Montag, 28. Juli 2014



Gar viele Dinge sind in dieser Welt,

Die man dem andern gönnt und gerne theilt;
Jedoch es ist ein Schatz, den man allein
Dem Hochverdienten gerne gönnen mag,
Ein andrer, den man mit dem Höchstverdienten
Mit gutem Willen niemals theilen wird –
Und fragst du mich nach diesen beyden Schätzen;
Der Lorber ist es und die Gunst der Frauen.
 

Donnerstag, 24. Juli 2014


Wenn wir nun durch alle Stufen hinaufsteigen, so finden wir das Schöne auf dem Gipfel aller Dinge, das wie eine Gottheit beglückt und elend macht, nützt und schadet, ohne daß wir sie deswegen zu Rechenschaft ziehen können noch dürfen.

Wir schließen hier den Auszug aus dieser kleinen interessanten Schrift und überlassen unsern Lesern, sowohl die weitere Ausführung und Verbindung dieser ausgezogenen Sätze als auch besonders den schönen und rührenden Schluß in ihr selbst aufzusuchen.

Man erkennt in diesen wenigen Bogen den Tief- und Scharfsinn des Verfassers, den er schon in so manchen Schriften gezeigt; wir finden ihn jenen Grundsätzen getreu, zu welchen er sich schon ehemals bekannt. Nur schadet die Gedrängtheit der Methode und des Stils dem wohldurchdachten und bei mehrerer Beleuchtung auch wohlgeordneten Inhalt.

Er schrieb diese Blätter in Rom, in der Nähe so manches Schönen, das Natur und Kunst hervorbrachte; er schrieb gleichsam aus der Seele und in die Seele des Künstlers, und er scheint bei seinen Lesern auch diese Nähe, diese Bekanntschaft mit dem Gegenstande seiner Betrachtung vorauszusetzen; notwendig muß daher sein Vortrag dunkel scheinen und manchen unbefriediget lassen.
Diese Betrachtung bewegt uns, den Verfasser hiermit aufzufordern, durch eine weitere Ausführung der hier vorgetragenen Sätze sie mehrern Lesern anschaulich und sowohl auf die Werke der Dichtkunst als der bildenden Künste allgemein anwendbar zu machen. 

Sonntag, 13. Juli 2014

Die Schrift von Moritz entwickelte mit Entschiedenheit und Stringenz das Programm der Autonomie der Kunst. Die Pointe des Gedankens liegt dabei in der Anwendung des Spinozismus auf die Kunst. Das Ganze ist Gott, hatte Spinoza erklärt. ... Nach dem Vorbild des spinozistischen Begriffs vom Weltganzen bildet Moritz nun den Begriff der Kunst als einer in sich geschlossenen Ganzheit im Kleinen ... Dem Künstler kann ein Werk nur gelingen, wenn der Schwerpunkt ganz in dem zu schaffenden Werk liegt, ohne äussere Rücksichtnahme.  ...
Die Gedanken zur Autonomie der Kunst gewannen nach der Rückkehr aus Italien eine grosse Bedeutung für Goethe. ... Vor der Reise nach Italien galt die Lebenskunst der Doppelexistenz als Künstler und Amtsmensch. Goethe hatte erkannt, wie wichtig es ist, die Sphären getrennt zu halten, indem man zwar aus dem Leben poetische Funken schlägt, aber umgekehrt der Poesie nicht erlaubt, das Leben zu beherrschen. ... 

Das Neue ist: Der Autonomiegedanke begründet vom Inneren der Kunst her, weshalb die Kunst und mit ihr das Künstlertum als eigene Sphäre, als eigene in sich geschlossene Welt, als nutzloses Ganzes für sich bestehen soll und darf. ... Bisher war es ein kränkender Vorwurf gewesen, dass die Kunst doch eigentlich ein nutzloses Geschäft sei. Die Autonomiegedanken lassen diese Kränkung verschwinden. Kunst ist ein in sich selbst sinnhaft geschlossnener Kreis, der eben darum keinem anderen Zweck dient.  ... Wo Kränkung war, soll Stolz werden: Die Kunst ist keinem dienstbar! Knebel konstatiert verwundert: Die Kunst hat ihn ganz eingenommen; er sieht solche als Ziel aller menschlichen Erhöhung.

