Dienstag, 25. November 2014
Es fällt einem doch mitunter auf, daß man durch
die Kenntnis Dessen, was der Tag bringt, nicht klüger und nicht besser wird.
Dieses ist von größter Wichtigkeit. Denn genau besehen ist es von Privatleuten
doch nur eine Philisterei, wenn wir Demjenigen zuviel Anteil schenken, worin
wir nichts wirken können … Also wollen
wir uns, solange es Tag ist, nicht mit Allotrien beschäftigen.
Mittwoch, 12. November 2014
So steige ich durch alle Stände aufwärts, sehe
den Bauersmann der Erde das Notdürftige abfordern, das doch auch ein behaglich
Auskommen wäre, wenn er nur für sich schwitzte. Du weißt aber, wenn die
Blattläuse auf den Rosenzweigen sitzen und sich hübsch dick und grün gesogen
haben, dann kommen die Ameisen und saugen ihnen den filtrierten Saft aus den
Leibern. Und so geht's weiter, und wir haben es so weit gebracht, daß oben
immer in einem Tage mehr verzehrt wird, als unten in einem beigebracht werden
kann.
»Sehen
Sie sich einmal um,« fuhr Goethe fort, »hinter Ihnen auf dem Pult liegt ein
Blatt, welches ich zu betrachten bitte.«
»Dieses
blaue Briefkuvert?« sagte ich.»Ja«, sagte Goethe. »Nun, was sagen Sie zu der Handschrift? Ist das nicht ein Mensch, dem es groß und frei zu Sinne war, als er die Adresse schrieb? Wem möchten Sie die Hand zutrauen?«
Ich betrachtete das Blatt mit Neigung. Die Züge der Handschrift waren sehr frei und grandios. »Merck könnte so geschrieben haben«, sagte ich.
»Nein,« sagte Goethe, »der war nicht edel und positiv genug. Es ist von Zelter. Papier und Feder hat ihn bei diesem Kuvert begünstigt, so daß die Schrift ganz seinen großen Charakter ausdrückt. Ich will das Blatt in meine Sammlung von Handschriften legen.«
Wir
sprachen darauf über Gegenstände der Weltgeschichte, und Goethe äußerte
folgendes über Regenten.
»Um popular zu sein,« sagte er, »braucht ein
großer Regent weiter keine Mittel als seine Größe. Hat er so gestrebt und
gewirkt, daß sein Staat im Innern glücklich und nach außen geachtet ist, so mag
er mit allen seinen Orden im Staatswagen, oder er mag im Bärenfelle und die
Zigarre im Munde auf einer schlechten Troschke fahren, es ist alles gleich, er
hat einmal die Liebe seines Volkes und genießt immer dieselbige Achtung. Fehlt
aber einem Fürsten die persönliche Größe und weiß er nicht durch gute Taten bei
den Seinen sich in Liebe zu setzen, so muß er auf andere Vereinigungsmittel
denken, und da gibt es kein besseres und wirksameres als die Religion und den
Mitgenuß und die Mitübung derselbigen Gebräuche. Sonntäglich in der Kirche
erscheinen, auf die Gemeinde herabsehen und von ihr ein Stündchen sich
anblicken lassen, ist das trefflichste Mittel zur Popularität, das man jedem
jungen Regenten anraten möchte, und das, bei aller Größe, selbst Napoleon nicht
verschmähet hat.«
Auch sagte er mir, daß ein großer versteinerter Klotz angekommen, den er mir zeigen wolle.
»Solche versteinerte Stämme«, sagte er, »finden sich unter dem einundfunfzigsten Grade ganz herum bis nach Amerika, wie ein Erdgürtel. Man muß immer mehr erstaunen. Von der früheren Organisation der Erde hat man gar keinen Begriff, und ich kann es Herrn von Buch nicht verdenken, wenn er die Menschen endoktriniert, um seine Hypothesen zu verbreiten. Er weiß nichts, aber niemand weiß mehr, und da ist es denn am Ende einerlei, was gelehrt wird, wenn es nur einigermaßen einen Anschein von Vernunft hat.«
Samstag, 1. November 2014
Daß
das Leben des Menschen nur ein Traum sey, ist manchem schon so vorgekommen, und
auch mit mir zieht dieses Gefühl immer herum. Wenn ich die Einschränkung so
ansehe, in welche die thätigen und forschenden Kräfte des Menschen eingesperrt
sind, wenn ich sehe, wie alle Würksamkeit dahinaus läuft, sich die Befriedigung
von Bedürfnissen zu verschaffen, die wieder keinen Zwek haben, als unsere arme
Existenz zu verlängern, und dann, daß alle Beruhigung über gewisse Punkte des
Nachforschens nur eine träumende Resignation ist, da man sich die Wände,
zwischen denen man gefangen sizt, mit bunten Gestalten und lichten Aussichten
bemahlt. Das alles, Wilhelm, macht mich stumm. Ich kehre in mich selbst zurük,
und finde eine Welt! Wieder mehr in Ahndung und dunkler Begier, als in
Darstellung und lebendiger Kraft. Und da schwimmt alles vor meinen Sinnen, und
ich lächle dann so träumend weiter in die Welt.
Daß
die Kinder nicht wissen, warum sie wollen, darinn sind alle hochgelahrte Schul-
und Hofmeister einig. Daß aber auch Erwachsene, gleich Kindern, auf diesem
Erdboden herumtaumeln, gleichwie jene nicht wissen, woher sie kommen und wohin
sie gehen, eben so wenig nach wahren Zwekken handeln, eben so durch Biskuit und
Kuchen und Birkenreiser regiert werden, das will niemand gern glauben, und mich
dünkt, man kann's mit Händen greifen.
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