Freitag, 26. August 2016


Nehmet ihm die Vernunft und lasset nur das Thier übrig: der Mensch wird in einem sehr kleinen Kreise empfinden, er wird immer die  gleichen Vorstellungen haben, er wird wenigen Trieben der Natur immer gleich genug thun; jeder Tag wird ihm der vorige seyn, er wird eine Uhr seyn, die immer gleich läuft, bis sie die Bewegung verliert. Ein Thier ist nicht Meister weder über die Eindrücke, die es von außen bekommt, noch über die Triebe, die dadurch erregt werden. Es kann weder seine Freuden vergrößern, noch seine Schmerzen verringern. Der Mensch empfindet fast jedes Vergnügen dreifach und jedes Mal mit eigenen Reizungen begleitet. Er sieht es zum voraus, er genießt es, eh' es da ist, und die Hoffnung vergrößert es vor seinen Augen. Nachdem er es genossen hat, kann er es wieder erneuern, so oft er will, und vermittelst einer kleinen Entzückung, welche durch die wunderbaren Triebfedern der Imagination hervorgebracht wird, es fast bis zur Lebhaftigkeit der wirklichen Empfindung erhöhen. Seine Gefühle sind feiner, ordentlicher und verknüpfter, und sie sind auch mehr in seiner Gewalt. Selbst die widrigen sind es; denn er kann sie verkleinern, entfernen oder mit angenehmen Farben übermalen; ja, so groß ist die Gewalt der Vernunft, daß sie aus dem Schmerz selbst Vergnügen erzwingen kann. So große Einflüsse hat die Vernunft auf die sinnlichen Kräfte der Seele. Sie erhöhet, verschönert und erweitert sie und adelt das Thier zu einer Art von Engeln.

Keine Kommentare: