Sehr
merkwürdig ist mir aufgefallen wie es eigentlich mit dem Publico einer großen
Stadt beschaffen ist. Es lebt in einem beständigen Taumel von Erwerben und
Verzehren, und das was wir Stimmung nennen, läßt sich weder hervorbringen noch
mittheilen. Alle Vergnügungen , selbst das Theater, sollen nur zerstreuen und
die große Neigung des lesenden Publicums zu Journalen und Romanen entsteht eben
daher, weil jene immer und diese meist Zerstreuung in die Zerstreuung bringen.
Dienstag, 31. Mai 2022
Ich glaube sogar eine Art von Scheu gegen poetische Productionen, oder wenigstens in so fern sie poetisch sind, bemerkt zu haben, die mir aus eben diesen Ursachen ganz natürlich vorkommt. Die Poesie verlangt, ja sie gebietet Sammlung, sie isolirt den Menschen wider seinen Willen, sie drängt sich wiederholt auf und ist in der breiten Welt (um nicht zu sagen in der großen) so unbequem wie eine treue Liebhaberin.
Montag, 30. Mai 2022
Ich gewöhne mich nun alles wie mir die Gegenstände vorkommen und was ich über sie denke aufzuschreiben, ohne die genauste Beobachtung und das reifste Urtheil von mir zu fordern, oder auch an einen künftigen Gebrauch zu denken. Wenn man den Weg einmal ganz zurückgelegt hat, so kann man mit besserer Uebersicht das vorräthige immer wieder als Stoff gebrauchen.
Samstag, 28. Mai 2022
Schmidt
von Friedberg ist bei mir gewesen; es war keine unangenehme aber auch keine
wohlthätige Erscheinung, Im ganzen ein hübscher junger Mensch, ein kleiner Kopf
auf mäßigen Schultern, treffliche Schenkel und Füße, knapp, reinlich, anständig
nach hiesiger Art gekleidet. Die Gesichtszüge klein und eng beisammen, kleine,
schwarze Augen, schwarze Haare nahe am Kopf sanscülottisch abgeschnitten. Aber
um die Stirne schmiedete ihm ein ehernes Band der Vater der Götter. Mit dem
Munde machte er wunderliche Verzerrungen als wenn er dem, was er sagte noch
einen gewissen eigenthümlichen Ausdruck geben wollte. Er ist der Sohn eines
wohlhabenden Kaufmanns, der ihn zum Prediger bestimmte, dadurch ist der Mensch
ganz aus seinem Wege gerückt worden. Ich glaube daß er, zu einem beschränkten
Handel und Lebenswandel angeführt, recht gut gewesen wäre, da er Energie und
eine gewisse Innigkeit zu haben scheint; unter einer Nationalgarde sähe ich ihn
am allerliebsten. Die Folge mag es zeigen, aber ich fürchte es ist nicht viel
Freude an ihm zu erleben. Voraus also gesetzt daß es kein gedrückter Mensch
ist, sondern einer der, nach seiner Aussage, seiner Gestalt, seiner Kleidung in
mäßigem Wohlbehagen lebt, so ist es ein böses Zeichen daß sich keine Spur von
Streben, Liberalität, Liebe, Zutrauen an ihm offenbart. Er stellte sich mir in
dem philisterhaften Egoismus eines Exstudenten dar. Dabei aber auch keine Spur
von Rohheit, nichts schiefes in seinem Betragen außer der Mundverzerrung.
