray gingen, bat Goethe mich, noch ein wenig bei ihm zu bleiben. „Da ich in Jahrtausenden lebe,“ sagte er, „so kommt es mir immer wunderlich vor, wenn ich von Statuen und Monumenten höre. Ich kann nicht an eine Bildsäule denken, die einem verdienten Manne gesetzt wird, ohne sie im Geiste schon von künftigen Kriegern umgeworfen und zerschlagen zu sehen. Coudrays Eisenstäbe um das Wielandsche Grab sehe ich schon als Hufeisen unter den Pferdefüßen einer künftigen Kavallerie blinken, und ich kann noch dazu sagen, daß ich bereits einen ähnlichen Fall in Frankfurt erlebt habe. Das Wielandsche Grab liegt überdies viel zu nahe an der Ilm; der Fluß braucht in seiner raschen Biegung kaum einhundert Jahre am Ufer fortzuzehren, und er wird die Toten erreicht haben.“
So ist es; aber heutigentags wird alles durcheinander gemengt und verwechselt, und niemand weiß, woher die Dinge kommen.
Der Familientisch zu fünf Kuverts stand gedeckt, die Zimmer waren leer und kühl, welches bei der großen Hitze sehr wohl tat. Ich trat in das geräumige, an den Speisesaal angrenzende Zimmer, worin der gewirkte Fußteppich liegt und die kolossale Büste der Juno steht. Ich war nicht lange allein auf- und abgegangen, als Goethe, aus seinem Arbeitszimmer kommend, hereintrat und mich in seiner herzlichen Art liebevoll begrüßte und anredete. Er setzte sich auf einen Stuhl am Fenster. „Nehmen Sie sich auch ein Stühlchen“, sagte er, „und setzen Sie sich zu mir, wir wollen ein wenig reden, bis die Übrigen kommen. Es ist mir lieb, daß Sie doch auch den Grafen Sternberg bei mir haben kennen gelernt; er ist wieder abgereist, und ich bin nun ganz wieder in der gewohnten Tätigkeit und Ruhe.“

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Ich fand Goethe allein, in Betrachtung der Gipspasten nach dem Stoschschen Kabinett.

Montag, 3. Oktober 2011

Wolltest Herrliches gewinnen,
Aber es gelang dir nicht.
Wem gelingt es? – Trübe Frage,
Der das Schicksal sich vermummt,
Wenn am unglückseligsten Tage
Blutend alles Volk verstummt.

"Das Böhmen ist ein eigenes Land", sagte Goethe, "ich bin dort immer gerne gewesen. Die Bildung der Literatoren hat dort noch etwas Reines, welches im nördlichen Deutschland schon anfängt selten zu werden, indem hier jeder Lump schreibt, bei dem an ein sittliches Fundament und eine höhere Absicht nicht zu denken ist."
„Ich sage immer und wiederhole es“, begann er, „die Welt könnte nicht bestehen, wenn sie nicht so einfach wäre. Dieser elende Boden wird nun schon tausend Jahre bebaut, und seine Kräfte sind immer dieselbigen. Ein wenig Regen, ein wenig Sonne, und es wird jeden Frühling wieder grün, und so fort.“
„Ich sehe immer mehr,“ fuhr Goethe fort, „daß die Poesie ein Gemeingut der Menschheit ist, und daß sie überall und zu allen Zeiten in Hunderten und aber Hunderten von Menschen hervortritt. Einer macht es ein wenig besser als der andere und schwimmt ein wenig länger oben als der andere, das ist alles. Der Herr von Matthisson muß daher nicht denken, er wäre es, und ich muß nicht denken, ich wäre es, sondern jeder muß sich eben sagen, daß niemand eben besondere Ursache habe, sich viel darauf einzubilden, wenn er ein gutes Gedicht macht. Aber freilich, wenn wir Deutschen nicht aus dem engen Kreise unserer eigenen Umgebung hinausblicken, so kommen wir gar zu leicht in diesen pedantischen Dünkel. Ich sehe mich daher gern bei fremden Nationen um und rate jedem, es auch seinerseits zu tun. Nationalliteratur will jetzt nicht viel sagen, die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit und jeder muß jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen.
„Ein solches Talent wie Béranger,“ sagte ich, „würde an sittlichen Stoffen nichts zu tun finden.“ „Sie haben recht,“ sagte Goethe, „eben an den Verkehrtheiten der Zeit offenbart und entwickelt Béranger seine bessere Natur.“ „Aber,“ sagte ich, „ist denn dieser chinesische Roman vielleicht einer ihrer vorzüglichsten?“ „Keineswegs,“ sagte Goethe, „die Chinesen haben deren zu Tausenden und hatten ihrer schon, als unsere Vorfahren noch in den Wäldern lebten.“

Freitag, 16. September 2011

Der alte Meyer ist klug, sehr klug, aber er geht nur nicht heraus, widerspricht mir nicht, das ist fatal. Ich bin sicher, im Innern ist er noch zehnmal zum Schimpfen geneigter als ich und hält mich noch für ein schwaches Licht. Er sollte nur auch poltern und donnern.
Das ist es freilich, worauf es ankommt; aber das ist eben auch das Schwere, dass unsere bessere Natur sich kräftig durchhalte und den Dämonen nicht mehr Gewalt einräume als billig.
Je höher ein Mensch, desto mehr steht er unter dem Einfluss der Dämonen, und er muss nur immer aufpassen, dass sein leitender Wille nicht auf Abwege gerate.

Samstag, 10. September 2011

Sie
Wie schön und wie herrlich, nun sicher einmal
Im Herzen des Liebsten regieren!

