Donnerstag, 30. Juli 2020
Mittwoch, 29. Juli 2020
Das Höchste, was wir von Gott und der Natur erhalten haben, ist das
Leben, die rotierende Bewegung der Monas um sich selbst, welche weder Rast noch
Ruhe kennt; der Trieb, das Leben zu hegen und zu pflegen, ist einem jeden
unverwüstlich eingeboren, die Eigentümlichkeit desselben jedoch bleibt uns und
andern ein Geheimnis.
Dienstag, 28. Juli 2020
»Heute
früh hab' ich gelernt, jetzt wiederholt und versucht. Ich bin müde, zerbrochen,
und morgen geht es wieder von vorn an. Morgen abend soll gespielt werden. So
schlepp' ich mich hin und her; es ist mir langweilig, aufzustehen, und
verdrießlich, zu Bette zu gehen. Alles macht einen ewigen Zirkel in mir. Dann
treten die leidigen Tröstungen vor mir auf, dann werf' ich sie weg und verwünsche
sie. Ich will mich nicht ergeben, nicht der Notwendigkeit ergeben – warum soll
das notwendig sein, was mich zugrunde richtet? Könnte es nicht auch anders
sein? Ich muß es eben bezahlen, daß ich eine Deutsche bin: es ist der Charakter
der Deutschen, daß sie über allem schwer werden, daß alles über ihnen schwer
wird.«
»O,
meine Freundin«, fiel Wilhelm ein, »könnten Sie doch aufhören, selbst den Dolch
zu schärfen, mit dem Sie sich unablässig verwunden! Bleibt Ihnen denn nichts?
Ist denn Ihre Jugend, Ihre Gestalt, Ihre Gesundheit, sind Ihre Talente nichts?
Wenn Sie ein Gut ohne Ihr Verschulden verloren haben, müssen Sie denn alles
übrige hinterdrein werfen? Ist das auch notwendig?«
Dienstag, 21. Juli 2020
Sie schwieg einige
Augenblicke, dann fuhr sie auf: »Ich weiß es wohl, daß es Zeitverderb ist,
nichts als Zeitverderb ist die Liebe! Was hätte ich nicht tun können! tun
sollen! Nun ist alles rein zu nichts geworden. Ich bin ein armes, verliebtes
Geschöpf, nichts als verliebt! Haben Sie Mitleiden mit mir, bei Gott, ich bin
ein armes Geschöpf!«
Er faßte sie bei der Hand und
bat sie auf das inständigste, sich nicht selbst aufzureiben. »O«, sagte er,
»wie sonderbar ist es, daß dem Menschen nicht allein so manches Unmögliche,
sondern auch so manches Mögliche versagt ist. Sie waren nicht bestimmt, ein
treues Herz zu finden, das Ihre ganze Glückseligkeit würde gemacht haben. Ich
war dazu bestimmt, das ganze Heil meines Lebens an eine Unglückliche
festzuknüpfen, die ich durch die Schwere meiner Treue wie ein Rohr zu Boden zog,
ja vielleicht gar zerbrach.«
Er pflegte zu sagen: »Der
Mensch ist so geneigt, sich mit dem Gemeinsten abzugeben, Geist und Sinne
stumpfen sich so leicht gegen die Eindrücke des Schönen und Vollkommnen ab, daß
man die Fähigkeit, es zu empfinden, bei sich auf alle Weise erhalten sollte.
Denn einen solchen Genuß kann niemand ganz entbehren, und nur die
Ungewohntheit, etwas Gutes zu genießen, ist Ursache, daß viele Menschen schon
am Albernen und Abgeschmackten, wenn es nur neu ist, Vergnügen finden. Man
sollte«, sagte er, »alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes
Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen
wäre, einige vernünftige Worte sprechen.«
Donnerstag, 16. Juli 2020
Dienstag, 7. Juli 2020
Wir sprachen über
Leute, die, ohne eigentliches Talent, zur Productivität gerufen werden, und
über andere, die über Dinge schreiben, die sie nicht verstehen.
»Das Verführerische für junge Leute,« sagte Goethe, »ist dieses. Wir leben in einer Zeit, wo so viele Cultur verbreitet ist, daß sie sich gleichsam der Atmosphäre mitgetheilt hat, worin ein junger Mensch athmet. Poetische und philosophische Gedanken leben und regen sich in ihm, mit der Lust seiner Umgebung hat er sie eingesogen, aber er denkt, sie wären sein Eigenthum, und so spricht er sie als das Seinige aus. Nachdem er aber der Zeit wiedergegeben hat, was er von ihr empfangen, ist er arm. Er gleicht einer Quelle, die von zugetragenem Wasser eine Weile gesprudelt hat, und die aufhört zu rieseln, sobald der erborgte Vorrath erschöpft ist.«
»Das Verführerische für junge Leute,« sagte Goethe, »ist dieses. Wir leben in einer Zeit, wo so viele Cultur verbreitet ist, daß sie sich gleichsam der Atmosphäre mitgetheilt hat, worin ein junger Mensch athmet. Poetische und philosophische Gedanken leben und regen sich in ihm, mit der Lust seiner Umgebung hat er sie eingesogen, aber er denkt, sie wären sein Eigenthum, und so spricht er sie als das Seinige aus. Nachdem er aber der Zeit wiedergegeben hat, was er von ihr empfangen, ist er arm. Er gleicht einer Quelle, die von zugetragenem Wasser eine Weile gesprudelt hat, und die aufhört zu rieseln, sobald der erborgte Vorrath erschöpft ist.«
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