Mittwoch, 30. April 2008

Wir sprachen viel von Goethe und seinem Prinzip: sich über unangenehme Dinge und über die Notwendigkeit dadurch zu erheben, dass man sich ihnen freiwillig ergebe und zur Einsicht in ihre Notwendigkeit sich aufzuschwingen strebe.
Ein unzulängliches Wahre wirkt eine Zeitlang fort, statt völliger Aufklärung aber tritt auf einmal ein blendendes Falsche herein; das genügt der Welt, und so sind Jahrhunderte betört.

Freitag, 25. April 2008

Zu seinem Diener Stadelmann sprach er einmal leise: »Du glaubst nicht, wie elend ich bin, wie sehr krank!« Den Ärzten gab er öfters auf, sich ernstlich über seinen Zustand zu bedenken, indem er einigen Unglauben an ihrer Kunst merken ließ. »Treibt nur Eure Künste! Das ist alles recht gut, aber Ihr werdet mich doch wol nicht retten.« Mehrmalen verlangte er ein warmes Bad, das man jedoch für zu gewagt hielt. Einmal, als die Ärzte sich leise miteinander beredet hatten, sagte er: »Da gehen die Jesuiten hin! Berathen können sie sich wol, aber nicht rathen und retten.« Er jammerte, daß jeder ihm willkührlich verfluchtes Zeug zu schlucken gebe, und daß man die guten Kinder Ottilie und Ulrike mißbrauche, es ihm beizubringen.
Er fühle sich gerade in der Disposition, fromm zu werden, und denke es sich gar schön, ein vorgehaltenes Altartuch mit dem Lämmlein und einer Kreuzesfahne gläubig anzublicken.
Unvergessliche, herrliche Worte, aus tiefster Menschenkenntnis hervorgegangen.
»Hätte ich das Unglück in der Opposition sein zu müssen, ich würde lieber Aufruhr und Revolution machen, als mich im finstern Kreise ewigen Tadels des Bestehenden herumtreiben. Ich habe nie im Leben mich gegen den übermächtigen Strom der Menge oder der herrschenden Princips in feindliche, nutzlose Opposition stellen mögen; lieber habe ich mich in mein eigenes Schneckenhaus zurückgezogen und da nach Belieben gehauset. Zu was das ewige Opponiren und übellaunige Kritisiren und Regiren führt, sehen wir an Knebeln: es hat ihn zum unzufriedensten, unglücklichsten Menschen gemacht; sein Inneres, gleich einem Krebs, ganz unterfressen; nicht zwei Tage kann man mit ihm in Frieden leben, weil er alles angreift, was einem lieb ist.«

Wir kamen aus die Landtagswahlen und auf die Glieder des Regierungscollegiums zu sprechen, die ich ihm nach ihrer Individualität schildern mußte. Riemer's gegenwärtige Verstimmung gab Anlaß sich über ihn auszusprechen. »Er hat mehr Talent und Wissen,« bemerkte Goethe, »als er nach dem Maße seiner Charakterstärke ertragen kann.«

Ich suchte Goethen vorsichtig dahin zu bringen, daß er zu Riemer's Ermuthigung durch freundliche Attention beitragen möge, was denn auch seine gute Wirkung hatte. Nun kam er auf eine förmliche Theorie der Unzufriedenheit. »Was wir in uns nähren, das wächst; das ist ein ewiges Naturgesetz.Es gibt ein Organ des Mißwollens, der Unzufriedenheit in uns, wie es eines der Opposition, der Zweifelsucht gibt. Je mehr wir ihm Nahrung zuführen, es üben, je mächtiger wird es, bis es sich zuletzt aus einem Organ in ein krankhaftes Geschwür umwandelt und verderblich um sich frißt. Dann setzt sich Reue, Vorwurf und andere Absurdität daran, wir werden ungerecht gegen andere und gegen uns selbst. Die Freude am fremden und eignen Gelingen und Vollbringen geht verloren; aus Verzweiflung suchen wir zuletzt den Grund alles Übels außer uns, statt es in unsrer Verkehrtheit zu finden. Man nehme doch jeden Menschen, jedes Ereigniß in seinem eigentlichen Sinne, gehe aus sich heraus, um desto freier wieder bei sich einzukehren.«
„Denn“, sagte er, „in der Jugend glaubt man noch an die Möglichkeit einer Ausgleichung und Vereinbarung; in ältern Jahren aber sieht man diesen grossen Irrtum ein und hält das Ungleichartige und Unzusagende geradezu von sich ab.“
Toutes ces dames donnaient à Goethe le nom de Vater, elles l’ont en profonde vénération et l’entourent de leurs soins et de leurs caresses comme une idole.
... und seine ganze Haltung war die eines gut gekleideten, ehrwürdigen, altmodischen Inspektors.
In der letzten halben Stunde ward der Meister immer in sich gekehrter, abbrechender, - er schien körperlich zu leiden, der besorgte Sohn mahnte mit Recht an den Rückzug, und so schied ich um 8 ½ Uhr ganz besorgt und betrübt.