Sonntag, 4. September 2011

Du hast recht wohl gethan an meine Mutter zu schreiben, sie wird es ja wohl lesen können. Sie ist dir recht gut denn ich habe ihr erzählt wie du so brav bist und mich so glücklich machst.
Man kommt durch ein schmales Thal, zwischen eingezäunten Matten, und endlich auf die schöne, völlig ebene Fläche, worauf Stanz, nicht zu nahe von hohen Bergen umgeben, liegt. Wir traten im Gasthof zur Krone ein, welcher der Kirche gegenüber auf einem hübschen Platze liegt. In der Mitte steht ein Brunnen, aus dem der alte Winkelried mit den Speeren im Arm gestellt ist. Nikolaus von der Flüe hing in der Stube. Auf gemahlten Fensterscheiben waren über verschiedenen Wappen die Hauptmomente der Schweizer Chronik aufgezeichnet. Wir lasen in einem Buche: Kleiner Versuch einer besondern Geschichte des Freystaats Unterwalden. Lucern 1789. In der Dedikation der sonderbare Titel: Helvetisch großmächtige.

Donnerstag, 1. September 2011

Ich habe niemals einen präsumtuöseren Menschen gekannt als mich selbst, und dass ich das sage, zeigt schon, dass wahr ist, was ich sage. Niemals glaubte ich, dass etwas zu erreichen wäre, immer dacht' ich, ich hätt' es schon. Man hätte mir eine Krone aufsetzen können, und ich hätte gedacht, das verstehe sich von selbst. Und doch war ich gerade dadurch nur ein Mensch wie andere. Aber dass ich das über meine Kräfte Ergriffene durchzuarbeiten, das über mein Verdienst Erhaltene zu verdienen suchte, dadurch unterschied ich mich bloß von einem wahrhaft Wahnsinnigen.

Freitag, 26. August 2011

Erst war ich den Menschen unbequem durch meinen Irrtum, dann durch meinen Ernst. Ich mochte mich stellen, wie ich wollte, so war ich allein.
Die Vernunft in uns wäre eine große Macht, wenn sie nur wüßte, wen sie zu bekämpfen hätte. Die Natur in uns nimmt immerfort eine neue Gestalt an, und jede neue Gestalt wird ein unerwarteter Feind für die gute, sich immer gleiche Vernunft.
Gelassen beobachtende Freunde pflegen gemeiniglich, die genialischen Nachtwandler unsanft mitunter aufzuwecken durch Bemerkungen, die gerade das innerste mystische Leben solcher begünstigten oder, wenn man will, bevorteilten Naturkinder aufheben und zerstören. In meiner besten Zeit sagten mir öfters Freunde, die mich freilich kennen mussten: Was ich lebe sei besser als was ich spreche, dieses besser als was ich schreibe, und das Geschriebene besser als das Gedruckte.

Donnerstag, 11. August 2011

„Es wird“, sagte ich, „auf der Bühne einen ungewohnten Eindruck machen, daß ein Stück als Tragödie anfängt und als Oper endigt. Doch es gehört etwas dazu, die Großheit dieser Personen darzustellen und die erhabenen Reden und Verse zu sprechen.“„Der erste Teil“, sagte Goethe, „erfordert die ersten Künstler der Tragödie, sowie nachher im Teile der Oper die Rollen mit den ersten Sängern und Sängerinnen besetzt werden müssen. Die Rolle der Helena kann nicht von einer, sondern sie muß von zwei großen Künstlerinnen gespielt werden; denn es ist ein seltener Fall, daß eine Sängerin zugleich als tragische Künstlerin von hinlänglicher Bedeutung ist.“


Hieran knüpften sich manche Betrachtungen über die Produktionen unserer neuesten jungen Dichter, und es ward bemerkt, daß fast keiner von ihnen mit einer guten Prosa aufgetreten. „Die Sache ist sehr einfach“, sagte Goethe. „Um Prosa zu schreiben, muß man etwas zu sagen haben; wer aber nichts zu sagen hat, der kann doch Verse und Reime machen, wo denn ein Wort das andere gibt und zuletzt etwas herauskommt, das zwar nichts ist aber doch aussieht, als wäre es was.“


Das ist aber eben das Wesen der Dilettanten, dass sie die Schwierigkeiten nicht kennen, die in einer Sache liegen, und dass sie immer etwas unternehmen wollen, wozu sie keine Kräfte haben.

Donnerstag, 28. Juli 2011

Sie
Wie schön und wie herrlich, nun sicher einmal
Im Herzen des Liebsten regieren!

