Freitag, 28. Dezember 2018


Verlaßt mich hier, getreue Weggenossen,
Laßt mich allein am Fels, in Moor und Moos!
Nur immer zu! euch ist die Welt erschlossen,
Die Erde weit, der Himmel hehr und groß;
Betrachtet, forscht, die Einzelheiten sammelt,
Naturgeheimnis werde nachgestammelt.
Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren,
Der ich noch erst den Göttern Liebling war;
Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,
So reich an Gütern, reicher an Gefahr;
Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,
Sie trennen mich - und richten mich zu Grunde.

Sonntag, 23. Dezember 2018

Bei Gelegenheit des Theaters, und was dabei vorgeht, scheinbar ohne Goethes Wissen, sagte er, daß er mehr davon wisse, als Gott selbst, der sich um solchen Dreck nicht bekümmere.
Schwer würde ich einige besondere Sprüche aus dem lebenreichen Ganzen aussondern! die festesten, kräftigsten Äusserungen, die feinsten, erfreulichsten Wendungen, voll Gestalt im Hervorkommen, zerflossen mir unter den Händen, wenn ich sie dem Gedächtnisse zum Behalten und Überliefern einprägen wollte.

Montag, 10. Dezember 2018


Apolda. Amtsrath. Strumpfw. liegen an 100 Stühlen still seit der neujahrs messe. Manuf. Coll. hilft nichts. - Armer Anfang solcher Leute leben aus der Hand in Mund der Verleger hängt ihnen erst den Stuhl auf, heurathen leicht. Sonst gaben die Verleger die gesponnene Wolle dem Fabrikanten iezt muss sie der Fabrikant spinnen oder Spinnen lassen und das Gewicht an Strümpfen liefern. Verlust dabey an Abgang Schmuz und Fett denn die Strümpfe werden gewaschen. Kann sie der Fabrikant nicht selbst durch die seinen spinnen lassen wird er noch obendrein bestohlen Sonst wog man die Strümpfe überhaupt und ein Paar übertrug das andre, iezzo werden sie einzeln gewogen und das schweerere Paar nicht vergütet vom leichtern Paar aber abgezogen.


In Neu York sind neunzig verschiedene Religionen, christliche Confessionen, von welchen jeder auf ihre Art Gott und den Herrn bekennt, ohne weiter an einander irre zu werden. In der Naturforschung, ja in jeder Forschung, müssen wir es so weit bringen; denn was will das heißen dass jedermann von Liberalität spricht und den andern hindern will nach seiner Weise zu denken und sich auszusprechen?

Das Verhältnis sämtlicher vorübergehenden Personen zu Makarien war vertraulich und ehrfurchtsvoll, alle fühlten die Gegenwart eines höheren Wesens, und doch blieb in solcher Gegenwart einem jeden die Freiheit, ganz in seiner eigenen Natur zu erscheinen. Jeder zeigt sich wie er ist, mehr als je vor Eltern und Freunden, mit einer gewissen Zuversicht, denn er war gelockt und veranlaßt nur das Gute, das Beste was an ihm war an den Tag zu geben, daher beinahe eine allgemeine Zufriedenheit entstand.

Donnerstag, 6. Dezember 2018

Er selbst war und erschien daher als der beste Trost, wenn man ihn nur ansah und bedachte, aus was für Betrübnissen er sich gerettet, worüber alles er sich zufrieden gegeben und fortwährend zu geben hatte und gab; denn auf Entsagung war er früh schon gefasst und lernte sie täglich mehr ein. Daher sein paradox scheinendes: „Wer nicht verzweifeln kann, der muss nicht leben“, d.h. verzichten, entbehren muss einer können und zufrieden sein, wenn er leben will: denn darin liegt „der Spass des Lebens, dass man lustig sei, wo nicht – vergnügt!“

Dienstag, 4. Dezember 2018

Wer sichert den Olymp? vereinet Götter?
Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart.

In bunten Bildern wenig Klarheit,
Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit,
So wird der beste Trank gebraut,
Der alle Welt erquickt und auferbaut.

Samstag, 1. Dezember 2018

Goethe war mit seinen Nieren nicht so zufrieden. Sie waren wahrscheinlich „desorientiert“. Im Januar 1806 sagte er: „Wenn mir doch der liebe Gott eine von den gesunden Russennieren schenken wollte, die zu Austerlitz gefallen sind!“

Montag, 26. November 2018

 

Wie schwer ist es, daß der Mensch recht abwäge, was man aufopfern muß gegen das, was zu gewinnen ist, wie schwer, den Zweck zu wollen und die Mittel nicht zu verschmähen! Viele verwechseln gar die Mittel und den Zweck, erfreuen sich an jenen, ohne diesen im Auge zu behalten. Jedes Übel soll an der Stelle geheilt werden, wo es zum Vorschein kommt, und man bekümmert sich nicht um jenen Punkt, wo es eigentlich seinen Ursprung nimmt, woher es wirkt. Deswegen ist es so schwer, Rat zu pflegen, besonders mit der Menge, die im Täglichen ganz verständig ist, aber selten weiter sieht als auf morgen. Kommt nun gar dazu, daß der eine bei einer gemeinsamen Anstalt gewinnen, der andre verlieren soll, da ist mit Vergleich nun gar nichts auszurichten. Alles eigentlich gemeinsame Gute muß durch das unumschränkte Majestätsrecht gefördert werden.

Sie wiederholte sich aber- und abermals, was sie seit jenem unerwarteten Vorschlag des Grafen oft genug bei sich um und um gewendet hatte. Der Hauptmann schien vor ihr zu stehen. Er füllte noch das Haus, er belebte noch die Spaziergänge, und er sollte fort, das alles sollte leer werden! Sie sagte sich alles, was man sich sagen kann, ja sie antizipierte, wie man gewöhnlich pflegt, den leidigen Trost, daß auch solche Schmerzen durch die Zeit gelindert werden. Sie verwünschte die Zeit, die es braucht, um sie zu lindern; sie verwünschte die totenhafte Zeit, wo sie würden gelindert sein.

Mittwoch, 21. November 2018


Eines schickt sich nicht für alle,
Jeder sehe, wie er's treibe,
Jeder sehe, wo er bleibe,
Und wer steht, daß er nicht falle.

Donnerstag, 15. November 2018


Der wirklichen Königin, die in der Geschichte keine Rolle gespielt hat, sendet er, bevor er ins Exil geht, die Botschaft: „Sagen Sie es ihr, wie glücklich mich dieses Phantom gemacht hat.“ Die Liebe zu ihr war nicht weniger Liebe, weil die Königin nichts davon wusste, alle Ermutigungen, die diese Liebe erfuhr, betrügerisch waren, und alle, die an ihr schmarotzten, heimlich über sie lachten.

