Mittwoch, 30. Dezember 2020
Dienstag, 29. Dezember 2020
Samstag, 19. Dezember 2020
Mittwoch, 16. Dezember 2020
Dienstag, 15. Dezember 2020
Biskuit und schöne Trauben wurden zum Nachtisch aufgetragen. Letztere waren aus der Ferne gesendet, und Goethe tat geheimnisvoll, woher sie gekommen. Er verteilte sie und reichte mir eine sehr reife über den Tisch. »Hier, mein Guter,« sagte er, »essen Sie von diesen Süßigkeiten und sei'n Sie vergnügt.« Ich ließ mir die Traube aus Goethes Händen wohlschmecken und war nun mit Leib und Seele völlig in seiner Nähe.
Samstag, 5. Dezember 2020
Der Mensch wird überhaupt genug durch seine Leidenschaften und Schicksale verdüstert, als daß er nöthig hätte, dieses noch durch die Dunkelheiten einer barbarischen Vorzeit zu thun. Er bedarf der Klarheit und der Aufheiterung, und es thut ihm noth, daß er sich zu solchen Kunst- und Literaturepochen wende, in denen vorzügliche Menschen zu vollendeter Bildung gelangten, sodaß es ihnen selber wohl war und sie die Seligkeit ihrer Cultur wieder auf andere auszugießen im Stande sind.
Schiller erscheint hier, wie immer, im absoluten Besitz seiner erhabenen Natur; er ist so groß am Theetisch, wie er es im Staatsrath gewesen sein würde. Nichts geniert ihn, nichts engt ihn ein, nichts zieht den Flug seiner Gedanken herab; was in ihm von großen Ansichten lebt, geht immer frei heraus ohne Rücksicht und ohne Bedenken. Das war ein rechter Mensch, und so sollte man auch sein! Wir andern dagegen fühlen uns immer bedingt; die Personen, die Gegenstände, die uns umgeben, haben auf uns ihren Einfluß; der Theelöffel geniert uns, wenn er von Gold ist, da er von Silber sein sollte: und so, durch tausend Rücksichten paralysirt, kommen wir nicht dazu, was etwa Großes in unserer Natur sein möchte, frei auszulassen. Wir sind die Sklaven der Gegenstände und erscheinen geringe oder bedeutend, je nachdem uns diese zusammenziehen oder zu freier Ausdehnung Raum geben.«
Mittwoch, 25. November 2020
Herders sind wieder von Ilmenau zurück und haben mich zum Eintritt mit unangenehmen Sachen unterhalten, die sie nichts angehn. Ich habe beschlossen die Frau nächstens beym Lippen zu kriegen und ihr meine Herzensmynung zu sagen, sie mag alsdenn referiren, und es ist sehr gut dass mann sich erklärt, und gewisse Dinge ein für allemal nicht leidet.
Montag, 23. November 2020
Sprechen wir es aber aufrichtig aus: ein eigentlicher Lebemann, der frei und praktisch atmet, hat kein ästhetisches Gefühl und keinen Geschmack, ihm genügt Realität im Handeln, Genießen, Betrachten ebenso wie im Dichten; und wenn der Orientale, seltsame Wirkung hervorzubringen, das Ungereimte zusammenreimt, so soll der Deutsche, dem dergleichen wohl auch begegnet, dazu nicht scheel sehen.
Donnerstag, 12. November 2020
Montag, 2. November 2020
Von
einem Engländer wird erzählt, er habe sich aufgehangen, um nicht mehr täglich
sich aus- und anzuziehn. Ich kannte einen wackeren Gärtner, den Aufseher einer
großen Parkanlage, der einmal mit Verdruß ausrief: »Soll ich denn immer diese
Regenwolken von Abend gegen Morgen ziehen sehn!« Man erzählt von einem unserer
trefflichsten Männer, er habe mit Verdruß das Frühjahr wieder aufgrünen gesehn,
und gewünscht, es möchte zur Abwechselung einmal rot erscheinen. Dieses sind
eigentlich die Symptome des Lebensüberdrusses, der nicht selten in den
Selbstmord ausläuft, und bei denkenden in sich gekehrten Menschen häufiger war,
als man glauben kann.
Nichts aber veranlaßt mehr diesen Überdruß, als die Wiederkehr der Liebe. Die erste Liebe, sagt man mit Recht, sei die einzige: denn in der zweiten und durch die zweite geht schon der höchste Sinn der Liebe verloren. Der Begriff des Ewigen und Unendlichen, der sie eigentlich hebt und trägt, ist zerstört, sie erscheint vergänglich wie alles Wiederkehrende. Die Absonderung des Sinnlichen vom Sittlichen, die in der verflochtenen kultivierten Welt die liebenden und begehrenden Empfindungen spaltet, bringt auch hier eine Übertriebenheit hervor, die nichts Gutes stiften kann.