lmmer tätiger, nach innen und außen fortwirkender, poetischer Bildungstrieb macht den Mittelpunkt und die Base seiner Existenz. Da dieser Trieb rastos ist, so muß er, um sich nicht stofflos selbst zu verzehren, sich nach außen wenden und, da er nicht beschauend, sondern nur praktisch ist, nach außen ihrer Richtung entgegenwirken. Daher die vielen falschen Tendenzen zur bildenden Kunst, zu der er kein Organ, zum tätigen Leben, wozu er keine Biegsamkeit, zu den Wissenschaiten, wozu er nicht genug Beharrlichkeit hat. Da er sich aber gegen alle drei bildend verhält, auf Realität des Stoffs und Gehalts und auf Einheit und Schicklichkeit der Form überall dringen muß, so sind selbst diese falschen Richtungen des Strebens nicht unfruchtbar nach außen und innen.
In Geschäften ist er brauchbar, wenn dasselbe einer gewissen Folge bedarf und zuletzt auf irgendeine Weise ein dauerndes Werk daraus entspringt oder wenigstens unterwegs immer etwas Gebildetes erscheint. Bei Hindernissen hat er keine Biegsamkeit, aber er gibt nach, er widersteht mit Gewalt, er dauert aus oder er wirft weg, je nachdem seine Überzeugung oder seine Stimmung es ihm im Augenblicke gebieten. Er kann alles geschehen lassen, was geschieht und was Bedürfnis, Kunst und Handwerk hervorbringen; nur dann muss er die Augen wegkehren, wenn die Menschen nach Instinkt handeln und nach Zwecken zu handeln sich anmaßen.
Eine Besonderheit, die ihn als Künstler als auch als Menschen immer bestimmt, ist die Reizbarkeit und Beweglichkeit, welche sogleich die Stimmung von dem gegenwärtigen Gegenstand empfängt, und ihn also entweder fliehen oder sich mit ihm vereinigen muß. So ist es mit Büchern, mit Menschen und Gesellschaften; er darf nicht lesen, ohne durch das Buch bestimmt zu werden; er ist nicht gestimmt, ohne dass er, die Richtung sei ihm so wenig eigen als möglich, tätig dagegen zu wirken und etwas Ähnliches hervorzubringen strebt.
Den besondern Charakter seines poetischen Bildungstriebes mögen Andere bezeichnen. Leider hat sich seine Natur sowohl dem Stoff als der Form nach durch viele Hindernisse und Schwierigkeiten ausgebildet und kann erst spät mit einigem Bewußtsein wirken, indes die Zeit der größten Energie vorüber ist. Eine Besonderheit, die ihn sowohl als Künstler als auch als Menschen immer bestimmt, ist die Reizbarkeit und Beweglichkeit, welche sogleich die Stimmung von dem gegenwärtigen Gegenstand empfangt und ihn also entweder fliehen oder sich mit ihm vereinigen muß.

Dienstag, 26. Juli 2011

Auch Nala studierte ich mit Bewunderung und bedauerte nur, daß bei uns Empfindungen, Sitten und Denkweise so verschieden von jener östlichen Nation sich ausgebildet haben, daß ein so bedeutendes Werk unter uns nur wenige, vielleicht nur Leser vom Fache, sich gewinnen möchte.

Samstag, 16. Juli 2011

Er
Nicht so eilig, liebes Kind!
Ei! so schön und spröde!

Vous savez, chère mère, que pareil à bien des hommes supérieurs, Goethe s’accomode volontiers, chez les femmes, d’un niveau intellectuel peu élevé, et qu’il préfère presque chez elles une nature vulgaire à une intelligence plus raffinée. Dans ses relations, il se laisse aller à l’impression du moment, et les maximes ne lui manquent pas pour justifier ses caprices et toutes leurs conséquences.
Wenn man bedenkt, wie weit es die Griechen schon gebracht hatten, was für Kenntnisse bei ihnen blühten, und wie das alles untergegangen ist! dann sich ein bisschen umsieht nach dem, was uns bevorsteht, möchte man sich nur gleich auf die faule Haut legen. Aber man darf doch den Mut nicht verlieren. Es trieb mich auch immer, und ich habe es mir sauer werden lassen.

Montag, 11. Juli 2011

VIII
Dämmrung senkte sich von oben,
Schon ist alle Nähe fern;
Doch zuerst emporgehoben
Holden Lichts der Abendstern!
Alles schwankt ins Ungewisse,
Nebel schleichen in die Höh;
Schwarzvertiefte Finsternisse
Widerspiegelnd ruht der See.

Nun im östlichen Bereiche
Ahnd ich Mondenglanz und -glut,
Schlanker Weiden Haargezweige
Scherzen auf der nächsten Flut.
Durch bewegter Schatten Spiele
Zittert Lunas Zauberschein
Und durchs Auge schleicht die Kühle
Sänftigend ins Herz hinein.

Freitag, 1. Juli 2011

Wir sind Sensualisten, solange wir Kinder sind; Idealisten, wenn wir lieben und in den geliebten Gegenstand Eigenschaften legen, die eigentlich nicht darin sind; die Liebe wankt, wir zweifeln an der Treue und sind Skeptiker, ehe wir es glaubten. Der Rest des Lebens ist gleichgültig, wir lassen es gehen, wie es will, und endigen mit dem Quietismus, wie die indischen Philosophen auch.
Und denn, man muss das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum um uns her immer wieder geprediget wird, und zwar nicht von einzelnen, sondern von der Masse. In Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und Universitäten, überall ist der Irrtum obenauf, und es ist ihm wohl und behaglich, im Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist.
Er
Nicht so eilig, liebes Kind!
Ei! so schön und spröde!

