Nehmet ihm die Vernunft und lasset nur das Thier übrig: der Mensch
wird in einem sehr kleinen Kreise empfinden, er wird immer die gleichen Vorstellungen haben, er wird wenigen
Trieben der Natur immer gleich genug thun; jeder Tag wird ihm der vorige seyn,
er wird eine Uhr seyn, die immer gleich läuft, bis sie die Bewegung verliert.
Ein Thier ist nicht Meister weder über die Eindrücke, die es von außen bekommt,
noch über die Triebe, die dadurch erregt werden. Es kann weder seine Freuden
vergrößern, noch seine Schmerzen verringern. Der Mensch empfindet fast jedes
Vergnügen dreifach und jedes Mal mit eigenen Reizungen begleitet. Er sieht es
zum voraus, er genießt es, eh' es da ist, und die Hoffnung vergrößert es vor
seinen Augen. Nachdem er es genossen hat, kann er es wieder erneuern, so oft er
will, und vermittelst einer kleinen Entzückung, welche durch die wunderbaren
Triebfedern der Imagination hervorgebracht wird, es fast bis zur Lebhaftigkeit
der wirklichen Empfindung erhöhen. Seine Gefühle sind feiner, ordentlicher und
verknüpfter, und sie sind auch mehr in seiner Gewalt. Selbst die widrigen sind
es; denn er kann sie verkleinern, entfernen oder mit angenehmen Farben
übermalen; ja, so groß ist die Gewalt der Vernunft, daß sie aus dem Schmerz
selbst Vergnügen erzwingen kann. So große Einflüsse hat die Vernunft auf die
sinnlichen Kräfte der Seele. Sie erhöhet, verschönert und erweitert sie und
adelt das Thier zu einer Art von Engeln.
Freitag, 26. August 2016
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen