Daß ich dir's mit einem Worte sage: mich
selbst, ganz wie ich da bin, auszubilden, das war dunkel von Jugend auf mein
Wunsch und meine Absicht. Noch hege ich ebendiese Gesinnungen, nur daß mir die
Mittel, die mir es möglich machen werden, etwas deutlicher sind.
Freitag, 24. Januar 2014
Wäre ich ein Edelmann, so wäre unser Streit bald abgetan; da ich aber
nur ein Bürger bin, so muß ich einen eigenen Weg nehmen, und ich wünsche, daß
du mich verstehen mögest. Ich weiß nicht, wie es in fremden Ländern ist, aber
in Deutschland ist nur dem Edelmann eine gewisse allgemeine, wenn ich sagen
darf personelle Ausbildung möglich. Ein Bürger kann sich Verdienst erwerben und
zur höchsten Not seinen Geist ausbilden; seine Persönlichkeit geht aber
verloren, er mag sich stellen, wie er will. Indem es dem Edelmann, der mit den
Vornehmsten umgeht, zur Pflicht wird, sich selbst einen vornehmen Anstand zu
geben, indem dieser Anstand, da ihm weder Tür noch Tor verschlossen ist, zu
einem freien Anstand wird, da er mit seiner Figur, mit seiner Person, es sei
bei Hofe oder bei der Armee, bezahlen muß: so hat er Ursache, etwas auf sie zu
halten und zu zeigen, daß er etwas auf sie hält.
Dienstag, 21. Januar 2014
Samstag, 11. Januar 2014
Eine gewisse feierliche Grazie bei gewöhnlichen Dingen, eine Art von
leichtsinniger Zierlichkeit bei ernsthaften und wichtigen kleidet ihn wohl,
weil er sehen läßt, daß er überall im Gleichgewicht steht. Er ist eine
öffentliche Person, und je ausgebildeter seine Bewegungen, je sonorer seine
Stimme, je gehaltner und gemessener sein ganzes Wesen ist, desto vollkommner
ist er. Wenn er gegen Hohe und Niedre, gegen Freunde und Verwandte immer
ebenderselbe bleibt, so ist nichts an ihm auszusetzen, man darf ihn nicht
anders wünschen. Er sei kalt, aber verständig; verstellt, aber klug. Wenn er
sich äußerlich in jedem Momente seines Lebens zu beherrschen weiß, so hat
niemand eine weitere Forderung an ihn zu machen, und alles übrige, was er an
und um sich hat, Fähigkeit, Talent, Reichtum, alles scheinen nur Zugaben zu
sein.
Wenn der Edelmann im gemeinen Leben gar keine Grenzen kennt, wenn man
aus ihm Könige oder königähnliche Figuren erschaffen kann, so darf er überall
mit einem stillen Bewußtsein vor seinesgleichen treten; er darf überall
vorwärtsdringen, anstatt daß dem Bürger nichts besser ansteht als das reine,
stille Gefühl der Grenzlinie, die ihm gezogen ist. Er darf nicht fragen: ›Was
bist du?‹ sondern nur: ›Was hast du? welche Einsicht, welche Kenntnis, welche
Fähigkeit, wieviel Vermögen?‹ Wenn der Edelmann durch die Darstellung seiner
Person alles gibt, so gibt der Bürger durch seine Persönlichkeit nichts und
soll nichts geben. Jener darf und soll scheinen; dieser soll nur sein, und was
er scheinen will, ist lächerlich oder abgeschmackt. Jener soll tun und wirken,
dieser soll leisten und schaffen; er soll einzelne Fähigkeiten ausbilden, um
brauchbar zu werden, und es wird schon vorausgesetzt, daß in seinem Wesen keine
Harmonie sei noch sein dürfe, weil er, um sich auf eine Weise brauchbar zu
machen, alles übrige vernachlässigen muß.
An diesem Unterschiede ist nicht etwa die
Anmaßung der Edelleute und die Nachgiebigkeit der Bürger, sondern die
Verfassung der Gesellschaft selbst schuld; ob sich daran einmal etwas ändern
wird und was sich ändern wird, bekümmert mich wenig; genug, ich habe, wie die
Sachen jetzt stehen, an mich selbst zu denken und wie ich mich selbst und das,
was mir ein unerläßliches Bedürfnis ist, rette und erreiche.
Dienstag, 7. Januar 2014
Ich habe nun einmal gerade zu jener harmonischen Ausbildung meiner
Natur, die mir meine Geburt versagt, eine unwiderstehliche Neigung. Ich habe,
seit ich dich verlassen, durch Leibesübung viel gewonnen; ich habe viel von
meiner gewöhnlichen Verlegenheit abgelegt und stelle mich so ziemlich dar.
Ebenso habe ich meine Sprache und Stimme ausgebildet, und ich darf ohne
Eitelkeit sagen, daß ich in Gesellschaften nicht mißfalle. Nun leugne ich dir
nicht, daß mein Trieb täglich unüberwindlicher wird, eine öffentliche Person zu
sein und in einem weitern Kreise zu gefallen und zu wirken. Dazu kömmt meine
Neigung zur Dichtkunst und zu allem, was mit ihr in Verbindung steht, und das
Bedürfnis, meinen Geist und Geschmack auszubilden, damit ich nach und nach auch
bei dem Genuß, den ich nicht entbehren kann, nur das Gute wirklich für gut, und
das Schöne für schön halte.
Du siehst wohl, daß das alles für mich nur auf
dem Theater zu finden ist und daß ich mich in diesem einzigen Elemente nach
Wunsch rühren und ausbilden kann. Auf den Brettern erscheint der gebildete
Mensch so gut persönlich in seinem Glanz als in den obern Klassen; Geist und
Körper müssen bei jeder Bemühung gleichen Schritt gehen, und ich werde da so
gut sein und scheinen können als irgend anderswo. Suche ich daneben noch
Beschäftigungen, so gibt es dort mechanische Quälereien genug, und ich kann
meiner Geduld tägliche Übung verschaffen.
Mein Wesen treibe ich, wie du dir es allenfalls denken kannst, und
schicke mich nach und nach immer beßer in das beschwerliche meiner Ämter,
schnalle mir die Rüstung nach dem Leibe zurecht, und schleife die Waffen auf
meine eigene Weise. Meine übrigen Liebhabereyen gehen nebenher und ich erhalte
sie immer durch ein oder die andere Zubuse, wie man gangbare Gruben nicht gerne
aufläßig werden läßet, so lange als noch einige Hoffnung von künftigen
Vortheilen scheinen will.
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