Mittwoch, 22. Juni 2011

Wir können einen jeden Gegenstand der Erfahrung als einen Stoff ansehen, dessen sich die Kunst bemächtigen kann, und da es bei derselben hauptsächlich auf die Behandlung ankommt, so können wir die Stoffe beinahe als gleichgültig ansehen; nun ist aber bei näherer Betrachtung nicht zu leugnen, dass die einen sich der Behandlung bequemer darbieten als die anderen und dass, wenn gewisse Gegenstände durch die Kunst leicht zu überwinden sind, andere dagegen unüberwindlich scheinen. Ob es für das Genie einen wirklich unüberwindlichen Stoff gebe, kann man nicht entscheiden; aber die Erfahrung lehrt uns, dass in solchen Fällen die grössten Meister wohl angenehme und liebenswürdige Bilder gemacht, die aber keineswegs in dem Sinne vollkommen sind, als die, bei welchen der Stoff sie begünstigte. Denn es muss die Kunst sich ja fast schin erschöpfen, um einem ungünstigen Gegenstande dasjenige zu geben, was ein günstiger schon mit sich bringt. Bei den echten Meistern wird man immer bemerken, dass sie da, wo sie völlig freie Hand hatten, jederzeit günstige Gegenstände wählten und sie mit glücklichen Geiste ausführten. Gaben ihnen Religions- oder andere Verhältnisse andere Aufgaben, so suchten sie sich zwar so gut als möglich herauszuziehen, es wird aber immer einem solchen Stück etwas an der höchsten Vollkommenheit, das heisst an innerer Selbständigkeit und Bestimmtheit fehlen.
Wunderbar ist es, dass die neuern, und besonders die neuesten Künstler sich immer die unüberwindlichsten Stoffe aussuchen und auch nicht einmal die Schwierigkeiten ahnen, mit denen zu kämpfen wäre; und ich glaube daher, es wäre schon viel für die Kunst getan, wenn man den Begriff der Gegenstände, die sich selbst darbieten, und anderer, die der Darstellung widerstreben, recht anschaulich und allgemein machen könnte.
Ich leugne nicht, daß der Tod der Becker mir sehr schmerzlich gewesen. Sie war mir in mehr als einem Sinne lieb. Wenn sich manchmal in mir die abgestorbene Lust, fürs Theater zu arbeiten, wieder regte, so hatte ich sie gewiss vor Augen, und meine Mädchen und Frauen bildeten sich nach ihr und ihren Eigenschaften. Es kann größere Talente geben, aber kein für mich anmutigeres. Die Nachricht von ihrem Tode hatte ich lange erwartet; sie überraschte mich in den formlosen Gebirgen. Liebende haben Tränen und Dichter Rhythmen zur Ehre der Toten; ich wünschte, daß mir etwas zu ihrem Andenken gelungen sein möchte.

Donnerstag, 16. Juni 2011

Wir freuten uns über dieses Wort.
„Das wollte ich meinen,“ sagte Goethe. „Schiller mochte sich stellen, wie er wollte, er konnte gar nichts machen, was nicht immer bei weitem größer herauskam als das Beste dieser Neueren; ja, wenn Schiller sich die Nägel beschnitt, war er größer als diese Herren.“
„Aber ich habe doch Personen gekannt,“ fuhr Goethe fort, „die sich über die ersten Stücke Schillers gar nicht zufrieden geben konnten. Eines Sommers in einem Bade ging ich durch einen eingeschlossenen, sehr schmalen Weg, der zu einer Mühle führt. Es begegnete mir der Fürst Putjatin, und da in demselben Augenblick einige mit Mehlsäcken beladene Maultiere auf uns zukamen, so mußten wir ausweichen und in ein kleines Haus treten. Hier, in einem engen Stübchen, gerieten wir nach Art dieses Fürsten sogleich in tiefe Gespräche über göttliche und menschliche Dinge; wir kamen auch auf Schillers Räuber, und der Fürst äußerte sich folgendermaßen: ‚Wäre ich Gott gewesen,’ sagte er, ‚im Begriff, die Welt zu erschaffen, und ich hätte in dem Augenblick vorausgesehen, daß Schillers Räuber darin würden geschrieben werden, ich hätte die Welt nicht erschaffen.’“ Wir mußten lachen. „Was sagen Sie dazu,“ sagte Goethe; „das war doch eine Abneigung, die ein wenig weit ging, und die man sich kaum erklären konnte.“

Dienstag, 24. Mai 2011

Ich konnt' es nur mit schnellen Blicken wagen,
Denn alles schien zu brennen und zu glüh'n.
Da schwebte, mit den Wolken hergetragen,
Ein göttlich Weib vor meinen Augen hin,
Kein schöner Bild sah ich in meinem Leben,
Sie sah mich an und blieb verweilend schweben.

"Kennst du mich nicht?" sprach sie mit einem Munde,
Dem aller Lieb' und Treue Ton entfloß:
"Erkennst du mich, die ich in manche Wunde
Des Lebens dir den reinsten Balsam goß?"

Es war nie meine Art, gegen Institute zu eifern, das schien mir stets Überhebung, und es mag sein, dass ich zu früh höflich wurde. Kurz, es war nicht meine Art, und ich habe deshalb immer nur ein entferntes Ende der Stange leise berührt.
Es ist zu arg, und man kann diese Verfinsterung der Köpfe kaum begreifen. Und weil sie nun auf diesem Wege in der Kunst selbst keine Stütze haben, so suchen sie solche in der Religion und Partei; denn ohne beides würden sie in ihrer Schwäche gar nicht bestehen können.
„Es ist eigen,“ fuhr er fort, „ich habe doch so mancherlei gemacht, und doch ist keins von allen meinen Gedichten, das im lutherischen Gesangbuch stehen könnte.“ Ich lachte und gab ihm recht, indem ich mir sagte, daß in dieser wunderlichen Äußerung mehr liege als es den Anschein habe.
Heute bei Tisch sprachen wir über Cannings treffliche Rede für Portugal.
„Es gibt Leute,“ sagte Goethe, „die diese Rede grob nennen; aber diese Leute wissen nicht, was sie wollen, es liegt in ihnen eine Sucht, alles Große zu frondieren. Es ist keine Opposition, sondern eine bloße Frondation. Sie müssen etwas Großes haben, das sie hassen können. Als Napoleon noch in der Welt war, haßten sie den, und sie hatten an ihm eine gute Ableitung. Sodann als es mit diesem aus war, frondierten sie die heilige Allianz, und doch ist nie etwas Größeres und für die Menschheit Wohltätigeres erfunden worden. Jetzt kommt die Reihe an Canning. Seine Rede für Portugal ist das Produkt eines großen Bewußtseins. Er fühlt sehr gut den Umfang seiner Gewalt und die Größe seiner Stellung, und er hat recht, daß er spricht, wie er sich empfindet. Aber das können diese Sanskülotten nicht begreifen, und was uns andern groß erscheint, erscheint ihnen grob. Das Große ist ihnen unbequem, sie haben keine Ader es zu verehren, sie können es nicht dulden.“

