Montan geleitete
seinen Freund nunmehr in dem Bergrevier methodisch umher, überall begrüßt von
einem derben »Glück auf!«, welches sie heiter zurückgaben. »Ich möchte wohl«,
sagte Montan, »ihnen manchmal zurufen: ›Sinn auf!‹, denn Sinn ist mehr als
Glück; doch die Menge hat immer Sinn genug, wenn die Obern damit begabt sind.
Weil ich nun hier, wo nicht zu befehlen, doch zu raten habe, bemüht' ich mich,
die Eigenschaft des Gebirgs kennen zu lernen. Man strebt leidenschaftlich nach
den Metallen, die es enthält. Nun habe ich mir auch das Vorkommen derselben
aufzuklären gesucht, und es ist mir gelungen. Das Glück tut's nicht allein,
sondern der Sinn, der das Glück herbeiruft, um es zu regeln. Wie diese Gebirge
hier entstanden sind, weiß ich nicht, will's auch nicht wissen; aber ich
trachte täglich, ihnen ihre Eigentümlichkeit abzugewinnen. Auf Blei und Silber
ist man erpicht, das sie in ihrem Busen tragen; ich weiß es zu entdecken: das
Wie? behalt' ich für mich und gebe Veranlassung, das Gewünschte zu finden. Auf
mein Wort unternimmt man's versuchsweise, es gelingt, und man sagt, ich habe
Glück. Was ich verstehe, versteh' ich mir, was mir gelingt, gelingt mir für
andere, und niemand denkt, daß es ihm auf diesem Wege gleichfalls gelingen
könne. Sie haben mich in Verdacht, daß ich eine Wünschelrute besitze, sie
merken aber nicht, daß sie mir widersprechen, wenn ich etwas Vernünftiges
vorbringe, und daß sie dadurch sich den Weg abschneiden zu dem Baum des
Erkenntnisses, wo diese prophetischen Reiser zu brechen sind.«
Samstag, 29. Oktober 2022
Ermutigt an diesen
Gesprächen, überzeugt, daß auch ihm durch sein bisheriges Tun und Denken
geglückt, in einem weit entlegenen Fache, dem Hauptsinne nach, seines Freundes
Forderungen sich gleichzustellen, gab er nunmehr Rechenschaft von der Anwendung
seiner Zeit, seitdem er die Vergünstigung erlangt, die auferlegte Wanderschaft
nicht nach Tagen und Stunden, sondern dem wahren Zweck einer vollständigen
Ausbildung gemäß einzuteilen und zu benutzen.
Hier nun war
zufälligerweise vieles Redens keine Not, denn ein bedeutendes Ereignis gab
unserm Freunde Gelegenheit, sein erworbenes Talent geschickt und glücklich
anzuwenden und sich der menschlichen Gesellschaft als wahrhaft nützlich zu
erweisen.
Sonntag, 23. Oktober 2022
Ich habe öfters bemerkt, dass der Mensch das,
was an ihm das Grösste und Trefflichste ist, selten kennt, noch auch diesen
Vorzügen einen Wert beilegt. Was er hat, sieht er an wie ein reichgeborner
seinen Reichtum, als etwas, das zu ihm gehört, als etwas, das sich von selbst
versteht, als eine Sache, von der er ausgeht. Aber das, wohin seine Wünsche
sich sehnen, was ihm abgeht, was er, sein Dasein zu erweitern und zu ergänzen,
nötig glaubt, das ist es, was ihn aufs stärkste interessiert, worüber er alles
andere vergisst, worum er alles andere hingäbe; eine Empfindung, die der dritte
Zuschauer nicht begreifen kann. Wenn diese Empfindung hoch- und viel begabte
Seelen ergreift, dann verlassen sie den innern weiten Kreis ihres Daseyns und
schwärmen an denen Gränzen herum, die ihnen so gut wie andern gesezt sind.
Sprechen sie alsdann davon, schreiben sie davon, so giebt es meistentheils
etwas Albernes, etwas, das uns über die engen Gränzen der Menschheit nachdenken
und trauren lässt, eben in dem Augenblike, da sie glauben, das Innigste,
Höchste, Treflichste, Lezte ihres ganzen Daseyns für sich gefühlet und andern
oftenbart zu haben.
Mir
ist Pilatus wieder die wichtigste Beylage zu dieser Erfahrung. Alle Kräfte
Fähigkeiten, Empfindung, Abstraktion, alle Wissenschaft, Scharfsinn, alles
Anschauen, alles tiefe Gefühl der Menschheit und ihrer Verhältnisse und mehr
Vorzüge, die Lavater in einem so hohen Grade besizt, lässt er zurük, wirft er
weg, um dem Unerreichbaren athemlos nachzuhezen. Ich mögte ihn einem Manne
vergleichen, der Güter, Geld, Besizthümer, Weib, Kinder, Freunde, alles nicht
achtete und vernachlässigte um einen unwiderstehlichen Trieb nach mechanischen
Künsten zu befriedigen und eine Maschine zum fliegen zu erfinden.
Samstag, 22. Oktober 2022
Donnerstag, 20. Oktober 2022
Tags umsonst die
Knechte lärmten,
Hack’ und Schaufel, Schlag um Schlag,
Wo die Flämmchen nächtig schwärmten
Stand ein Damm den andern Tag.
Menschenopfer mußten bluten,
Nachts erscholl des Jammers Qual,
Meerab flossen Feuergluthen,
Morgens war es ein Canal.
Gottlos ist er, ihn gelüstet
Unsre Hütte, unser Hain;
Wie er sich als Nachbar brüstet
Soll man unterthänig seyn.