Sonntag, 13. April 2008

Herr von Knebel war ein alter Mann mit intelligenten Zügen, aber dabei etwas grämlicher Miene, mit ergrauten Haaren und einem kleinen schwarzen Käppchen auf dem Kopfe. Frau von Knebel fiel mir gleich auf durch ihr sonderbares Kostüm. Sie war eine Frau vielleicht in der Mitte der Vierziger und mochte wohl einmal ein pikantes Gesicht gehabt haben; jetzt aber war sie mager und vergilbt und hatte etwas Unstetes und Flüchtiges in ihrem Wesen und in dem Ausdruck ihrer Züge.
... Als ich die Bemerkung machte, wie sehr sie doch vom Schicksal begünstigt sei, dass es ihr geworden wäre, ihr ganzes Leben im nahen Verkehr mit den ausgezeichnetsten Männern ihrer Zeit durchleben zu können, wie fördernd dies für das eigene Ich sein müsste, wie vieles durch einen solchen Umgang geweckt und ausgebildet werden könnte, was durch das blosse Lesen ihrer Schriften doch so nie zu erreichen sei, erhielt ich eine Antwort, die ich gewiss nicht erwartet hatte. „Ja, meine Liebe“, erwiderte sie, „ich will ihnen sagen, das kommt alles darauf an, wie der Mensch nun gerade ist; mir zum Beispiel hat dies alles gar nichts geholfen, der Wieland pflegte immer zu sagen: Das weiss auch Gott, die Knebel hat ihr ganzes Leben mit den ersten Geistern ihrer Zeit durchlebt, und hat es noch nicht so weit gebracht, dass sie mir und mich voneinander unterscheiden kann.“ Die Sache hatte ihre vollkommene Richtigkeit, ich hatte auch schon die Bemerkung gemacht, dass die Dame in dieser Beziehung nicht sicher sei ...

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