Freitag, 2. November 2018


Aber das gestehe ich gern, die Art wie du mich bißher behandelt hast, kann ich nicht erdulden. Wenn ich gesprächig war hast du mir die Lippen verschloßen, wenn ich mittheilend war hast du mich der Gleichgültigkeit, wenn ich für Freunde thätig war, der Kälte und Nachlässigkeit beschuldigt. Jede meiner Minen hast du kontrollirt, meine Bewegungen, meine Art zu seyn getadelt und mich immer mal a mon aise gesetzt. Wo sollte da Vertrauen und Offenheit gedeihen, wenn du mich mit vorsätzlicher Laune von dir stießest.

Ich möchte gern noch manches hinzufügen, wenn ich nicht befürchtete daß es dich bey deiner Gemüthsverfassung eher beleidigen als versöhnen könnte.

Unglücklicher Weise hast du schon lange meinen Rath in Absicht des Caffees verachtet und eine Diät eingeführt, die deiner Gesundheit höchst schädlich ist. Es ist nicht genug daß es schon schwer hält manche Eindrücke moralisch zu überwinden, du verstärckst die Hypochondrische quälende Kraft der traurigen Vorstellungen durch ein physisches Mittel, dessen Schädlichkeit du eine Zeitlang wohl eingesehn und das du, dich wohl befunden hattest. Möge dir die Cur, die Reise recht wohl bekommen. Ich gebe die Hoffnung nicht ganz auf daß du mich wieder erkennen werdest. Lebe wohl. Fritz ist vergnügt und besucht mich fleisig. Der Prinz befindet sich frisch und munter.

Samstag, 20. Oktober 2018

Auch bei Schiller war ich schon einigemale, das erstemal eben nicht mit Glück. Ich trat hinein, wurde freundlich begrüßt, und bemerkte kaum im Hintergrunde einen Fremden, bei dem keine Miene, auch nachher lange kein Laut etwas besonders ahnden Ließ. Schiller nannte mich ihm, nannt' ihn auch mir, aber ich verstand seinen Namen nicht. Kalt, fast ohne einen Blick auf ihn begrüßt ich ihn, und war einzig im Innern und Äußern mit Schillern beschäftigt; der Fremde sprach lange kein Wort. Schiller brachte die Thalia, wo ein Fragment von meinem Hyperion u. mein Gedicht an das Schicksal gedruckt ist, und gab es mir. Da Schiller sich einen Augenblick darauf entfernte, nahm der Fremde das Journal vom Tische, wo ich stand, blätterte neben mir in dem Fragmente, und sprach kein Wort. Ich fühlt' es, daß ich über und über rot wurde. Hätt' ich gewußt, was ich jetzt weiß, ich wäre leichenblaß geworden. Er wandte sich darauf zu mir, erkundigte sich nach der Frau von Kalb, nach der Gegend und den Nachbarn unseres Dorfs, und ich beantwortete das alles so einsylbig, als ich vielleicht selten gewohnt bin. Aber ich hatte einmal meine Unglückssstunde. Schiller kam wieder, wir sprachen über das Theater in Weimar, der Fremde ließ ein paar Worte fallen, die gewichtig genug waren, um mich etwas ahnden zu lassen. Aber ich ahndete nichts. Der Maler Meyer aus Weimar kam auch noch. Der Fremde unterhielt sich über manches mit ihm. Aber ich ahndete nichts. lch ging, u. erfuhr an demselben Tage im Klub der Professoren, was meinst Du? daß Goethe diesen Mittag bei Schiller gewesen sei. Der Himmel helfe mir, mein Unglück, und meine dummen Streiche gut zu machen, wenn ich nach Weimar komme. Nachher speist ich bei Schiller zu Nacht, wo dieser mich so viel möglich tröstete, auch durch seine Heiterkeit, und seine Unterhaltung, worin sein ganzer kolossalischer Geist erschien, mich das Unheil, das mir das erstemal begegnete, vergessen ließ.

Montag, 8. Oktober 2018


„Wer es getan habe, sei einerlei, nur gut, dass es geschehn, denn das Abscheuliche müsse geschehn.“ Bei Goethe ist das eine Art von Verzweiflung darüber, dass die Ruhe, die er liebt, sich ferner und ferner hält.
... und er rechnet auf ein derbes Honorar.

Mittwoch, 3. Oktober 2018


Was bedächtlich Natur sonst unter viele verteilet,
      Gab sie mit reichlicher Hand alles der Einzigen, ihr.
Und die so herrlich Begabte, von vielen so innig Verehrte,
     Gab ein liebend Geschick freundlich dem Glücklichen, mir.

Montag, 1. Oktober 2018


Ein siebenfüssiger Hexameter

Gymnasiallehrer Heinrich Voss der Jüngere entdeckte in einer von Goethes Elegien einen siebenfüssigen Hexameter. Goethe liess sich die Stelle im mitgebrachten Buch zeigen. „Ja, wahrhaftig“, rief Goethe. Dann reichte ihm Voss einen Bleistift, um den Vers zu verbessern. Goethe gab ihm jedoch zurück mit den Worten: „Weil die Bestie einmal da ist, mag sie ruhig dableiben.“

Samstag, 29. September 2018


Lord August Bristol, Bischof von Derry, war sehr ungehalten über Goethes Werk „Die Leiden des jungen Werthers“. Er war der Meinung, dadurch würde er Menschen zum Selbstmord verleiten. „Das ist ein unmoralisches, verdammungswürdiges Buch“, erklärte er.

Goethe sagte, er solle kein Wort mehr weiter äussern. Dann bemerkte er: „Sprechen Sie etwa so auch zu den Grossen dieser Welt, die mit einem Federstrich und den Stilübungen ihrer Diplomaten zu Gefallen, Hunderttausende ins Feld schicken, achtzigtausend totschlagen lassen und ihre Untertanen zum Mord, Raub, Notzucht, sogar zum Meuchelmord verleiten? Darüber stimmen Sie ein Tedeum an!“

Montag, 24. September 2018


Locken, haltet mich gefangen
In dem Kreise des Gesichts!
Euch geliebten braunen Schlangen
Zu erwidern hab ich nichts.

Donnerstag, 20. September 2018


Unser Meister ist derjenige, unter dessen Anleitung wir uns in einer Kunst fortwährend üben und welcher uns, wie wir nach und nach zur Fertigkeit gelangen, stufenweise die Grundsätze mitteilt, nach welchen handelnd wir das ersehnte Ziel am sichersten erreichen. In solchem Sinne war ich Meister von niemand. Wenn ich aber aussprechen soll, was ich den Deutschen überhaupt, besonders den jungen Dichtern geworden bin, so darf ich mich wohl ihren Befreier nennen; denn sie sind an mir gewahr geworden, daß, wie der Mensch von innen heraus leben, der Künstler von innen heraus wirken müsse, indem er, gebärde er sich, wie er will, immer nur sein Individuum zutage fördern wird. Geht er dabei frisch und froh zu Werke, so manifestiert er gewiß den Wert seines Lebens, die Hoheit oder Anmut, vielleicht auch die anmutige Hoheit, die ihm von der Natur verliehen war. Ich kann übrigens recht gut bemerken, auf wen ich in dieser Art gewirkt; es entspringt daraus gewissermaßen eine Naturdichtung, und nur auf diese Art ist es möglich, Original zu sein. Glücklicherweise steht unsere Poesie im Technischen so hoch, das Verdienst eines würdigen Gehalts liegt so klar am Tag, daß wir wundersam erfreuliche Erscheinungen auftreten sehen. Dieses kann immer noch besser werden, und niemand weiß, wohin es führen mag; nur freilich muß jeder sich selbst kennenlernen, sich selbst zu beurteilen wissen, weil hier kein fremder äußerer Maßstab zu Hülfe zu nehmen ist.