Freitag, 30. Oktober 2020
Dieses führt
mich auf Maler Hensel, der mir die Jetons überbrachte. Auch er, wie so manche
andere, hat ein eingebornes Talent, was aber daraus werden kann, das weiß –
nicht Gott, der sich um dergleichen schwerlich bekümmert – aber ich weiß es,
der ich diesem Irrfall seit mehr als zwanzig Jahren zusehe. Auch er stickt in
dem seichten Dilettantismus der Zeit, der in Alterthümley und Vaterländeley
einen falschen Grund, in Frömmeley ein schwächendes Element sucht, eine
Atmosphäre, worin sich vornehme Weiber, halbkennende Gönner und unvermögende
Versuchler so gerne begegnen; wo eine hohle Phrasensprache, die man sich
gebildet, so süßlich klingt, ein Maximengewand, das man sich auf den
kümmerlichen Leib zugeschnitten hat, so nobel kleidet, wo man täglich von der
Auszehrung genagt an Unsicherheit kränkelt, und um nur zu leben und
fortzuwebeln, sich auf's schmächlichste selbst belügen muß.
Dienstag, 27. Oktober 2020
Als ich ihm ein scharfes Witzwort eines unsrer Freunde mittheilte, wurde er ganz aufgebracht und zornig. »Durch solche böswillige und indiscrete Dichteleien macht man sich nur Feinde und verbittert Laune und Existenz sich selbst. Ich wollte mich doch lieber aufhängen, als ewig negiren, ewig in der Opposition sein, ewig schlußfertig auf die Mängel und Gebrechen meiner Mitlebenden, Nächstlebenden lauern. Ihr seid noch gewaltig jung und leichtsinnig, wenn ihr so etwas billigen könnt. Das ist ein alter Sauerteig, der den Character inficirt hat und aus der Revolutionszeit stammt.« In solcher Heftigkeit ward Goethe immer beredter, immer geistreicher, immer aufrichtiger und dabei wohlmeinender in der Richtung seiner Aussprüche, so daß es mir ganz lieb war, durch jene Mittheilung seine Explosion provocirt zu haben.
Abends war ich einige Stunden bei Goethe, der noch unpaß, doch schon besser war. Später kam Coudray hinzu, dann Huschke. Goethe sprach über den Gebrauch des Thees. »Er wirkt stets wie Gift auf mich,« sagte er, »und doch was sollten die Frauen ohne ihn anfangen? Das Thee machen ist eine Art Function, eine eingebildete Thätigkeit, besonders in England. Und da sitzen sie gar behaglich umher, und sind weiß, und sind schön, und sind lang, und da müssen wir sie schon sitzen lassen.«
Ich
frug, ob er Seidel's literarisches Geschenk »Charinomos« gelesen habe?
»Keineswegs, nichts ist mir hohler und fataler wie ästhetische Theorien. Ich
bin zu alt, um noch neue Theorien in meinen Kopf zu bringen. Ein Lied, eine
Erzählung irgend etwas Producirtes - das lese ich wohl und gerne, wenn es gut
ist; das beseelt um mich herum. Auch Urtheile sind etwas Geschaffenes, Thätiges
und vor allen lobe ich mir meine Globisten, aber was ein Anderer denkt, wie
kann mich das kümmern? Ich kann doch nicht wie er denken, weil ich Ich und
nicht Er bin. Wie können sich nur die Leute einbilden, daß mich ihr Denken
interessiren könnte, z.B. Cousin?«
….
Im Ganzen war er heut sehr mild und freundlich.
Dienstag, 20. Oktober 2020
Es ist
sonderbar, daß eben, da ich Ihren Brief erhalte, ich still-traurig über
denselben Gegenstand nachdachte, davon Sie mir schreiben. Aber leider ist da
auf der einen Seite, wo unser Freund die Hoffnung aufgegeben, nichts zu ändern,
weil nichts zu hoffen ist und moralisch unrichtiger Takt und Töne in unserm
System herrschen. Aber als ein weiser Mann wird er sich’s wohl mit der Zeit
zurechtlegen.