Sonntag, 20. April 2008

Tod des Herzogs von Gotha. Verwirrender ängstigender Nachhall von den gestrigen Gesprächen mit Goethe.
Koch war ganz entzückt über die freundliche Aufnahme von seiten Goethes, den er sich mit steifer Haltung und einem ernsten, auf das Gewürm herabblickenden Gesicht gedacht hatte.
... da ich jedoch Goethes Isolierungs-System in solchen Fällen kenne und wie billig achte ...
Herders Frau sei an allem schuld gewesen, mit ihrem unbiegsamen Spatzenkopf …
Immer wieder quälten ihn Endzeitvisionen. „Wir armen Künstler dieser letzten Zeiten“, heisst es 1797 an Schiller. 1808 gedachte Goethe, wie der alte Diokletian in Spalato „als letzter Heide zu leben und zu sterben“. 1826 glaubte er, in einer „rückschreitenden“ Zeit zu leben; 1831 fürchtete er eine neue Barbarei. … Er sah die „Zeit kommen, wo Gott keine Freude mehr an den Menschen hat und er abermals alles zusammenschlagen muss zu einer verjüngten Schöpfung“.
Wenn man sieht, wie die Welt überhaupt, und besonders die junge, nicht allein ihren Lüsten und Leidenschaften hingegeben ist, sondern wie zugleich das Höhere und Bessere an ihnen durch die ernsten Torheiten der Zeit verschoben und verfratzt wird, so daß ihnen alles, was zur Seligkeit führen sollte, zur Verdammnis wird, unsäglichen äußern Drang nicht gerechnet, so wundert man sich nicht über Untaten, durch welche der Mensch gegen sich selbst und andere wütet. Ich getraute mir, einen neuen "Werther" zu schreiben, über den dem Volke die Haare noch mehr zu Berge stehn sollten als über den ersten. Laß mich noch eine Bemerkung hinzufügen. Die meisten jungen Leute, die ein Verdienst in sich fühlen, fordern mehr von sich als billig. Dazu werden sie aber durch die gigantische Umgebung gedrängt und genötigt. Ich kenne deren ein halb Dutzend, die gewiß auch zugrunde gehn und denen nicht zu helfen wäre, selbst wenn man sie über ihren wahren Vorteil aufklären könnte.
Wer nicht von dreitausend Jahren
Sich weiß Rechenschaft zu geben,
Bleib im Dunkeln unerfahren,
Mag von Tag zu Tage leben.
Niemand bedenkt leicht, daß uns Vernunft und ein tapferes Wollen gegeben sind, damit wir uns nicht allein vom Bösen, sondern auch vom Übermaß des Guten zurückhalten.