Donnerstag, 10. Juli 2014


Goethe saß schon am gedeckten Tisch, als ich hereintrat; er empfing mich sehr heiter. „Ich habe einen Brief erhalten,“ sagte er, „woher?“  – – Von Rom! Aber von wem? – Vom König von Bayern!

„Ich teile Ihre Freude,“ sagte ich. „Aber ist es nicht eigen, ich habe mich seit einer Stunde auf einem Spaziergange sehr lebhaft mit dem Könige von Bayern in Gedanken beschäftigt, und nun erfahre ich diese angenehme Nachricht. –“ „Es kündigt sich oft etwas in unserm Innern an,“ sagte Goethe. „Dort liegt der Brief, nehmen Sie, setzen Sie sich zu mir her und lesen Sie!“

Ich nahm den Brief, Goethe nahm die Zeitung, und so las ich denn ganz ungestört die königlichen Worte. Der Brief war datiert: Rom, den 26. März 1829, und mit einer stattlichen Hand sehr deutlich geschrieben. Der König meldete Goethe, daß er sich in Rom ein Besitztum gekauft, und zwar die Villa di Malta mit anliegenden Gärten, in der Nähe der Villa Ludovisi, am nordwestlichen Ende der Stadt, auf einem Hügel gelegen, so daß er das ganze Rom überschauen könne und gegen Nordost einen freien Anblick von Sankt Peter habe. „Es ist eine Aussicht,“ schreibt er, „welche zu genießen man weit reisen würde, und die ich nun bequem zu jeder Stunde des Tages aus den Fenstern meines Eigentums habe.“ Er fährt fort, sich glücklich zu preisen, nun in Rom auf eine so schöne Weise ansässig zu sein. „Ich hatte Rom in zwölf Jahren nicht gesehen,“ schreibt er, „ich sehnte mich danach, wie man sich nach einer Geliebten sehnt; von nun an aber werde ich mit der beruhigten Empfindung zurückkehren, wie man zu einer geliebten Freundin geht.“
Von den erhabenen Kunstschätzen und Gebäuden spricht er sodann mit der Begeisterung eines Kenners, dem das wahrhaft Schöne und dessen Förderung am Herzen liegt, und der jede Abweichung vom guten Geschmack lebhaft empfindet. Überall war der Brief durchweg so schön und menschlich empfunden und ausgedrückt, wie man es von so hohen Personen nicht erwartet. Ich äußerte meine Freude darüber gegen Goethe. „Da sehen Sie einen Monarchen“, sagte er, „der neben der königlichen Majestät seine angeborene schöne Menschennatur gerettet hat. Es ist eine seltene Erscheinung und deshalb um so erfreulicher.“

Ich sah wieder in den Brief und fand noch einige treffliche Stellen. „Hier in Rom,“ schreibt der König, „erhole ich mich von den Sorgen des Thrones; die Kunst, die Natur, sind meine täglichen Genüsse, Künstler meine Tischgenossen.“ Er schreibt auch, wie er oft an dem Hause vorbeigehe, wo Goethe gewohnt, und wie er dabei seiner gedenke. Auch aus den römischen Elegien sind einige Stellen angeführt, woraus man sieht, daß der König sie gut im Gedächtnis hat und sie in Rom, an Ort und Stelle, von Zeit zu Zeit wieder lesen mag. „Ja“, sagte Goethe, „die Elegien liebt er besonders; er hat mich hier viel damit geplagt, ich sollte ihm sagen, was an dem Faktum sei, weil es in den Gedichten so anmutig erscheint, als wäre wirklich was Rechtes daran gewesen. Man bedenkt aber selten, daß der Poet meistens aus geringen Anlässen was Gutes zu machen weiß.“