Worauf aber alles ankommt, sei in kurzem gesagt. Der junge Dichter spreche nur aus, was lebt und fortwirkt, unter welcherlei Gestalt es auch sein möge; er beseitige streng allen Widergeist, alles Mißwollen, Mißreden und was nur verneinen kann: denn dabei kommt nichts heraus. Ich kann es meinen jungen Freunden nicht ernst genug empfehlen, daß sie sich selbst beobachten müssen, auf daß bei einer gewissen Fazilität des rhythmischen Ausdrucks sie doch auch immer an Gehalt mehr und mehr gewinnen. Poetischer Gehalt aber ist Gehalt des eigenen Lebens; den kann uns niemand geben, vielleicht verdüstern, aber nicht verkümmern. Alles was Eitelkeit, das heißt Selbstgefälliges ohne Fundament ist, wird schlimmer als jemals behandelt werden. Sich frei zu erklären ist eine große Anmaßung; denn man erklärt zugleich, daß man sich selbst beherrschen wolle, und wer vermag das? Zu meinen Freunden, den jungen Dichtern, spreche ich hierüber folgendermaßen: Ihr habt jetzt eigentlich keine Norm, und die müßt ihr euch selbst geben; fragt euch nur bei jedem Gedicht, ob es ein Erlebtes enthalte und ob dies Erlebte euch gefördert habe.

Ihr seid nicht gefördert, wenn ihr eine Geliebte, die ihr durch Entfernung, Untreue, Tod verloren habt, immerfort betrauert. Das ist gar nichts wert, und wenn ihr noch soviel Geschick und Talent dabei aufopfert.

Man halte sich ans fortschreitende Leben und prüfe sich bei Gelegenheiten; denn da beweist sich's im Augenblick, ob wir lebendig sind, und bei späterer Betrachtung, ob wir lebendig waren.

Mittwoch, 12. September 2018


Nimmt doch alles ab!
Das beste Glück, des Lebens schönste Kraft
Ermattet endlich! Warum nicht der Fluch?

Mittwoch, 5. September 2018


"Ängstlich ist es, immer zu suchen, aber viel ängstlicher, gefunden zu haben und verlassen zu müssen." 


"Wirst du nicht immer zu dir sagen: ‘Natalie ist nicht da!’ und doch wird leider Natalie dir immer gegenwärtig sein. Schliessest du die Augen, so wird sie sich dir darstellen; öffnest du sie, so wird sie vor allen Gegenständen hinschweben wie die Erscheinung, die ein blendendes Bild im Auge zurücklässt."     

Donnerstag, 30. August 2018


"Aber und abermal gehen mir die Augen über mich selbst auf, immer zu spät und immer umsonst."
Vergebens klagen wir Menschen uns selbst, vergebens das Schicksal an! Wir sind elend und zum Elend bestimmt, und ist es nicht völlig einerlei, ob eigene Schuld, höherer Einfluß oder Zufall, Tugend oder Laster, Weisheit oder Wahnsinn uns ins Verderben stürzen? Leben Sie wohl!

Mittwoch, 22. August 2018


Nein! du wählst nicht den Geringern!
Gib die Hand, dass Tag für Tag
Ich an deinen zarten Fingern
Ewigkeiten zählen mag.

Già qualcuno ha pensato che la vita dell'uomo sia soltanto un sogno, e questo sentimento si è impadronito anche di me. Quando io contemplo i confini nei quali stanno rinserrate le forze attive e speculative dell'uomo; quando vedo come ogni attività non mira che alla soddisfazione di bisogni i quali a loro volta non hanno altro scopo che di prolungare la nostra povera esistenza, e vedo inoltre che il tranquillizzarsi su alcuni punti della nostra ricerca spirituale non è che una FANTASTICA rassegnazione di chi dipinga con svariate immagini e luminose vedute le pareti fra le quali è prigioniero, tutto ciò, mio caro Guglielmo, mi rende muto. Io rientro in me stesso e trovo un mondo, ma formato più di presentimenti e di cupi desideri che di immagini e di forze viventi. Allora tutto ondeggia davanti ai miei sensi, io sorrido e continuo a sognare nel mondo.

Auch halt ich mein Herzgen wie ein krankes Kind, all sein Wille wird ihm gestattet.

Einsamkeit
Die ihr Felsen und Baeume bewohnt, o heilsame Nymphen,
     Gebet jeglichem gern, was er im Stillen begehrt!
 Schaffet dem Traurigen Trost, dem Zweifelhaften Belehrung,
     Und dem Liebenden gönnt, daß ihm begegne sein Glück.
 Denn euch gaben die Götter, was sie den Menschen versagten,
     Jeglichem, der euch vertraut, hülfreich und tröstlich zu sein.