Dienstag, 15. April 2008

„Um das Unmögliche möglich zu machen, muss sich der Mensch nur mit rastlosem Streben daranmachen. Sah ich doch voriges Jahr in Dornburg einen Indianer sich einen ellenlangen Degen in den Schlund hineinstecken, wozu mehrjähriges tägliches Fortprobieren ihn geführt hatte.“
Da ich einmal diese lobenswerten Eigenheiten Goethes berühre, so füge ich noch hinzu: dass er Eleganz, Nettigkeit und gefälliges Aussehen auch bei dem kleinsten Geschäft anzubringen sich bemüht, und, weil seine Umgebung trotz dem besten Willen ihm mit ihrem Beistande nicht Genüge leistet, vieles mit eigenen Händen macht, um es nach seiner Art getan zu sehen. So muss ich bei Briefen, sie mögen an Vornehme oder Geringe sein, stets mich bemühen, an allen Seiten einen breiten gefälligen Raum zu lassen, und ich ernte jedesmal ein Lob ein, wenn es mir glückt, den Brief so einzuteilen, dass alle Seiten gleich voll sind.
Wie er nun gewohnt ist, immer für sich einzelne Worte zu sprechen, oder zu brummen, so höre ich meist bei solchen Gelegenheiten sein: „Nur still! - Nur ruhig!“
Als wir auf einige in Untersuchung begriffene Beamte von ganz untergeordneter Bedeutung zu reden kamen, äußerte Goethe: »Überall überspannte Ansprüche auf Lebensgenuß, überall die dunkle Meinung, es sei alles zu wagen, es werde alles durchgehen. Es fehlt an einer im stillen fortgesetzten Aufsicht von oben her, einer geheimen Ehren-Polizei; selbst Schumanns Bankrutt – nehmt mir das unter vier Augen nicht übel – hätte ohne grosse Inadvertenz der Vorgesetzten sich nicht ereignen können.«
Von Schubarth's Bruder sagte Goethe: er sei ein auf Landwirthschaft gerichteter, gar liebenswürdiger, heiterer, verständiger Mensch, viel realer, sinnlicher, fester als der Schriftsteller. Er hätte ihn gern hierher empfohlen, wenn er anders noch den geringsten Glauben an das Gelingen solcher Unternehmungen hätte. Man müsse aber niemanden mehr hierher empfehlen, unser Zustand sei allzusehr untergraben.

