Umgekehrt
finde ich, als Beleg Ihrer Bemerkung, daß diejenigen welche aus einem liberalen
Stande zur Poesie kommen eine gewiße Freiheit, Klarheit und Leichtigkeit, aber
wenig Ernst und Innigkeit zeigen. Bei den ersten sticht das Charakteristische
fast bis zur Carricatur, und immer mit einer gewissen Einseitigkeit und Härte
hervor; bei diesen ist Charakterlosigkeit, Flachheit und fast Seichtigkeit zu
fürchten. Der Form nach, möchte ich sagen, sind diese dem ästhetischen näher,
jene hingegen dem Gehalte nach. – Bei einer Vergleichung unsrer Jenaischen und
Weimarischen Dichterinnen bin ich auf diese Bemerkung gerathen . Unsre Freundin
Mereau hat in der That eine gewisse Innigkeit und zuweilen selbst eine Würde
des Empfindens, und eine gewisse Tiefe kann ich ihr auch nicht absprechen. Sie
hat sich bloß in einer einsamen Existenz und in einem Widerspruch mit der Welt
gebildet. Hingegen Amelie Imhof ist zur Poesie nicht durch das Herz, sondern
nur durch die Phantasie gekommen, und wird auch ihr Lebenlang nur damit
spielen. Weil aber, nach meinem Begriff, das Aesthetische Ernst und Spiel
zugleich ist, wobei der Ernst im Gehalte und das Spiel in der Form gegründet
ist, so muß die Mereau das poetische immer der Form nach, die Imhof es immer
dem Gehalt nach verfehlen. Mit meiner Schwägerin hat es eine eigne Bewandtniß,
diese hat das Gute von beiden, aber eine zu große Willkür der Phantasie
entfernt sie von dem eigentlichen Punkt, worauf es ankommt.
Dienstag, 9. November 2021
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