Ich
nahm zur Base meiner Behandlung daß Sie ihn an mich schicken, und setzte also
in diesem Sinne vieles voraus, aber es hat doch auch gar nichts allgemeines
noch besonderes angeklungen, auch nichts über Reinhold und Fichte, die er doch
beide gehört hat. Ueberhaupt konnte ich nichts bedeutendes von ihm herauslocken
als daß er, seit einem Jahre, gewisse besondere Ansichten der Welt gewonnen
habe, wodurch er sich zur Poesie geneigt fühle (das denn ganz gut sein möchte),
daß er aber auch überzeugt sei, nur in einer gewissen Verbindung der
Philosophie und Poesie bestehe die wahre Bildung. Wogegen ich nichts zu sagen
habe, wenn ich es nur nicht von einem jungen Menschen hören müßte. Uebrigens
ging er weg wie er gekommen war, ehe doch auch nur irgend ein Gespräch sich
eingeleitet hatte, und war mir für diesen kurzen Moment bedeutend genug. Der
zurückgezognen Art nach erinnerte er mich an Hölderlin, ob er gleich größer und
besser gebildet ist; sobald ich diesen gesehen habe, werde ich mit einer nähern
Parallele aufwarten. Da auf meinem Lebensgange besonders in früheren Zeiten mir
mehrere Naturen dieser Art begegnet sind und ich erfahren habe wo es eigentlich
mit ihnen hinausgeht, so will ich noch ein allgemeines Wort hinzufügen:
Menschen, die aus dem Kaufmannsstamm zur Literatur und besonders zur Poesie
übergehen, haben und behalten eine eigne Tournüre. Es läßt sich an einigen ein
gewisser Ernst und Innigkeit bemerken, ein gewisses Haften und Festhalten, bei
andern ein lebhaftes thätiges Bemühen; allein sie scheinen mir keiner Erhebung
fähig, so wenig als des Begriffs, worauf es eigentlich ankommt. Vielleicht thue
ich dieser Kaste unrecht und es sind viele aus andern Stämmen, denen es nicht
besser geht. Denken Sie einmal Ihre Erfahrung durch, es finden sich
wahrscheinlich auch Ausnahmen.
Mittwoch, 25. Mai 2022
Aber gerade, daß er so lange in diesen höhern Regionen zu verweilen das Glück hatte, daß er alles, was er dachte, fühlte, in sich bildete, träumte, wähnte, lange Zeit für die vollkommenste Wirklichkeit halten durfte, eben dieses verbitterte ihm die Frucht, die er von dem Baum des Erkenntnisses zu pflücken endlich genötigt ward.
Wer kann dem Konflikt mit der Außenwelt entgehen: Auch unser Freund wird in diesen Streit hineingezogen; ungern läßt er sich durch Erfahrung und Leben widersprechen, und da ihm nach langem Sträuben nicht gelingen will, jene herrlichen Gestalten mit denen der gemeinen Welt, jenes hohe Wollen mit den Bedürfnissen des Tags zu vereinigen, entschließt er sich, das Wirkliche für das Notwendige gelten zu lassen, und erklärt das ihm bisher Wahrgeschienene für Phantasterei.
Aber sogleich überfällt ihn die Sorge, er möge zu weit gehen, er möge selbst phantastisch handeln; und nun beginnt er zugleich einen Kampf gegen die gemeine Wirklichkeit. Er lehnt sich auf gegen alles, was wir unter dem Wort Philisterei zu begreifen gewohnt sind, gegen stockende Pedanterei, kleinstädtisches Wesen, kümmerliche äußere Sitte, beschränkte Kritik, falsche Sprödigkeit, platte Behaglichkeit, anmaßliche Würde, und wie diese Ungeister, deren Name Legion ist, nur alle zu bezeichnen sein mögen.
Donnerstag, 12. Mai 2022
Dienstag, 10. Mai 2022
Schon früher hatte unser Freund wegen größerer und kleinerer Schriften gar manche Anfechtung leiden müssen; um so weniger konnte es ihm, als Herausgeber einer Zeitschrift, an literarischen Fehden ermangeln. Aber auch hier beweist er sich als immer derselbe. Ein solcher Federkrieg darf ihm niemals lange dauern, und wie sichs einigermaßen in die Länge ziehen will, so läßt er dem Gegner das letzte Wort und geht seines gewohnten Pfades.
Wird es unsern verehrten Meistern gefallen, mit diesem Aufsatz in ihre Lade alles dasjenige niederzulegen, was öffentlich über unsern Freund erscheinen wird, noch mehr aber dasjenige, was unsere Brüder, auf die er am meisten und am eigensten gewirkt, welche eines ununterbrochenen nähern Umgangs mit ihm genossen, vertraulich äußern und mitteilen möchten, so würde hiedurch ein Schatz von Tatsachen, Nachrichten und Urteilen gesammelt, welcher wohl einzig in seiner Art sein dürfte und woraus denn unsere Nachkommen schöpfen könnten, um mit standhafter Neigung ein so würdiges Andenken immerfort zu beschützen, zu erhalten und zu verklären.
Leuchsenrings Schatullen enthielten in diesem Sinn manche Schätze. Die Briefe einer Julie Bondeli wurden sehr hoch geachtet; sie war als Frauenzimmer von Sinn und Verdienst und als Rousseaus Freundin, berühmt. Wer mit diesem außerordentlichen Mann nur irgend in Verhältnis gestanden hatte, genoss teil an der Glorie, die von ihm ausging, und in seinem Namen war eine stille Gemeinde weit und breit ausgesät.