Überdies
geht unser Freund seinen ihm gehörigen Weg. Sie andere Philosophen wissen ja,
daß gewisse notwendige Gesetze in der moralischen Natur so gut als in der
physischen mit denen Dingen verknüpft sind. So kann ein Verständiger, Edler,
Großmütiger, Wohltätiger, Uneigennütziger keinen vergnüglichen Teil mit dieser
Welt haben; oder wenn er ihn genießen will, so muß er seinen Himmel verlassen.
Diese Menschen bleiben nun einmal die, welche man wie den einigen Gott im Geist
und in der Wahrheit verehrt. Keine irdischen Altäre werden ihnen nicht gebaut.
Nur ist es notwendig, daß, wenn einmal diese himmlischen Seelen durch Ämter mit den Menschenkindern gebunden sind, sie sich dieses recht deutlich machen und immer in ihrem Herzen wiederholen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Auf diesem Weg müssen wir unserm Freund beistehen.
Er ist
also jetzt Wirklicher Geheimer Rat, Kammerpräsident, Präsident des
Kriegscollegii, Aufseher des Bauwesens bis zum Wegbau hinunter, Direktor des
Bergwerks, dabei auch Directeur des plaisirs, Hofpoet, Verfasser von schönen
Festivitäten, Hofopern, Balletts, Redoutenaufzügen, Inskriptionen, Kunstwerken
usw., Direktor der Zeichenakademie, in der er den Winter über Vorlesungen über
die Osteologie gehalten; selbst überall der erste Akteur, Tänzer, kurz, das
Faktotum des Weimarschen und, so Gott will, bald der Major domus sämtlicher
Ernestinischer Häuser, bei denen er zur Anbetung umherzieht.
Bei
alledem geht’s in Geschäften, wie es gehen will und mag. Meine Gegenwart ist
hier beinah unnütz und wird mir von Tag zu Tag lästiger. Was anderswohin weiß,
sehnt sich weg. (Herder an Hamann)
Um mich herum fühle ich eine sonderbare Wüste, da ich doch in dem Eigentlichen, worüber ich reden möchte, niemand hier habe, mit dem ich sprechen kann, als meine Frau. Die hiesigen schönen Geister sind so sehr weit von mir und leben in ihrer Welt, in denen es ihnen sehr wohl ist ...
Kunst,
Kunst ist jetzt die Losung, der alles zu Füßen liegt: süßer mystischer
Opiumtraum unverstandner Ideen und Gefühle!
11. Mai: «Hier
ist Nichts, Nichts, Nichts als armes Treiben und Martern des Geistes: despotische
Anarchie und anarchischer Despotismus.» (Herder an Hamann)
Montag, 5. Oktober 2020
Freitag, 2. Oktober 2020
Er war sehr gut gegen mich, nennte mich im Vertrauen seines Herzens Du, das verwies ich ihm mit den sanftesten Ton von der Welt, sich’s nicht anzugewöhnen, weil es nun eben niemand wie ich zu verstehn weiß und er ohnedies oft gewisse Verhältnisse aus den Augen setz. Da springt er wild auf vom Kanapee, sagt: „Ich muß fort!“, läuft ein paarmal auf und ab, um seinen Stock zu suchen, findt ihn nicht, rennt so zur Türe hinaus ohne Abschied, ohne Gutenacht. Sehen Sie, lieber Zimmermann, so war’s heute mit unsern Freund. Schon einigemal habe ich bittern Verdruß um ihn gehabt; das weiß er nicht und soll’s nie wissen. ...
Samstag, 26. September 2020
Die Gebrüder Schlegel waren und sind bey soviel
schönen Gaben unglückliche Menschen ihr Leben lang; sie wollten mehr
vorstellten als ihnen von Natur gegönnt war und mehr wirken als sie vermochten;
daher war und mehr wirken als sie vermochten; daher haben sie in Kunst und
Literatur viel Unheil angerichtet. Von ihren falschen Lehren in der bildenden
Kunst, welche den Egoismus, mit Schwäche verbunden, präconisirten, lehrten und
ausbreiteten, haben sich die deutschen Künstler und Liebhaber noch nicht
erholt; sogar muß man diesen den Irrthum auf eine weile gönnen, sie würden
verzweifeln, wenn ihnen die Augen aufgingen. Indessen haben wir andern die
Noth, die wir Künstlern forthelfen sollen, deren Werke doch am Ende niemand
will, weil sie niemanden zusagen; deswegen haben die lobenswürdigen Vereine das
Publicum redlich zum Besten, indem sie verlosen was niemand kaufen würde, und
woran derjenige der's gewinnt sich kaum erfreuen kann.