Sonntag, 13. April 2008

Er meinte, dem Goethe fehle jetzt sehr sein ehemaliger behaglicher Abendkreis, wo ihm die jungen Sängerinnen, was er so gewünscht, vorgesungen und sich alles von ihm gefallen lassen hätten, der Kreis von Bekannten seiner Schwiegertochter sei ihm etwas zu vornehm geschoren und zu weise, er könne sich nicht so nach seiner Bequemlichkeit auslassen. Es scheint mir etwas Wahres an der Sache, und das erklärt auch, wie die Frau Geheimrätin weiland bei allen ihren Fehlern doch eine angenehme Umgebung schaffen konnte, die er nachher lange vermisste.
Herr von Knebel war ein alter Mann mit intelligenten Zügen, aber dabei etwas grämlicher Miene, mit ergrauten Haaren und einem kleinen schwarzen Käppchen auf dem Kopfe. Frau von Knebel fiel mir gleich auf durch ihr sonderbares Kostüm. Sie war eine Frau vielleicht in der Mitte der Vierziger und mochte wohl einmal ein pikantes Gesicht gehabt haben; jetzt aber war sie mager und vergilbt und hatte etwas Unstetes und Flüchtiges in ihrem Wesen und in dem Ausdruck ihrer Züge.
... Als ich die Bemerkung machte, wie sehr sie doch vom Schicksal begünstigt sei, dass es ihr geworden wäre, ihr ganzes Leben im nahen Verkehr mit den ausgezeichnetsten Männern ihrer Zeit durchleben zu können, wie fördernd dies für das eigene Ich sein müsste, wie vieles durch einen solchen Umgang geweckt und ausgebildet werden könnte, was durch das blosse Lesen ihrer Schriften doch so nie zu erreichen sei, erhielt ich eine Antwort, die ich gewiss nicht erwartet hatte. „Ja, meine Liebe“, erwiderte sie, „ich will ihnen sagen, das kommt alles darauf an, wie der Mensch nun gerade ist; mir zum Beispiel hat dies alles gar nichts geholfen, der Wieland pflegte immer zu sagen: Das weiss auch Gott, die Knebel hat ihr ganzes Leben mit den ersten Geistern ihrer Zeit durchlebt, und hat es noch nicht so weit gebracht, dass sie mir und mich voneinander unterscheiden kann.“ Die Sache hatte ihre vollkommene Richtigkeit, ich hatte auch schon die Bemerkung gemacht, dass die Dame in dieser Beziehung nicht sicher sei ...
Goethe war gut und liebenswürdig, zweimal sah ich ihn, stets bei ihm, mir ging die Seele auf, als ich ihm in die Arme flog!
Kriegsgeschichten dagegen lese und höre ich mit grosser Begierde.
Goethe äusserte dazu: „So kann einem also eine Sache zugleich widerwärtig und angenehm sein. Widerwärtig, wenn man sie selbst unternehmen soll, angenehm, wenn man sie an anderen wahrnimmt. Wer diese Doppelgabe am ausgebreitetsten besitzt, ist der Glücklichste in dieser Welt. Er kann niemals ohne Interesse sein, folglich niemals Langeweile empfinden."
„Ja“, sagte er lächelnd, „die Natur reagiert nicht bloss gegen die leibliche Krankheit, sondern auch gegen die geistigen Schwächen; sie sendet in der steigenden Gefahr stärkern Mut. Die Kriegshelden mögen besonders davon zu erzählen wissen. Wie war Zelter?“ fragte er.
In dem neuen Heft von „Kunst und Altertum“, das zu Michaelis erscheint, werden Sie mehrere Gedichte von ihm finden, unter anderem eine wunderherrliche Ballade („Herein, o du Guter!“), die ich in Berlin bei Zelter sah, der sie bereits komponiert hat.
Hokuspokus Goethens mit dem trüben Glas, worauf eine Schlange. „Das ist ein Urphänomen, das muss man nicht weiter erklären wollen.“ „Gott selbst weiss nicht mehr davon als ich.“
Die Schuld von Schillers allzu frühem Tode gab er der Art und Weise, wie er arbeitete. „Ich“, sagte er, „behauptete immer, der Dichter dürfe nicht eher ans Werk gehen, als bis er einen unwiderstehlichen Drang zum Dichten fühle. Und diesen Grundsatz befolge ich auch, ihm verdanke ich mein heiteres Alter.“ „Sie sehen hier“, fuhr er fort, „sechs verschiedene angefangene Arbeiten; ich gehe an keine, wenn sie mich nicht eben anzieht, und verweile bei keiner länger, als ich mich dazu aufgelegt fühle. Schiller dagegen wollte das nicht gelten lassen. Er behauptete, der Mensch müsse können, was er wolle, und nach dieser Manier verfuhr er auch.“

