Das menschliche Geschlecht hat
also unstreitig eine sehr schöne Seite. Aber was wollen wir uns schmeicheln?
Sie wird von der häßlichen fast ganz verdunkelt. Ich erröthe, ich erschrecke,
wenn ich die unzähligen Ausbrüche des Unsinns, die schwarzen Thaten, die
Schande, womit so viele Menschen ihr Geschlecht gebrandmarkt haben, überdenke;
wenn ich die Zahl und die Größe der Uebel bedenke, die uns drücken. Regellose,
thierische Leidenschaften, die am gefährlichsten werden, wenn sie der Witz in
seinen Schutz nimmt; niederträchtige Selbstheit, die alles in ihren Strudel
hineinzieht, was sie erreichen kann; Vergessenheit der heiligsten, unwidersprechlichsten
Pflichten, die wir gegen unsern Schöpfer und Oberherrn, gegen die Welt und die
menschliche Gesellschaft haben; schändliche Heuchelei, womit man den
Allwissenden selbst zu betrügen glaubt; Aberglauben, der der Ruhe und Ordnung
des menschlichen Geschlechts allein mehr geschadet hat, als alle übrige Laster;
Tyrannen und willkürliche Gewalt – mit einem Wort, ein so tiefer Grad der
Unordnung, daß ich mir, unmittelbar unter demselben, nichts Anderes als ein
moralisches Chaos denken kann.
Freitag, 18. November 2016
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