Mittwoch, 30. April 2014
Dieser Goethe, von dem und von dem allein ich
vom Aufgang bis zum Niedergang der Sonne, und von ihrem Niedergang bis wieder
zu ihrem Aufgang mit Ihnen sprechen und stammeln und singen und dithyrambisieren
möchte, dessen Genius zwischen Klopstocken und mir stand, und über die Alpen
und Schneegebirge gleichsam einen Sonnenschleyer herwarf, er selbst immer mir
gegenüber, und neben und über mir, dieser Goethe hat sich gleichsam über alle
meine Ideale emporgeschwungen, die ich jemals von unmittelbarem Gefühl und
Anschaun eines grossen Genius gefasst hatte. Noch nie hätt' ich das Gefühl der
Jünger von Emmaus im Evangelio so gut exegesieren und mitempfinden können, von
dem sie sagten: »Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete?«
Machen wir ihn immer zu unserm Herrn Christus, und lassen Sie mich den letzten
seiner Jünger seyn! Er hat so viel und so vortrefflich mit mir gesprochen;
Worte des ewigen Lebens, die, so lang ich atme, meine Glaubensartikel seyn
sollen.
Er urtheilt schief, und es scheint fast, dass er es weiss, dass sein Verstand ohne langes Nachdenken nicht zuverlässig ist, denn er gibt Leuten, von denen er mutmasst, dass sich ihre Einsichten über die gemeinen erheben, lieber recht, als dass er sich die Verlegenheit über den Hals zöge, eine Materie mit ihnen durchsprechen, wobei er seine Schwäche sehen liesse.
Sonntag, 20. April 2014
Sonntag, 13. April 2014
Mittwoch, 9. April 2014
Ich lebe nun neun Wochen mit
Goethen und lebe, seit unserer Seelenvereinigung so unvermerkt und ohne allen
effort nach und nach zustande gekommen, ganz in ihm. Es ist in allen
Betrachtungen und von allen Seiten das größte, beste, herrlichste menschliche
Wesen, das Gott geschaffen hat. Heute war eine Stunde, wo ich in erst in seiner
ganzen Herrlichkeit — der ganzen schönen gefühlvollen reinen Menschheit sah.
Außer mir kniet' ich neben ihn, drückte meine Seele an seine Brust und betete
Gott an.
Schön wie ein Engel warst Du, bist Du und bleibst Du, so waren auch in
Deiner frühesten Jugend aller Augen auf Dich gerichtet. Einmal stand jemand am
Fenster bei Deiner Mutter, da Du eben über die Straße herkamst mit mehreren
andern Knaben; sie bemerkten, daß Du sehr gravitätisch einherschrittest und
hielten Dir vor, daß Du Dich mit Deinem Gradehalten sehr sonderbar von den
andern Knaben auszeichnetest. – Mit diesem mache ich den Anfang, sagtest Du, und
später werd' ich mich mit noch allerlei auszeichnen; und das ist auch wahr
geworden, sagte die Mutter.
Über Goethen habe ich wohl zehn mal mich halb
zu schanden geärgert, der ordentl. Kindisch über das alberne critische wesen
ist, u. einen solchen geschmack daran findet dass er den seinigen darüber sehr
verdorben hat: er besieht dabey das Ding, u. das ganze academische Wesen mit
einem solchen leichtsinn dass er alles das gute was er bey seinen häufigen
anwesenheiten zu Jena stiften könnte, unterläßet, er könnte leichter wie jemand
wißen was jene schäckers lehren, uns davon avertiren, u. ihnen selbst zuweilen
einreden u. sie durch vermahnungen in der ordnung halten. […] So aber findet er
die sudeligen charmant […]. Mit Göthen kann ich gar nicht mehr über diese Sache
reden, denn er verliert sich gleich dabey in eine so wort- u. Sophismen reiche
discussion dass mir alle Gedult ausgeht,
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