Freitag, 10. August 2018


Es ist wahr, man tut nur wenig Schritte, ohne einem sehr übel gekleideten, ja sogar einem zerlumpten Menschen zu begegnen, aber dies ist deswegen noch kein Faulenzer, kein Tagedieb! Ja, ich möchte fast das Paradoxon aufstellen, dass zu Neapel verhältnismäßig vielleicht noch die meiste Industrie in der ganz niedern Klasse zu finden sei. Freilich dürfen wir sie nicht mit einer nordischen Industrie vergleichen, die nicht allein für Tag und Stunde, sondern am guten und heitern Tag für den bösen und trüben, im Sommer für den Winter zu sorgen hat. Dadurch, dass der Nordländer zur Vorsorge, zur Einrichtung von der Natur gezwungen wird, dass die Hausfrau einsalzen und räuchern muss, um die Küche das ganze Jahr zu versorgen, dass der Mann den Holz- und Fruchtvorrat, das Futter für das Vieh nicht aus der Acht lassen darf usw., dadurch werden die schönsten Tage und Stunden dem Genuss entzogen und der Arbeit gewidmet. Mehrere Monate lang entfernt man sich gern aus der freien Luft und verwahrt sich in Häusern vor Sturm, Regen, Schnee und Kälte; unaufhaltsam folgen die Jahreszeiten aufeinander, und jeder, der nicht zugrunde gehen will, muss ein Haushälter werden. Denn es ist hier gar nicht die Frage, ob er entbehren wolle; er darf nicht entbehren wollen, er kann nicht entbehren wollen, denn er kann nicht entbehren; die Natur zwingt ihn zu schaffen, vorzuarbeiten.
Gewiss haben diese Naturwirkungen, welche sich Jahrtausende gleich bleiben, den Charakter der in so manchem Betracht ehrwürdigen nordischen Nationen bestimmt. Dagegen beurteilen wir die südlichen Völker, mit welchen der Himmel so gelinde umgegangen ist, aus unserm Gesichtspunkte zu streng. Was Herr von Pauw in seinen „Recherches sur les Grecs“ bei Gelegenheit, da er von den zynischen Philosophen spricht, zu äußern wagt, passt völlig hierher. Man mache sich, glaubt er, von dem elenden Zustand solcher Menschen nicht den richtigsten Begriff; ihr Grundsatz, alles zu entbehren, sei durch ein Klima sehr begünstigt, das alles gewährt. Ein armer, uns elend scheinender Mensch könne in den dortigen Gegenden die nötigsten und nächsten Bedürfnisse nicht allein befriedigen, sondern die Welt aufs schönste genießen; und ebenso möchte ein so genannter neapolitanischer Bettler die Stelle eines Vizekönigs in Norwegen leicht verschmähen und die Ehre ausschlagen, wenn ihm die Kaiserin von Russland das Gouvernement von Sibirien übertragen wollte.
Die Idee aber eines keineswegs idyllischen, sondern schon immer gefährdeten Ausgleichs von Natur und Kultur, von natürlichem Kosmos und politischer Ordnung, steht im Zentrum der lateinischen Klassik.

Mittwoch, 1. August 2018

Triebe mich nicht die deutsche Sinnesart und das Verlangen, mehr zu lernen und zu tun als zu genießen, so sollte ich in dieser Schule des leichten und lustigen Lebens noch einige Zeit verweilen und mehr zu profitieren suchen. Es ist hier gar vergnüglich sein, wenn man sich nur ein klein wenig einrichten könnte. 

Dienstag, 24. Juli 2018


Plinius im fünften Kapitel des dritten Buchs seiner »Naturgeschichte« hält Kampanien allein einer weitläufigen Beschreibung wert. »So glücklich, anmutig, selig sind jene Gegenden«, sagt er, »daß man erkennt, an diesem Ort habe die Natur sich ihres Werks erfreut. Denn diese Lebensluft, diese immer heilsame Milde des Himmels, so fruchtbare Felder, so sonnige Hügel, so unschädliche Waldungen, so schattige Haine, so nutzbare Wälder, so luftige Berge, so ausgebreitete Saaten, solch eine Fülle von Reben und Ölbäumen, so edle Wolle der Schafe, so fette Nacken der Stiere, so viel Seen, so ein Reichtum von durchwässernden Flüssen und Quellen, so viele Meere, so viele Hafen! Die Erde selbst, die ihren Schoß überall dem Handel eröffnet und, gleichsam dem Menschen nachzuhelfen begierig, ihre Arme in das Meer hinausstreckt.



Ich erwähne nicht die Fähigkeiten der Menschen, ihre Gebräuche, ihre Kräfte und wie viele Völker sie durch Sprache und Hand überwunden haben.
Von diesem Lande fällten die Griechen, ein Volk, das sich selbst unmäßig zu rühmen pflegte, das ehrenvollste Urteil, indem sie einen Teil davon Großgriechenland nannten.

Mittwoch, 18. Juli 2018


Dein Büchlein war mir willkommen, weil ich nach deiner Ankündigung daraus deine Überzeugung, die sich in früheren und späteren Tagen gleich geblieben, und zu eben der Zeit den eigentlichen statum controversiae so mancher philosophischen Streitigkeiten erfahren sollte, deren wunderlichen decurs ich, mit mehr oder weniger Aufmerksamkeit, selbst erlebt hatte. Diesen Gewinn habe ich nun auch davon und soll dir dagegen der gebührende dank abgestattet seyn. ich würde jedoch die alte Reinheit und Aufrichtigkeit verletzten, wenn ich dir verschweige, daß mich das Büchlein ziemlich indisponirt hat. ich bin nun einmal einer der Ephesischen Goldschmiede, der sein ganzes Leben in Anschauen und Anstaunen und Verehrung des wunderwürdigen Tempels der Göttin und in Nachbildung ihrer geheimnisvollen Gestalten zugebracht hat, und dem es unmöglich eine angenehme Empfindung erregen kann, wenn irgend ein Apostel seinen Mitbürgern einen und noch dazu formlosen Gott aufdringen will. Hätte ich daher irgend eine ähnliche Schrift zum Preis der großen Artemis herauszugeben, (welches jedoch meine Sache nicht ist, weil ich zu denen gehöre, die selbst gern ruhig seyn mögen und auch das Volk nicht aufregen wollen,) so hätte auf der Rückseite des Titelblatts stehen müssen: »Man lernt nichts kennen, als was man liebt, und je tiefer und vollständiger die Kenntniß werden soll, desto stärker, kräftiger und lebendiger muß Liebe, ja Leidenschaft seyn.«



Du erlässest mir, wie billig, eine weitere Ausführung dieses Textes, denn da du deine Seite so gut kennst, so weißt du auch alles, was die anderen zu sagen haben. 

Ich für mich kann, bey den mannigfaltigen Richtungen meines Wesens, nicht an einer Denkweise genug haben; als Dichter und Künstler bin ich Polytheist, Pantheist hingegen als Naturforscher, und eins so entschieden als das andre. Bedarf ich eines Gottes für meine Persönlichkeit, als sittlicher Mensch, so ist dafür auch schon gesorgt. Die himmlischen und irdischen Dinge sind ein so weites Reich, daß die Organe aller Wesen zusammen es nur erfassen mögen.



Siehst du so steht es mit mir, und so wirke ich nach Innen und Außen immer im Stillen fort, mag auch gern, daß ein jeder das Gleiche thue. Nur wenn dasjenige, was mir zu meinem Daseyn und Wirken unentbehrlich ist, von andern als untergeordnet, unnütz oder schädlich behandelt wird, dann erlaube ich mir, einige Augenblicke verdrießlich zu seyn und auch dieß vor meinen Freunden und Nächsten nicht zu verbergen. Das geht aber gleich vorüber, und wenn ich auch eigensinnig auf meine Weise fortwirke, so hüte ich mich doch vor aller Gegenwirkung, wie sonst, so auch jetzt.


Donnerstag, 12. Juli 2018


Lieb um Liebe, Stund um Stunde,
Wort um Wort und Blick um Blick,
Kuß um Kuß vom treusten Munde,
Hauch um Hauch und Glück um Glück.