Sonntag, 8. Mai 2011

Gleichwohl kam ich mit Scheu zu Göthe. Die Ostheim und jeder malte ihn ganz kalt für alle Menschen und Sachen auf der Erde - Ostheim sagte, er bewundert nichts mehr, nicht einmal sich - jedes Wort sei Eis, zumal gegen Fremde, die er selten vorlasse - er habe etwas steifes reichstädtisch Stolzes - bloß Kunstsachen wärmen noch seine Herznerven an (daher ich Knebel bat, mich vorher durch einen Mineralbrunnen zu petrifizieren und inkrustieren damit ich mich ihm etwan im vorteilhaften Lichte einer Statue zeigen könnte - Ostheim rät mir überall Kälte und Selbstbewußtsein an). Ich ging, ohne Wärme, aus bloßer Neugierde. Sein Haus (Palast) frappiert, es ist das einzige in Weimar in italienischem Geschmack, mit solchen Treppen, ein Pantheon voll Bilder und Statuen, eine Kühle der Angst presset die Brust - endlich tritt der Gott her, kalt, einsilbig, ohne Akzent. Sagt Knebel z.B., die Franzosen ziehen in Rom ein. «Hm!» sagt der Gott. Seine Gestalt ist markig und feurig, sein Auge ein Licht (aber ohne eine angenehme Farbe). Aber endlich schürete ihn, nicht bloß der Champagner sondern die Gespräche über die Kunst, Publikum etc. sofort an, und - man war bei Göthe. Er spricht nicht so blühend und strömend wie Herder, aber scharf-bestimmt und ruhig. Zuletzt las er uns - d.h. spielte er uns - ein ungedrucktes herrliches Gedicht vor, wodurch sein Herz durch die Eiskruste die Flammen trieb, so daß er dem enthusiastischen Jean Paul (mein Gesicht war es, aber meine Zunge nicht, wie ich denn nur von weitem auf einzelne Werke anspielte, mehr der Unterredung und des Beleges wegen,) die Hand drückte. Beim Abschied tat er´s wieder und hieß mich wiederkommen. Er hält seine dichterische Laufbahn für beschlossen. Beim Himmel wir wollen uns doch lieben. Ostheim sagt, er gibt nie ein Zeichen der Liebe. 1 000 000 Sachen hab´ ich Dir von ihm zu sagen. Auch frisset er entsetzlich. Er ist mit dem feinsten Geschmack gekleidet. - -

Goethe lachte wieder, und zwar sehr geheimnisvoll.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Ich habe dieser Tage einen Brief von Mozart gelesen, wo er einem Baron, der ihm Kompositionen zugesendet hatte, etwa folgendes schreibt: „Euch Dilettanten muss man schelten, denn es finden bei Euch gewöhnlich zwei Dinge statt: entweder Ihr habt keine eigenen Gedanken, und da nehmet Ihr fremde; oder wenn Ihr eigene Gedanken habt, so wisst Ihr nicht damit umzugehen.“ Ist das nicht himmlisch? Und gilt dieses grosse Wort, was Mozart von der Musik sagt, nicht von allen übrigen Künsten?“
„Unsern jungen Malern,“ fuhr Goethe fort, „fehlt es an Gemüt und Geist; ihre Erfindungen sagen nichts und wirken nichts! sie malen Schwerter, die nicht hauen, und Pfeile, die nicht treffen, und es dringt sich mir oft auf, als wäre aller Geist aus der Welt verschwunden.“
„Ich habe nun,“ fuhr Goethe fort, „der deutschen Malerei über fünfzig Jahre zugesehen, ja nicht bloß zugesehen, sondern auch von meiner Seite einzuwirken gesucht, und kann jetzt so viel sagen, daß, so wie alles jetzt steht, wenig zu erwarten ist. Es muß ein großes Talent kommen, welches sich alles Gute der Zeit sogleich aneignet und dadurch alles übertrifft. Die Mittel sind alle da, und die Wege gezeigt und gebahnt. Haben wir doch jetzt sogar auch die Phidiasse vor Augen, woran in unserer Jugend nicht zu denken war. Es fehlt jetzt, wie gesagt, weiter nichts als ein großes Talent, und dieses, hoffe ich, wird kommen; es liegt vielleicht schon in der Wiege und Sie können seinen Glanz noch erleben.“

Dienstag, 19. April 2011

Die empirisch-sittliche Welt besteht grösstenteils nur aus bösem Willen und Neid.

An Voigt


Gehorsamstes pro Memoria.

Gefällig zu gedenken.
1) Der hiesige Gastwirth zum Bären wünscht bey sich ein Billard aufzustellen, ich weiß nicht ob so etwas zulässig ist und von wem die Vergünstigung abhängt; Sie haben ja wohl die Güte mir gelegentlich ein Wörtchen darüber zu sagen.
2) Ein jungen Mediciner von Lobeda, namens Eichelberg, der über seinen besondern Fleiß und guten Charakter die besten Zeugnisse hat, nährt sich auf eine kümmerliche und wirklich erbarmenswürdige Weise. Sollte man nicht zu seiner Unterstützung und wäre es nur ein geringes augenblickliches Gnadengeschenk, erlangen können? irre ich mich nicht so hat er oder seine Mutter schon irgend ein unerhörtes Schreiben eingereicht.

Und wie die Hortensien seid ihr
Bald grün, bald rot, bald blau,
Am Ende gar missfarbig:
Ich kenn euch genau.


