Ich
mußte, als ich Goethen vor mir hatte, alles fahren lassen, was die langjährige,
tiefgenährte Bekanntschaft mit dem Dichter mir einflößen gekonnt, um nur mit
dem neubekannten wirksamen Menschen beschäftigt zu sein, der mild, freundlich,
treuherzig, anmüthig, geistvoll, kraftreich, mir das Bild eines ganzen Menschen
– wenn dieser geringe Ausdruck der hohen Bedeutung fähig ist – in vollständig
ausgebreiteter, großartiger, schöner Lebensentwickelung vergegenwärtigte. Das
seltene Glück – hier wohl unverdient, doch nicht unwürdig empfangen – einer so
milden und biedern Aufnahme, als sei ich ein alter Freund, der längst erwartet
worden, mußte mich umsomehr überraschen, als ich die scheue Zurückhaltung, die
ihm sooft vorgeworfen worden, in den schriftlichen Berührungen, die ich mit ihm
gehabt, nicht ganz hatte vermissen können. Nach der ersten Begrüßung, wobei er
mir die Hand reichte, sprachen wir gleich sehr vertraut, und bald nachher hielt
er inne, hielt mir seine Hand hin und rief mit Innigkeit: »Sie müssen mir
nochmal die Hand geben!« –