Samstag, 23. Juni 2018


Der Dichter wird als Mensch und Bürger sein Vaterland lieben, aber das Vaterland seiner poetischen Kräfte und seines poetischen Wirkens ist das Gute, Edle und Schöne, das an keine besondere Provinz und an kein besonderes Land gebunden ist, und das er ergreift und bildet, wo er es findet. Er ist darin dem Adler gleich, der mit freiem Blick über Ländern schwebt und dem es gleichviel ist, ob der Hase, auf den er hinabschießt, in Preußen oder in Sachsen läuft.



Und was heißt denn: sein Vaterland lieben, und was heißt denn: patriotisch wirken? Wenn ein Dichter lebenslänglich bemüht war, schädliche Vorurteile zu bekämpfen, engherzige Ansichten zu beseitigen, den Geist seines Volkes aufzuklären, dessen Geschmack zu reinigen und dessen Gesinnungs- und Denkweise zu veredeln, was soll er denn da Besseres tun? und wie soll er denn da patriotischer wirken? - An einen Dichter so ungehörige und undankbare Anforderungen zu machen, wäre ebenso, als wenn man von einem Regimentschef verlangen wolle: er müsse, um ein rechter Patriot zu sein, sich in politische Neuerungen verflechten und darüber seinen nächsten Beruf vernachlässigen. Das Vaterland eines Regimentschefs aber ist sein Regiment, und er wird ein ganz vortrefflicher Patriot sein, wenn er sich um politische Dinge gar nicht bemüht, als soweit sie ihn angehen, und wenn er dagegen seinen ganzen Sinn und seine ganze Sorge auf die ihm untergebenen Bataillons richtet und sie so gut einzuexerzieren und in so guter Zucht und Ordnung zu erhalten sucht, daß sie, wenn das Vaterland einst in Gefahr kommt, als tüchtige Leute ihren Mann stehen.

Ich hasse alle Pfuscherei wie die Sünde, besonders aber die Pfuscherei in Staatsangelegenheiten, woraus für Tausende und Millionen nichts als Unheil hervorgeht.

Klage über Mangel der Viehzucht und ausgedehnten Trifft der Pächter. Cuniz brave Bauern arbeitsam und einfach, Küttel ohne Knöpfe mit Riemgen. Schlechte Pfarrer seit vielen Jahren, einen Emeritum iezt einen Adiunctum halb toll. Erdengraben. Wurm zu Borstendorf.

Armer Anfang solcher Leute leben aus der Hand in Mund der Verleger hängt ihnen erst den Stuhl auf, heurathen leicht. Sonst gaben die Verleger die gesponnene Wolle dem Fabrikanten iezt muss sie der Fabrikant spinnen oder Spinnen lassen und das Gewicht an Strümpfen liefern. Verlust dabey an Abgang Schmuz und Fett denn die Strümpfe werden gewaschen. Kann sie der Fabrikant nicht selbst durch die seinen spinnen lassen wird er noch obendrein bestohlen Sonst wog man die Strümpfe überhaupt und ein Paar übertrug das andre, iezzo werden sie einzeln gewogen und das schweerere Paar nicht vergütet vom leichtern Paar aber abgezogen.

Mittwoch, 13. Juni 2018


Goethe und sein Freund Heinrich Meyer liessen es sich gutgehen. Sie waren nach dem Weingenuss in einem wunderbaren Zustand. Als ein durchreisender Verehrer Goethe sprechen wollte, richtete sich der Dichterfürst auf, lehnte sich mit der Hand an eine Wand, um sich aufrecht zu halten und sagte: „Halte mir diesen Menschen ab.“ Meyer ging zur Tür, riss sie auf und rief hinaus: „Exzellenz können Sie nicht sprechen, Exzellenz sein besoffe!“

Ein anderes Mal forderte ihn ein Engländer zu einem Wetttrinken auf. Er habe nämlich gehört, dass Goethe als der tüchtigste Zecher von Deutschland gelte. In einer Wirtschaft im Kreise von Freunden wurde nun gezecht. Goethe war in einer Superstimmung, während der Engländer immer ruhiger wurde und dann von seinem Stuhle herabsank. Der alte Goethe (die Geschichte spielte sich in Weimer 1826 ab) wandte sich aufrecht an seine Freunde: „So, meine Herren, nachdem wir diesen guten Mann besorgt haben, können wir doch unser Glas Wein in Ruhe trinken!“

Sonntag, 10. Juni 2018


Seit drey Wochen, wie ich schon geklagt habe, von katarrhalischen Unbilden und dem widerwärtigsten Wetter niedergehalten, hab ich mich denn doch immer, wie dir auch angenehm zu hören seyn wird, dergestalt zu fassen und zu wehren gesucht, daß ich Tag vor Tag nicht nachgab, sondern fort und fort das Nächste zu fördern trachtete, so daß ich durch diese Hindernisse nicht zurückgehalten ward, sondern vorwärts gegangen bin und zwar in bedeutenden Angelegenheiten, wo man, wenn auch nicht große, nur sichre Schritte zumachen hat. Darunter ist denn auch einiges, das, wenn es dir seiner Zeit vor die Seele gebracht wird, dich nicht ohne Anregung lassen kann.
Wie es die Welt jetzt treibt, muß man sich immer und immerfort sagen und wiederholen: daß es tüchtige Menschen gegeben hat und geben wird, und solchen muß man ein schriftlich gutes Wort gönnen, aussprechen und auf dem Papier hinterlassen. Das ist die Gemeinschaft der Heiligen, zu der wir uns bekennen. Mit den Lippen mag ich nur selten ein wahres, grund-gemeyntes Wort aussprechen; gewöhnlich hören die Menschen etwas Anderes, als was ich sage, und das mag denn auch gut seyn. 

Der Maler Charles Gore war ein leidenschaftlicher Sammler von Autogrammen. Eines Tages kam er auf den Gedanken, doch einmal alle Unterschriften von berühmten Leuten auf einem Blatt zu sammeln. Er ging zunächst zu Johann Gottfried Herder. Dieser schrieb:

„Die Erde ist ein Jammertal“.

Dann wandte er sich an Friedrich Schiller. Er las den Spruch und setzte ihn sinngemäss fort:

„Voller Narren und Toren.“

Auch Goethe folgte seinem Wunsch. Er schrieb:

„Wo Sie der allergrösste sind,
Mein lieber Herr von Goren.“

Donnerstag, 31. Mai 2018


Nur dies Herz, es ist von Dauer,
Schwillt in jugendlichstem Flor;
Unter Schnee und Nebelschauer
Rast ein Ätna dir hervor.