Samstag, 9. April 2011

„Im höchsten Grade,“ sagte ich; „aber es ist keine Kunst, geistreich zu sein, wenn man vor nichts Respekt hat.“
Goethe lachte. „Sie haben nicht ganz unrecht,“ sagte er; „man muss freilich zugeben, dass der Poet mehr sagt als man möchte; er sagt die Wahrheit, allein es wird einem nicht wohl dabei und man sähe lieber, dass er den Mund hielte. Es gibt Dinge in der Welt, die der Dichter besser überhüllt als aufdeckt; doch dies ist eben Byrons Charakter, und man würde ihn vernichten, wenn man ihn anders wollte.“


Mittwoch, 6. April 2011

Nicht um Ihre Meynung zu lencken sondern um Ihnen die meinige vorzulegen, ergreife ich die Feder und erspare dadurch dem guten Knebel die Unannehmlichkeit an einer Sache Theil zu nehmen, in der er sowenig als ich rathen und helfen kann. Mit Ihnen zu sprechen möchte in diesen leidenschaftlichen Augenblicken nicht räthlich seyn; wir werden einander nicht überzeugen. Sie haben mir schon geschrieben was ich nicht lesen sollte ich müßte erwarten zu hören was ich nicht hören darf.
1.) Versprach der Herzog in der Puncktation für die Kosten des Studirens der Kinder und für ihr Unterkommen zu sorgen.
2.) Gaben die Herrschaften den Kindern, was nicht in der Puncktation steht, solange sie im elterlichen Hause waren gewisse bestimmte Zuschüsse.
3.) Da Gottfried auf die Academie ging war es Ihre Pflicht den Herzog davon zu benachrichtigen, um die Bestimmung einer Summe, um terminliche Auszahlung zu ersuchen. Der Herzog konnte sich alsdann erklären und durch Stipendien und sonst sich diese Ausgabe erleichtern.
4.) Dies geschah nicht und ebensowenig ward der Herzog wegen der übrigen Kinder begrüßt, da er doch künftig für sie zu sorgen zugesagt hatte.
5.) Vielmehr schickten Sie Augusten nach der Schweiz, ein Schritt der an sich gut und nothwendig seyn konnte, keineswegs aber jedermanns Beyfall erhielt.
6.) Nunmehr, nach Verlauf einiger Jahre, verlangen Sie eine nicht benannte, aber doch, wie es scheint, nahmhafte Summe auf einmal vom Herzog, um den Ausfall zu decken, oder durch die Entfernung Ihrer Kinder in Ihrer Kasse entstanden seyn mag und behaupten der Herzog sey schuldig Ihnen alles was Ihnen fehlt zu erstatten.
7.) Die Worte: ich will für die Kosten des Studieren der Kinder und für deren Unterkommen sorgen, können nicht heisen: macht mit und aus euern Kindern was ihr wollt, gebt für sie aus was ihr wollt, macht mir am Ende von drey vier Jahren die Rechnung, ich will jeden Schritt ausser dem väterlicher Hause, jede Art von Aufwand bezahlen, und wie ich die jungen Leute hernach finde sie versorgen. Weder im Gerichtshof der Ehre noch des Gewissens können sie so ausgelegt werden.
8.) Ich wiederhohle und sage: durch die Versäumniß der Anzeige zur rechten Zeit durch Forterhebung der jährlichen Gaben, durch das Verlangen eines Capitals als Anleihe, durch Annahme auserordentlicher Beyhülfen, welche die Herzoginnen, soviel ich weis, in der Zwischenzeit den Kindern gereicht haben, durch völlige Vernachläßigung des Rathes und der Meynung des Herzogs über die Bestimmung Ihrer Kinder, ist die Sache so verwirrt und getrübt worden, daß die Liquidität Ihrer Forderung wohl schwerlich darzustellen seyn möchte.
9.) Der Herzog, ohne sich aufs Vergange einzulassen, bietet Ihnen ganz neuerlich an: die Promotionskosten Gottfriedens zu bezahlen, und Augusten und Adeln sich besonders zu attachiren. Ihre Sache war, nach meiner Einsicht, dieses Anerbieten mit Vertrauen anzunehmen. Das Geld zur Promotion mußte irgendwo herkommen, Augusten konnte nicht schaden einige Zeit in einer Canzley zu arbeiten, jedem Geschäfts-Mann wäre es nütze und in Chursachsen müssen die welche beym Bergwesen angestellt seyn wollen ihren ganzen Cursum iuris machen. Adel, von dem Sie ganz schweigen, hatte in Eisenach den schönsten Raum sich zu belehren und sich zu zeigen und das Beyspiel von baldiger Versorgung junger Leute, die das Glück hatten sich näher um den Herzog zu beschäftigen und sich hervor zu thun, gab beyden Kindern die besten Aussichten.
10.) Hätte man sich dadurch dem Herzog genähert, den alten Faden wieder angeknüpft, so würde eine nochmalige Vorstellung Ihrer gegenwärtiger gedrängten Lage und ein bescheidnes Gesuch wegen des Vergangnen am Platze gewesen seyn und, wie ich den Herzog kenne keine ungünstige Aufnahme gefunden haben.
11.) Anstatt dessen lehnen Sie, aufs eiligste, mit einer Gleichgiltigkeit die an Verachtung gränzt jenes bedeutende Anerbieten ab, bringen Augusten ohne weiters auf die Academie, um eine, auf den Schweizerbergen angefangne Spielerey, unter dem Titel von Mineralogie und Naturgeschichte, fortzusetzen, sagen nahe zu: wir wollen weder Euern Rath noch Beystand, weder Aussicht noch Versorgung; wir wissen was wir zu thun haben, wir werden es thun, aber wir wollen euer Geld. Sie Beleidigenden Herzog, die Herzoginn, benachrichtigen mich von Ihren übereilten Schritten und fordern mich unter Vorwürfen und Drohungen auf für Sie und die Ihrigen wircksam zu seyn, in dem Augenblick da Sie mir die Gelegenheit dazu aus den Händen reisen.
12.) Wie ich hiernach Ihre heftigen leidenschaftlichen Ausfälle, Ihren Wahn als wenn Sie im vollkommensten Rechte stünden, Ihre Einbildung als wenn niemand ausser Ihnen Begriff von Ehre, Gefühl von Gewissen habe ansehen muß, das können Sie Sich vielleicht einen Augenblick vorstellen. Ich erlaube Ihnen mich, wie einen andern Theaterbösewicht zu hassen, nur bitte ich mich klar zu deuten und nicht zu glauben, daß ich mich im fünften Ackte bekehren werde.
13.) Soviel von der gegenwärtigen Lage. Durch des Herzogs Anerbieten war Ihre Zukunft zum Theil gedeckt, das Vergange (das wir überhaupt einander nicht vorrechnen wollen) ließ sich durch irgend ein Arrangement ins Gleiche bringen und wir konnten wieder zu einer heitern Aussicht gelangen. Aber der Schaden liegt viel tiefer. Ich bedaure Sie daß Sie Beystand von Menschen suchen müssen die Sie nicht lieben und kaum schätzen, an deren Existenz Sie keine Freude haben und deren Zufriedenheit zu befördern Sie keinen Beruf fühlen. Freylich ist es bequemer in extremen Augenblicken auf Schuldigkeit zu pochen als durch eine Reihe von Leben und Betragen das zu erhalten wofür wir doch einmal danckbar seyn müssen. Glauben Sie doch daß man hinter allen Argumenten Ihrer Forderungen Ihr Gemüth durchsieht. Das soll gewiß gut Blut machen wenn August bey seinem kurzen Hierseyn jedem der es hören will sagt: er wähle das Bergwercksfach weil man nicht wisse wie lange die gegenwärtige Verfassung bestehe und man immer Bergleute brauchen werde. Diese Familiengesinnungen sollen einen Fürsten reizen Kinder heranziehen zu helfen und zu versorgen.
So dencke ich und so werde ich dencken wenn nicht ein Wunder oder eine Kranckheit meine Organe verändert, wie Sie dencken sehe ich aus Ihren Briefen, meine Absicht ist nicht auf Sie zu wircken. Ich werde keine Replick auf dieses Blat lesen und von dem Vergangnen kein Wort mehr sprechen.
Können Sie Sich in Absicht auf die Unterhaltung und Versorgung der Kinder dem Herzog nähern, können Sie wegen der Zukunft und wegen des Vergangnen billige Vorschläge thun, so lassen Sie mich sie durch Knebeln wissen. Ich weiß wohl daß man dem das mögliche nicht danckt von dem man das unmögliche gefordert hat; aber das soll mich nicht abhalten für Sie und die Ihrigen zu thun was ich thun kann.
W. d. 30. O. 95.

