Mittwoch, 22. Juni 2011

Wir können einen jeden Gegenstand der Erfahrung als einen Stoff ansehen, dessen sich die Kunst bemächtigen kann, und da es bei derselben hauptsächlich auf die Behandlung ankommt, so können wir die Stoffe beinahe als gleichgültig ansehen; nun ist aber bei näherer Betrachtung nicht zu leugnen, dass die einen sich der Behandlung bequemer darbieten als die anderen und dass, wenn gewisse Gegenstände durch die Kunst leicht zu überwinden sind, andere dagegen unüberwindlich scheinen. Ob es für das Genie einen wirklich unüberwindlichen Stoff gebe, kann man nicht entscheiden; aber die Erfahrung lehrt uns, dass in solchen Fällen die grössten Meister wohl angenehme und liebenswürdige Bilder gemacht, die aber keineswegs in dem Sinne vollkommen sind, als die, bei welchen der Stoff sie begünstigte. Denn es muss die Kunst sich ja fast schin erschöpfen, um einem ungünstigen Gegenstande dasjenige zu geben, was ein günstiger schon mit sich bringt. Bei den echten Meistern wird man immer bemerken, dass sie da, wo sie völlig freie Hand hatten, jederzeit günstige Gegenstände wählten und sie mit glücklichen Geiste ausführten. Gaben ihnen Religions- oder andere Verhältnisse andere Aufgaben, so suchten sie sich zwar so gut als möglich herauszuziehen, es wird aber immer einem solchen Stück etwas an der höchsten Vollkommenheit, das heisst an innerer Selbständigkeit und Bestimmtheit fehlen.

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