Mittwoch, 30. Mai 2018


1818 kurte Goethe vom 26. Juli bis 13. September in Karlsbad. Goethes Diener Karl erhielt am 17. August den Auftrag, 2 Flaschen Wein zu besorgen und diese mit Gläsern an den beiden Fenstern seiner Unterkunft aufzustellen. Der getreue Diener tat, wie ihm geheissen war. Bei jedem Rundgang durchs Zimmer trank Goethe den Wein. Nach geraumer Zeit trat Goethes Hausarzt Wilhelm Rehbein, der ihn zur Kur begleitete hatte, ins Zimmer, und Goethe sagte zu ihm: „Ihr seid mir ein schöner Freund! Was für einen Tag haben wir heute und welches Datum?“ Rehbein antwortete: „Der 27. August.“ Der Dichterfürst wollte dies nicht glauben, er war der Meinung, es sei schon der 28. August, sein Geburtstag. Auch der herbeigeklingelte Diener Karl sagte, es sei der 27. August. Als Goethe schliesslich in einem Kalender nachsah und das von den beiden richtig erwähnte Datum bestätigt fand, sagte Goethe: „Donnerwetter! Da habe ich mich ja umsonst besoffen.“

Freitag, 25. Mai 2018


Danken wir Gott, dass wir so glückliche Augen haben, und lassen wir uns nichts vormachen.


Als Goethe 1806 in Karlsbad zur Kur weilte, kam er eines Morgens von einem Spaziergang zurück und sagte: «Man stößt in der Welt immer und allenthalben auf unsaubere Geister, da habe ich von fern einen Mann vorbeirutschen gesehen, der Kerl hat mich ordentlich erschreckt; ich glaubte den leibhaftigen Böttiger (Karl August Böttiger, 1760-1835, Archäologe, Direktor des Gymnasiums in Weimar, wegen Indiskretionen und Beleidigungen Goethe verhasst) erblickt zu haben.»  «O», erwiderte der Freund Graf Geßler, «Ihre Augen haben sich da nicht versehen, Sie haben wirklich den Leibhaftigen gesehen.» Bei diesen Worten rief Goethe aus, wie einer, der von einem Schrecken wieder aufatmet: «Gottlob, gottlob, das Gott nicht ein zweites solches Arschgesicht geschaffen hat.»
Am 2. März 1808 ereignete sich bei der Aufführung der Kleistschen Komödie «Der zerbrochene Krug» auf dem kleinen Hoftheater in Weimer etwas höchst Ungewöhnliches. Ein herzoglicher Beamter wagte es, das Stück in Anwesenheit des Herzogs Karl August und seiner Gemahlin auszupfeifen. Karl August, der seinen Platz auf dem sogenannte bürgerlichen Balkon hatte, bog sich über die Brüstung hinaus und rief: «Wer ist der freche Mensch, der sich untersteht, in Gegenwart meiner Gemahlin zu pfeifen? Husaren, nehmt den Kerl fest!» Dies geschah. 

Komm, süßer Mond, umklammre mich!

Montag, 14. Mai 2018

„Überhaupt“, meldet einer, der ihn oft sah, „war er heute in jener bitter-humoristischen Stimmung und sophistischen Widerspruchsart, die man so oft an ihm wahrnimmt.“ Da haben wir abermals die Negation, die Bosheit, den Widerspruchsgeist, die Medisance, von der der junge, sanfte Sulpiz Boisserée in seinem Tagebuch ein Lied zu singen weiß. „Um elf Uhr bin ich wieder bei Goethe, Das Lästern geht wieder an.“ Es geht her über Politisches, Ästhethisches, Gesellschaftliches, Religiöses, Deutschland, Frankreich, Philhellenismus, Parteiwesen und so fort, in einem Stil, daß sich der arme Boiserée „mit allen diesen moquanten Reden zuletzt wie auf dem Blocksberge vorkommt“.
Gestern ist auch Hölterlein bei mir gewesen , er sieht etwas gedrückt und kränklich aus, aber er ist wirklich liebenswürdig und mit Bescheidenheit, ja mit Ängstlichkeit offen.

An Christian Gottlob Voigt

Da Ew. Excellenz die Anstellung Färbers gütigst genehmigt haben, so wünscht der Bibliothekar aus Ursachen, die er mündlich vortragen wird, daß die Verpflichtung desselben bald geschehe. Nun ist aber Färber nicht allein bey der Bibliothek sondern auch bey den Museen einzuführen und anzustellen, und ich thue daher den unzielsetzlichen Vorschlag meinem Sohne dem Assessor den Auftrag zu diesem Geschäfte zu ertheilen, welches denn nach inliegender Note, welche zu diesen Zweck noch zu ajustiren wäre, geschehen und zugleich manches was schriftlich zu weitläufig wird, persönlich und mündlich abgethan werden kann. Genehmigen dieß Ew. Excellenz, so will ich das Nöthige besorgen.

Weimar den 26. April 1814.

Samstag, 12. Mai 2018

In Darmstadt befand sich übrigens eine Gesellschaft von sehr gebildeten Männern. Geheimerat von Hesse, Minister des Landgrafen, Professor Petersen, Rektor Wenck und andere waren die Einheimischen, zu deren Wert sich manche fremde Benachbarte und viele Durchreisende abwechselnd gesellten. Die Geheimerätin von Hesse und ihre Schwester, Demoiselle Flachsland, waren Frauenzimmer von seltenen Verdiensten und Anlagen, die letztre, Herders Braut, doppelt interessant durch ihre Eigenschaften und ihre Neigung zu einem so vortrefflichen Manne.


Dadurch kam ich mit jenen in einige Berührung, die sich, jung und talentvoll, zusammenhielten, und nachher so viel und mannigfaltig wirkten. Die beiden Grafen Stolberg, Bürger, Voß, Hölty und andere waren im Glauben und Geiste um Klopstock versammelt, dessen Wirkung sich nach allen Seiten hin erstreckte. In einem solchen, sich immer mehr erweiternden deutschen Dichterkreise entwickelte sich zugleich, mit so mannigfaltigen poetischen Verdiensten, auch noch ein anderer Sinn, dem ich keinen ganz eigentlichen Namen zu geben wüßte. Man könnte ihn das Bedürfnis der Unabhängigkeit nennen, welches immer im Frieden entspringt, und gerade da, wo man eigentlich nicht abhängig ist. Im Kriege erträgt man die rohe Gewalt so gut man kann, man fühlt sich wohl physisch und ökonomisch verletzt, aber nicht moralisch; der Zwang beschämt niemanden, und es ist kein schimpflicher Dienst, der Zeit zu dienen; man gewöhnt sich, von Feind und Freund zu leiden, man hat Wünsche und keine Gesinnungen. Im Frieden hingegen tut sich der Freiheitssinn der Menschen immer mehr hervor, und je freier man ist, desto freier will man sein. Man will nichts über sich dulden: wir wollen nicht beengt sein, niemand soll beengt sein, und dies zarte ja kranke Gefühl erscheint in schönen Seelen unter der Form der Gerechtigkeit. Dieser Geist und Sinn zeigte sich damals überall, und gerade da nur wenige bedrückt waren, wollte man auch diese von zufälligem Druck befrein, und so entstand eine gewisse sittliche Befehdung, Einmischung der einzelnen ins Regiment, die, mit löblichen Anfängen, zu unabsehbar unglücklichen Folgen hinführte.
Voltaire hat durch den Schutz, den er der Familie Calas angedeihen ließ, großes Aufsehn erregt und sich ehrwürdig gemacht. Für Deutschland fast noch auffallender und wichtiger war das Unternehmen Lavaters gegen den Landvogt gewesen. Der ästhetische Sinn, mit dem jugendlichen Mut verbunden, strebte vorwärts, und da man noch vor kurzem studierte, um zu Ämtern zu gelangen, so fing man nun an den Aufseher der Beamten zu machen, und die Zeit war nah, wo der Theater- und Romanendichter seine Bösewichter am liebsten unter Ministern und Amtleuten aufsuchte. Hieraus entstand eine halb eingebildete, halb wirkliche Welt von Wirkung und Gegenwirkung, in der wir späterhin die heftigsten Angebereien und Verhetzungen erlebt haben, welche sich die Verfasser von Zeitschriften und Tagblättern, mit einer Art von Wut, unter dem Schein der Gerechtigkeit erlaubten, und um so unwiderstehlicher dabei zu Werke gingen, als sie das Publikum glauben machten, vor ihm sei der wahre Gerichtshof: töricht! da kein Publikum eine exekutive Gewalt hat, und in dem zerstückten Deutschland die öffentliche Meinung niemanden nutzte oder schadete. 