Donnerstag, 24. März 2011

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh und trüber Zeit
Wandle zwischen Freud und Schmerz
In der Einsamkeit.


Dienstag, 22. März 2011

Beim ›Werther‹ und ›Faust‹ mußte ich dagegen wieder in meinen eigenen Busen greifen, denn das Überlieferte war nicht weit her. Das Teufels- und Hexenwesen machte ich nur einmal; ich war froh mein nordisches Erbtheil verzehrt zu haben, und wandte mich zu den Tischen der Griechen. Hätte ich aber so deutlich wie jetzt gewußt, wie viel Vortreffliches seit Jahrhunderten und Jahrtausenden da ist, ich hätte keine Zeile geschrieben, sondern etwas anderes gethan.

Freitag, 11. März 2011

Zuerst muss ich Ihnen sagen, dass von allen meinen Werken meine Frau keine Zeile gelesen hat. Das Reich des Geistes hat kein Dasein für sie, für die Haushaltung ist sie geschaffen. Hier überhebt sie mich aller Sorgen, hier lebt und webt sie; es ist ihr Königreich.
Lorsque je l’ai suivi pendant quelque temps effleurant tous les sujets et se maintenant toujours à des hauteurs inaccessibles, mon intelligence me refuse tout service et le sentiment de mon infériorité m’écrase. Je me rends compte que c’est l’effet qu’il recherche et qui le flatte le plus. Un même jour il est venu quatre fois: dans la matinée pour m’aider dans la copie que je fais de sa carte des hauteurs, ensuite pour me rendre le journal le journal de notre internement qu’il avait demandé à lire, puis pour nous apporter des verres de couleur relatifs à son travail; enfin, dans la soirée, pour s’excuser de ne pouvoir venir souper.
Den folgenden Tag fuhr Goethe mit mir nach Jena, wo wir bis zum 18. Dezember inclusive blieben, und erklärte sich im Gespräch mit mir über Bettine nicht eben als leidenschaftlicher Liebhaber, sondern nur als Bewunderer ihres geistreichen, aber auch barocken Wesens.

Mittwoch, 2. März 2011

Seid mir willkommen, süsse Buhlerinnen,
Denn ihr allein verschönt uns doch die Welt;
Ihr lasset uns im Augenblick gewinnen,
Was Prüderie uns jahrelang verhält.
Was sie nicht fühlt, sie weiß es zu ersinnen,
Wie selbstgefällig froh sie sich verstellt;
Von Eva her geschaffen zum Betrügen,
Sie kleidet nichts so gut, als wenn sie lügen.

Wir werden also auch mit der Herde ins Verderben rennen.
… das, was Lavater irgendwo sagt: „Es ist in diesem Erdenleben mächtige Erquickung, Menschen zu finden, die an unser Herz glauben und an welche das Herz glauben darf“ – ist ihm hier worden und hat mächtig sein Innerstes aufgerührt.
Ich wünschte ich käme mir selbst so harmonisch vor wie dieser schönen Seele und wäre neugierig zu wissen wie sie von mir dächte wenn wir ein Jahr zusammen gelebt hätten, in den ersten Tagen ist und bleibt immer viel Schein.