Samstag, 12. April 2008

Er wartet stets die Neigung ab, lauscht auf Eingebung - Schiller, die Freiheit des Willens verteidigend, nahm sich die Arbeiten vor, gab sie sich auf und zwang sich zur Begeisterung. Das aber hat ihn auch allzu früh aufgerieben. Schiller wäre nach Goethes Behauptung noch unendlich höher gestiegen, hätte er länger gelebt. Ja, seine Fortschritte seien so ausserordentlich gewesen, dass er ihn nach vier Tagen oft nicht mehr erkannt habe. - Goethe geriet in Begeisterung, wie er von seinem Freunde sprach, - unsäglich viel hätte er an ihm verloren. Nun beschrieb er mir, wie Schiller es machte, wenn er etwas Grosses vor-hatte, zum Beispiel den „Wilhelm Tell“. Sobald er den Entschluss zu diesem Stücke gefasst hatte, klebte er sich eine möglichst spezielle Karte von der Schweiz an die Wand, setzte sich davor und las, was über die Schweiz und die Geschichte ihrer Befreiung vorhanden war. Dabei besprach er vielfältig seinen Gegenstand, und wenn er sich nun so ganz davon durchdrungen hatte, schrieb er mit unglaublicher Leichtigkeit so lange fort, bis ihm die Augen zufielen. Nun schlief er angezogen und sitzend, bis er wieder erwachte, wo er dann sogleich die Arbeit fortsetzte. Ob es Tag oder Nacht, das war ihm gleichviel.
Seine Geisteskräfte scheinen nicht abnehmen zu wollen; doch scheint es mir, dass sich über sein Inneres ein Flor ziehe, der ihm das Leben eben nicht, wie man sagt, in rosenfarbenen Licht erscheinen lässt.Dies ist nun in meinem und seinem Alter nicht eben zu verwundern, am wenigsten bei dem, der das Le-ben immer von einer strengen und aufmerksamen Seite in seiner Wirklichkeit und Konsequenz genommen hat.
Goethe sagte, als von den Streitigkeiten Vossens und Stolbergs die Rede war, Voss contra Stolberg komme ihm vor wie in Dantes Hölle, wie der im Sumpf Eingefrorene die Köpfe seiner Miteingefrorenen benagt.
Am 9. August 1819 verlebten wir den Abend bei Goethe. Dieser hohe Freund hatte Julien Kreide zum Zeichnen geschenkt. Diese Gabe brachte das Gespräch auf die Zeichnung des Posthalters von Langensalza. Bei der Erzählung, wie wir in seine Schwächen eingegangen und dadurch seiner bis zur Verrücktheit gesteigerten Eitelkeit noch geschmeichelt hätten, bemerkte Goethe auf eine sein persiflirende Weise, daß darin die eigentliche Lebensklugheit bestehe und er ihr solches Benehmen gegen jedermann anrathe. Auf Juliens Frage, warum man nur gegen Carricaturen sich diese augenblickliche Verläugnung seiner Ansichten gestatte, erwiederte er mit sichtbarer Freude über ihre Bemerkung, daß diese Gattung von Menschen, indem sie aus ihrer Natur heraustrete, auch alle Verpflichtungen, so wir gegen uns und andere üben, auflösen, und man daher diese Personen als halbe Wahnwitzige dulde, statt sie zu widerlegen in ihre Ideen eingehe. Julie citirte eine Person aus ihrer Bekanntschaft, wo man täglich diese Regel übe. Jedes glaubte, sie errathen zu haben, als der alte Herr mit Feinheit einfiel, daß man nur im Staatskalender suchen dürfe, um so einen Gegenstand zu finden. »Erhaltet Eure Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe so viel wie möglich«, fuhr er fort, »aber verfallt nicht in den Fehler der jetzigen Zeit, nämlich: durch allzugroße Aufrichtigkeit grob zu werden.« Hierauf erzählte er uns eine niedliche Anekdote von einer alten würdigen Castellanin zu Nürnberg, welche in einer Gesellschaft von jungen Leuten, die sich mit ungeziemender Heftigkeit und Unart über die Schmeichler und Heuchler äußerten, plötzlich hinter ihrem Kaffeetisch mit zusammengeschlagenen Händen in vollem Unmuth ausrief: Ach, wie lieb' ich die Schmeichler und Heuchler!
Über Goethe schreibst Du sehr schön und richtig. Liebe hat ihm immer gefehlt, er hat sie schwerlich empfunden, und die rechte ist ihm nicht geworden. Allein der wahre Grund dazu ist doch wohl das früh in ihm waltende, schaffende Genie und die Phantasie gewesen. Wo sich die Natur einen solchen eigenen und inneren Weg bahnt, da wird es wohl unmöglich, sich einem anderen Wesen in der Wirklichkeit un-eigennützig hinzugeben, und ohne das ist keine Liebe denkbar. Man muss sich immer erst verlieren, um sich schöner und reicher wieder zu empfangen. Aber eine Leere lässt es dann freilich im Leben zurück, und ich glaube nicht, dass ausser den Stunden und Zeiten des glücklichen Hervorbringens Goethe eigentlich glücklich oder reich in sich beschäftigt ist.
Anfangs schien Goethe taciturn und marode.
Exzellenz haben die Gnade gehabt, geneigtest zuzuhören