Donnerstag, 19. April 2018


Gern will ich Ihnen glauben, daß Ihnen unser kaltes Schattenreich wunderbar vorkommt. Fast noch nie haben sich die Verhältnisse so zersprengt und isolirt als diesmal. Mit viel Freude erwarte ich Sie heute Nachmittag. Nur wünsche ich Sie, so lange die Sonne noch scheint, in meinem freundlichen Garten Zimmer zu sehen.
G.
Hier einsweilen ein alter Freund.

Vor einigen Stunden bin ich hier angekommen, habe schon die Stadt durchlaufen, das Olympische Theater und die Gebäude des Palladio gesehen! Es ist wirklich etwas Göttliches in seinen Anlagen, völlig wie die Force des großen Dichters, der aus Wahrheit und Lüge ein Drittes bildet, dessen erborgtes Dasein uns bezaubert.

Da loben sie den Faust
Und was noch sunsten
In meinen Schriften braust
Zu ihren Gunsten;
Das alte Mick und Mack,
Das freut sie sehr;
Es meint das Lumpenpack,
Man wär's nicht mehr!

Freitag, 13. April 2018

Es ist im Wercke daß man dem Seiler Wächter neben der Buchholzen die Erlaubniß Schläuche zu verfertigen geben will. Wir fürchte beyde es werde die Operation dem Gewerbe mehr schaden als nutzen. Es ist nicht so ausgebreitet daß mehrere Personen mit entschiedenem Vortheil sich darin sollten theilen können. Die Concurrenz wird geringere Preise erzwingen, die Fremden werden davon profitiren und die Waare wird wahrscheinlich geringer und beyde reiben sich auf. Die Buchholz ist betriebsam, und verdient wohl daß man auf ihre Erhaltung dencke und ihr einigen Vortheil gönne, um so mehr als sie nicht schuldenfrey, ja der Kriegskasse noch 700 schuldig ist, die sie richtig verinteressirt und nach abzutragen sucht. Käme sie zurück; so bliebe nichts übrig als ihr väterlich Hauß anzuschlagen und eine Person zu Grunde zu richten die sich bisher wacker gehalten hat und deren Unternehmungen eine Folge und Glück hatten. Ich will nicht wie andre behaupten, daß es eine Privatabsicht des Majors Germar sey mit dem sie sich von Anfang her nicht vertragen hat. Etwas menschliches kann aber doch dabey zum Grunde liegen. Der Präsident und ich dencken überein und bitten nur daß Sie es nochmals überlegen möchten! es ist mir unbekannt was man für die Theilung des Gewerbs angeführt hat. 

Empfehlen mich den Schönheiten und gedencken mein zur guten Stunde.

Donnerstag, 12. April 2018


1779 März

d. 11 Die Stuterey besehen. Mit Prizelius essen. Nach Kalbsrieth der Strase Wegen. Abends allein.

d. 12 von Alstädt ab. mit Castrop nach Weimar Steinbruch. unterweegs gedacht. endlich Castre Litaney von altem Saukram.

13. Alles durchgesehn. leidlich gefunden. Glauers Arb. Gut. Die Garten Wirth. hübsch. Abends vorgelesen die drey ersten Ackte Iph [*Herzog Carl August] und Knebel bleiben da essen.

14. Besorgung. Abschrifft der Rollen. Kirchgang der Herzoginn. Zu Hause gessen.

d. 16 nach Ilmenau. über Wölfershausen Arnstadt. Martinrode.

d 17 Auslesung beym Comm. Rath gessen. Auf die Porzellanfabr.

d. 18 nach Stüzzerbach. auf den Gickelhahn, Ascherofen, Schwalbenstein.

d. 19 Allein auf dem Schwalbenstein. d. 4. Ackt der Iph. geschrieben.

Mittwoch, 28. März 2018

Es tut mir sehr leid, dass unser Freund Goethe krank war; er sollte nur bald nach Karlsbad reisen. Es ist recht betrübt, dass man ihm nicht mit Liebe beikommen kann, sondern nur mit der Kunst.
„Morgen werde ich ordentlich den Kreuzbrunnen wieder trinken und dann bald wieder ein ordentlicher Mensch mit Folge werden.“
Er sei selbst geneigt, wenn ein schönes Kind ihn darum begrüsse, einige anonyme Verse zu spenden.

Mittwoch, 14. März 2018

Als wir im Dunkel gegen zehn Uhr nach Hause kamen, klagte Goethe seinen Jammer über dieß Pestalozzi'sche Wesen. Wie das ganz vortrefflich nach seinem ersten Zweck und Bestimmung gewesen, wo Pestalozzi nur die geringe Volksklasse im Sinne gehabt, die armen Menschen, die in einzelnen Hütten in der Schweiz wohnen, und die Kinder nicht in Schulen schicken können. Aber wie es das Verderblichste von der Welt werde, so bald es aus den ersten Elementen hinaus gehe, auf Sprache, Kunst und alles Wissen und Können angewandt werde, welches nothwendig ein Überliefertes voraussetze, und wo man nicht mit unbekannten Größen, leeren Zahlen und Formen zu Werk gehen könne. Und nun gar dazu der Dünkel, den dieses verfluchte Erziehungswesen errege; da sollte ich nur einmal die Dreistigkeit der kleinen Buben hier in der Schule sehen, die vor keinem Fremden erschrecken, sondern ihn in Schrecken setzen! Da falle aller Respekt, alles weg, was die Menschen unter einander zu Menschen macht. »Was wäre denn aus mir geworden,« sagte er, »wenn ich nicht immer genöthigt gewesen wäre, Respect vor andern zu haben. Und diese Menschen mit ihrer Verrücktheit und Wuth, alles auf das einzelne Individuum zu reduciren, und lauter Götter der Selbstständigkeit zu sein; diese wollen ein Volk bilden und den wilden Schaaren widerstehen, wenn diese einmal sich der elementarischen Handhaben des Verstandes bemächtigt haben, welches nun gerade durch Pestalozzi unendlich erleichtert ist. Wo sind da religiöse, wo moralische und philosophische Maximen, die allein schützen könnten?«
Goethe klagt, daß er zur Großfürstin von Oldenburg soll: »Sie haben nichts von mir, und ich nichts von ihnen, den Herrschaften.« Ich vergleiche die fürstlichen Personen und die vornehme Welt mit Gewässer, welches um uns herum anschwillt, ein Strom im See werden kann, worauf man schifft und segelt, sich aber auch wieder verlaufen kann. Man muß ihm nicht trauen, ist und bleibt Wasser. - Goethe: »Nun, zu hypochondrisch muß man sie nicht nehmen, aber so als Naturkräfte.« - Goethe speist bei der Großfürstin.

