Mittwoch, 3. September 2008

Noch sprach Goethe viel von Italien … Die Luft ist lauer, reiner; der Himmel blauer und unbewölkter; die Gesichter offen, freundlich und lachender … Alles scheint zum lieblichen Genusse einzuladen, und Natur und Kunst bieten sich wechselseitig die Hand. Nirgends oder selten finden Sie in Italien solche zurückstossende kolossale Gestalten wie in unseren Gegenden; nirgends so verkrüppelte und zusammengeschrumpfte Figuren. In unseren Gesichtern verlaufen die Züge regellos durch- und ineinander, oft ohne irgendeinen Charakter anzudeuten, oder es hält wenigstens schwer, das Original herauszufinden; man kann sagen, in einem deutschen Gesichte ist die Hand Gottes unleserlicher als auf einem italienischen. Bei uns ist alles verkritzelter, und selten selbst in der Form etwas Vollendetes. Kopf und Hals scheinen bei jenen Menschen gleichsam unmerklich ineinander gefugt; bei uns sind sie grösstenteils eingeschoben oder gar aufgestülpt. Die sanft geblähte Brust schwellt allmählich in ihren Umrissen; nicht solche kugel- und muskelhafte Massen von Fleisch, die das Auge mehr beleidigen als einladen.

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