Freitag, 25. Februar 2011

Wie die Natur die innig reiche Brust
Mit einem grünen, bunten Kleide deckt,
So hüllt er alles was den Menschen nur
Ehrwürdig, liebenswürdig machen kann,
Ins blühende Gewand der Fabel ein.
Zufriedenheit, Erfahrung und Verstand
Und Geisteskraft, Geschmack und reiner Sinn
Fürs wahre Gute, geistig scheinen sie
In seinen Liedern und persönlich doch
Wie unter Blütenbäumen auszuruhn,
Bedeckt vom Schnee der leicht getragnen Blüten,
Umkränzt von Rosen, wunderlich umgaukelt
Vom losen Zauberspiel der Amoretten.
Der Quell des Überflusses rauscht darneben,
Und lässt uns bunte Wunderfische sehn.
Von seltenem Geflügel ist die Luft,
Von fremden Herden Wies und Busch erfüllt,
Die Schalkheit lauscht im Grünen halb versteckt,
Die Weisheit lässt von einer goldnen Wolke
Von Zeit zu Zeit erhabne Sprüche tönen,
Indes auf wohl gestimmter Laute wild
Der Wahnsinn hin und her zu wühlen scheint
Und doch im schönsten Takt sich mässig hält.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Hemsterhuis' Philosophie, die Fundamente derselben, seinen Ideengang konnt' ich mir nicht anders zu eigen machen, als wenn ich sie in meine Sprache übersetzte. Das Schöne und das an demselben Erfreuliche sei, so sprach er sich aus, wenn wir die größte Menge von Vorstellungen in einem Moment bequem erblicken und fassen; ich aber mußte sagen: das Schöne sei, wenn wir das gesetzmäßig Lebendige in seiner größten Tätigkeit und Vollkommenheit schauen, wodurch wir, zur Reproduktion gereizt, uns gleichfalls lebendig und in höchste Tätigkeit versetzt fühlen. Genau betrachtet, ist eins und ebendasselbe gesagt, nur von verschiedenen Menschen ausgesprochen, und ich enthalte mich, mehr zu sagen; denn das Schöne ist nicht sowohl leistend als versprechend, dagegen das Häßliche, aus einer Stockung entstehend, selbst stocken macht und nichts hoffen, begehren und erwarten läßt. 

Dienstag, 22. Februar 2011

Du kamst, und ich sagte Dir recht kurz (und ich schränkte mich recht ein dabei, im Streichlen und Küssen), wie Du mir wert seist.
Über's Niederträchtige
Niemand sich beklage:
Denn es ist das Mächtige,
Was man dir auch sage.
Zu dem glücklichen Zusammentreffen mit Fernow wünsche ich Ihnen beyden Glück, so wie, daß es von einiger Dauer seyn möge. In welchen seltsamen Conflict Fernow in Deutschland, besonders in Jena kommen wird, davon haben Sie selbst, ob Sie gleich vor kurzem in diese Complicationen hineingeschaut haben, keinen Begriff. Die ganze deutsche Masse, der, ich will nicht sagen Theoretisirenden, wenigstens Didacktisirenden, vom Gründlichsten biß zum Flächsten, trennt sich in zwey Haupttheile, die leicht zu unterscheiden sind, deren Untertrennungen aber, in einem ewigen Wechsel des Anziehens und Abstoßens durch einander gehen, so daß man beym Erwachen Morgens den als Widersacher antrifft, von dessen Theilnahme und Neigung beruhigt man gestern Abend zu Bette ging.

Ich habe den besten Willen gegen Fernow, aber es hängt keinesweges von uns ab, zusammen in gutem Verhältniß zu bleiben. Weil alle die Haufen klein sind, in die sich die Parteien trennen, so ist es ein ewiges Hetzen, Werben, Compromittiren, wobey niemand gewinnt, als die die nichts zu verlieren haben.

Gesegnet also der auf dem Berge der Dreyfaltigkeit wohnet! und den solche absurde Bewegungen nicht anwehen.

Freitag, 4. Februar 2011

Das was edle Philosophen von der Welt gesagt haben, gilt auch von Shakespearen, das was wir bös nennen, ist nur die andre Seite vom Guten, die so nothwendig zu seiner Existenz, und in das Ganze gehört, als Zona torrida brennen, und Lapland einfrieren muss, dass es einen gemäsigten Himmelsstrich gebe. Er führt uns durch die ganze Welt, aber wir verzärtelte unerfahrne Menschen schreien bey ieder fremden Heuschrecke die uns begegnet: Herr, er will uns fressen.
Ihr seid noch immer da! Nein, das ist unerhört.
Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt!
Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel.
Wir sind so klug, und dennoch spukt’s in Tegel.
Wie lange hab’ ich nicht am Wahn hinausgekehrt,
Und nie wird’s rein; das ist doch unerhört!

Sonntag, 30. Januar 2011

Wäre ein Einzelner, der über alle hervorragte, so wäre es gut, denn der Welt kann nur mit dem Außerordentlichen gedient sein.
Ich ging diesen Abend um sechs Uhr zu Goethe, den ich allein fand, und mit dem ich einige schöne Stunden verlebte.
Alles, was wir tun, hat eine Folge. Aber das Kluge und Rechte bringt nicht immer etwas Günstiges, und das Verkehrte nicht immer etwas Ungünstiges hervor, vielmehr wirkt es oftmals ganz im Gegenteil.

Sonntag, 16. Januar 2011

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen,
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

Montag, 3. Januar 2011

Und nun zum Schluss, ob ich gleich noch nicht angefangen habe.