Montag, 12. März 2018

Die Dilettanten, wenn sie das möglichste getan haben, pflegen zu ihrer Entschuldigung zu sagen, die Arbeit sei noch nicht fertig. Freilich kann sie nie fertig werden, weil sie nie recht angefangen ward. Der Meister stellt sein Werk mit wenigen Strichen als fertig dar; ausgeführt oder nicht, schon ist es vollendet. Der geschickteste Dilettant tastet im Ungewissen, und wie die Ausführung wächst, kommt die Unsicherheit der ersten Anlage immer mehr zum Vorschein. Ganz zuletzt entdeckt sich erst das Verfehlte, das nicht auszugleichen ist, und so kann das Werk freilich nicht fertig werden.
Mit wird, je länger ich  lebe, immer verdriesslicher, wenn ich den Menschen sehe, der eigentlich auf seiner höchsten Stelle da ist, um der Natur zu gebieten, um sich und die Seinigen von der gewalttätigen Notwendigkeit zu befreien, wenn ich sehe, wie er aus irgend einem vorgefassten Begriff gerade das Gegenteil tut von dem, was er will, und sich alsdann, weil die Anlage im ganzen verdorben ist, im einzelnen kümmerlich herumpfuschet.

Dienstag, 13. Februar 2018


So sehr ich, wie billig, von der Partei der Christen war, stand ich doch der heidnischen Heldin mit ganzem Herzen bei, als sie unternahm, den großen Turm der Belagerer anzuzünden. Und wie nun Tankred dem vermeinten Krieger in der Nacht begegnet, unter der düstern Hülle der Streit beginnt und sie gewaltig kämpfen. – Ich konnte nie die Worte aussprechen:

‚Allein das Lebensmaß Chlorindens ist nun voll,

Und ihre Stunde kommt, in der sie sterben soll!’

dass mir nicht die Tränen in die Augen kamen, die reichlich flossen, wie der unglückliche Liebhaber ihr das Schwert in die Brust stößt, der Sinkenden den Helm löst, sie erkennt und zur Taufe bebend das Wasser holt.


Aber wie ging mir das Herz über, wenn in dem bezauberten Walde Tankredens Schwert den Baum trifft, Blut nach dem Hiebe fließt und eine Stimme ihm in die Ohren tönt, dass er auch hier Chlorinden verwunde, dass er vom Schicksal bestimmt sei, das, was er liebt, überall unwissend zu verletzen!
Es bemächtigte sich die Geschichte meiner Einbildungskraft so, dass sich mir, was ich von dem Gedichte gelesen hatte, dunkel zu einem Ganzen in der Seele bildete, von dem ich dergestalt eingenommen war, dass ich es auf irgendeine Weise vorzustellen gedachte. Ich wollte Tankreden und Reinalden spielen und fand dazu zwei Rüstungen ganz bereit, die ich schon gefertigt hatte. Die eine, von dunkelgrauem Papier mit Schuppen, sollte den ernsten Tankred, die andere aus Silber- und Goldpapier, den glänzenden Reinald zieren. In der Lebhaftigkeit meiner Vorstellung erzählte ich alles meinen Gespannen, die davon ganz entzückt wurden und nur nicht wohl begreifen konnten, dass das alles aufgeführt, und zwar von ihnen aufgeführt werden sollte. 

Dienstag, 16. Januar 2018


Welche Kraft ergreift dich mit diesem Anblicke! Schau die unerschütterliche Gestalt! Diesen ausgebildeten Mann, und diesen zusammengeknoteten Drang. Sieh das ewige Bleiben und Ruhen auf sich selbst. Welche Gewalt und welche Lieblichkeit! Nur der mächtigste und reinste Geist hat diese Bildung ausgewirkt.

Eherner Sinn ist hinter der steilen Stirne befestigt, er packt sich zusammen und arbeitet vorwärts in ihren Höckern, jeder wie die Buckeln auf Fingals Schild von heischendem Schlacht- und Tatengeiste schwanger. Nur Erinnerung von Verhältnissen großer Taten ruht in den Augenknochen, wo sie durch die Naturgestalt der Wölbungen zu anhaltendem, mächtig wirksamen Anteil zusammengestrengt wird.

Doch ist für Liebe und Freundschaft in der Fülle der Schläfe ein gefälliger Sitz überblieben. - Und die Augen! dahinblickend. Als des Edlen, der vergebens die Weit außer sich sucht, deren Bild in ihm wohnt, zürnend und teilnehmend. Wie scharf und klug das obere Augenlid; wie voll, wie sanft das untere! Welche gelinde kraftvolle Erhabenheit der Nase! Wie bestimmt die Kuppe, ohne fein zu sein, und die Größe des Nasenloches und des Nasenläppchens, wie lindert sie das Angespannte des übrigen! Und eben in diesen untern Teilen des Gesichts wohnt eine Ahnung, daß dieser Mann auch Sammlung gelassener Eindrücke fähig sei. In der Ableitung des Muskels zum Munde herab schwebt Geduld, in dem Munde ruht Schweigen, natürliche liebliche Selbstgelassenheit, die feinste Art des Trutzes. Wie ruhig das Kinn ist, und wie kräftig ohne Gierigkeit und Gewaltsamkeit sich so das Ganze schließt!

Freitag, 12. Januar 2018


Leben Sie recht wohl und lassen Sie uns in unsern Wesen beharren, das Ganze kümmert sich nicht um uns, warum sollten wir uns mehr als billig um das Ganze bekümmern.

Montag, 1. Januar 2018

Es ist an Mord und Todschlag noch nicht genug, an Mord und Untergang, die Bänkelsänger müssen es an jeder Ecke wiederholen. Die guten Menschen wollen eingeschüchtert seyn, um hinterdrein erst recht zu fühlen, wie schön und löblich es sey, frei Athem zu holen.