Sonntag, 6. April 2008

Man müsse stets die Gunst verteilen, sonst winde man selbst das Ruder aus der Hand. So, führte er an, habe er zweiundzwanzig Jahre lang dem Theater vorgestanden, ohne sich eine Schwäche gegen eine Actrice zu verstatten, deren mehrere, besonders Euphrosyne und die Wolff, es ihm doch sehr nahe gelegt. Wer aber die Lust des Herrschens einmal empfunden, dürfe nicht leichtsinnig den Stützpunkt durch Favoritschaften aufgeben.
Alles kommt auf ein Aperçu an. Es ist das Höchste, wozu es der Mensch bringt, und weiter bringt er es nicht.
Abends mit Julie bei Goethe, herrliche Stunden.
Es ist nun einmal ein seltsamer Mensch, aber wahrlich kein interessanter. Naturgeschichte und Technologie sind jetzt seine Lieblings-Unterhaltung; jedes andere Gespräch nimmt er nur gezwungen an.
Doch nur allzurasch entschlüpften so köstliche Stunden. „Lasst mich, Kinder“, sprach er plötzlich, „einsam zu meinen Steinen dort unten eilen, denn nach solchem Gespräch geziemt dem alten Merlin, sich mit den Urelementen wieder zu befreunden.“
Wir sahen ihm lange und frohbewegt nach, als er, in seinen lichtgrauen Mantel gehüllt, feierlich ins Tal hinabstieg, bald bei diesem, bald bei jenem Mineral oder Pflanze verweilend.
Goethe öffnete uns seine Zimmer, als ich bei Ottilie den Abend zubrachte. Er war höchst liebenswürdig in seinem Flausrock und schaukelte mich hin und her auf den Wogen seines Gesprächs.
Seht, lieben Kinder, was wäre ich denn, wenn ich nicht immer mit klugen Leuten umgegangen wäre und von ihnen gelernt hätte? Nicht aus Büchern, sondern durch lebendigen Ideentausch, durch heitre Geselligkeit müsst ihr lernen!
Ja, ja, das ist ja ganz hübsch, beinahe machte es ein Bild.

Freitag, 4. April 2008

Liebe Frau, leide dass ich dich so lieb habe. Wenn ich iemand lieber haben kann, will ich dir’s sagen. Will dich ungeplagt lassen. Adieu Gold. Du begreiffst nicht wie ich dich lieb hab.
Ich bitte nur um ein Wort, Besänftigerinn.
Jetzt macht alles Verse; doch Goethe meint, es sei niemals weniger Poesie in der Welt gewesen, als eben jetzt.
Schwer würde ich einige besondere Sprüche aus dem lebenreichen Ganzen aussondern! die festesten, kräftigsten Äusserungen, die feinsten, erfreulichsten Wendungen, voll Gestalt im Hervorkommen, zerflossen mir unter den Händen, wenn ich sie dem Gedächtnisse zum Behalten und Überliefern einprägen wollte.
Das Volk, meinten beide, sei nur zum Schlagen, nicht zum Raten zu gebrauchen; die höhere Einsicht der mit Allerhöchstem Zutrauen beehrten Staatsdiener müsse alles leiten, der Ruf nach Freiheit sei das Grundböse, das immer Kampf gegen Recht und Ordnung wolle. Goethe stand ganz auf dem einseitigen Standpunkte des ruhig Besitzenden, der im behaglichen Genuss des Erworbenen, der bestehenden Ruhe und Ordnung um keinen Preis gestört sein mag, Schultz schaute von der Höhe des Beamten herab, die nur Gehorsam gegen höhere Befehle kennt.
Die Schröter ist ein Engel – wenn mir doch Gott so ein Weib bescheeren wollte dass ich euch könnt in Frieden lassen – Doch sie sieht dir nicht ähnlich genug. Ade.
Kein Genuss ist vorübergehend; denn der Eindruck, den er zurücklässt, ist bleibend.

Dienstag, 1. April 2008

„Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel.“
Wir wollen indes für dieses Mal abbrechen.
Und doch Engel manchmal wenn die Noth in meinem Herzen die grösst ist, ruf ich dir zu: Getrost! Getrost! Ausgeduldet und es wird werden. .... – Leide nicht vor uns! – Duld uns! – Gieb uns eine Thräne, einen Händedruck, einen Augenblick auf deinen Knieen. Wische mit deiner lieben Hand diese Stirn ab.
„Gespenster die mir furchtbaar sind, und die nur du zerstreuen kannst“