Um zu jenen Dioskuren zurückzukehren, so erstickte doch Friedlich Schlegel am Wiederkäuen sittlicher und religioser Absurditäten, die er auf seinem unbehaglichen Lebensgange gern mitgetheilt und ausgebreitet hätte; deshalb er sich in den Katholicismus flüchtete und bey seinem Unterhang ein recht hübsches, aber falsch gesteigertes Talent, Adam Müller, nach sich zog.
Genau besehen war die Richtung nach dem Indischen
auch nur pis-aller. Sie waren klug genug zu sehen, dass weder im deutschen noch
im lateinischen und griechischen Felde etwas Brillantes für sie zu thun sey;
nun warfen sie sich das Talent von August Wilhelm auf eine Ehrenvolle Weise.
Alles das – und + wird die Folgezeit reiner in Evidenz setzen. Schiller liebte
sie nicht, ja er hasste sie, und ich weiß nicht ob aus dem Briefwechsel
hervorgeht, dass ich, in unserm engen Kreise wenigstens, sociale Verhältnisse zu
vermitteln suchte. Sie ließen mich bey der großen Umwälzung, die sie wirklich
durchsetzen, nothdürftig stehen, zum Verdrusse Hardenbergs, welcher mich auch
wollte delirt (ausgelöscht) haben. Ich hatte mit mir selbst genug zu thun, was
kümmerten mich andere.
Schiller war mit Recht auf sie erbost; wie er ihnen im Wege stand, konnt er ihnen nicht in den Weg treten. Er sagte mir einmal, da ihm meine allgemeine Toleranz, sogar die Fördernis dessen was ich nicht mochte, nicht gefallen wollte: "Kotzebue ist mir respectabler in seiner Fruchtbarkeit als jenes unfruchtbare, im Grunde immer nachhinkende und den Raschfortschreitenden zurückrufende und hindernde Geschlecht."
Freitag, 18. September 2020
Mittwoch, 9. September 2020
Samstag, 29. August 2020
Freitag, 21. August 2020
Mit meinen Augen hab ich es gesehn,
Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne;
Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben:
Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden,
Erminiens stille nicht bemerkte Treue,
Sophroniens Großheit und Olindens Not.
Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte,
Ich weiß es, sie sind ewig, denn sie sind.
Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte
Zu bleiben und im stillen fort zu wirken,
Als das Geheimnis einer edlen Liebe,
Dem holden Lied bescheiden
anvertraut?
Freilich ist dieses alles nur eine poetische Schöpfung; allein der beschränkte Mensch vermag nicht viel weiter zu dringen, und er ist zufrieden, etwas zu finden, wobei er sich beruhigen möchte. Wir sehen auf Erden Erscheinungen und empfinden Wirkungen, von denen wir nicht wissen, woher sie kommen, und wohin sie gehen. Wir schließen auf einen geistigen Urquell, auf ein Göttliches, wofür wir keine Begriffe und keinen Ausdruck haben, und welches wir zu uns herabziehen und anthropomorphisieren müssen, um unsere dunkelen Ahndungen einigermaßen zu verkörpern und fasslich zu machen.
Donnerstag, 20. August 2020
Ich traf Goethen gegen Abend ziemlich abgespannt und einsilbig, es gelang mir jedoch, nach vielen vergeblichen Versuchen, ihn endlich munter, gesprächig und heiter zu machen.
Darüber war ich sehr froh; denn nichts ist peinlicher als das Zusammensein mit ihm, wenn er jeden Gesprächsfaden sogleich fallen läßt, oder abreißt, auf jede Frage mit: »Gute Menschen! es ist ihnen aber nicht zu helfen« oder »da mögt ihr jungen Leute zusehen, ich bin zu alt dazu« antwortet und manche lange Pause mit nichts als hm! hm! ausfüllt, auch wohl den Kopf wie aus Schläfrigkeit sinken läßt.Sonntag, 16. August 2020
Ich hatte das Dargestellte wohl gehört und wohl empfunden, aber es blieb mir so vieles räthselhaft, daß ich mich gedrungen fühlte, Goethe um einigen Aufschluß zu bitten. Er aber, in seiner gewöhnlichen Art, hüllte sich in Geheimnisse, indem er mich mit großen Augen anblickte und mir die Worte wiederholte: Die Mütter! Mütter! 's klingt so wunderlich!
Donnerstag, 13. August 2020
»Es ist eigen« sagte ich, »daß man so häufig bei ausgezeichneten Talenten, besonders bei Poeten findet, daß sie eine schwächliche Constitution haben.«
»Das Außerordentliche, was solche Menschen leisten,« sagte Goethe, »setzt eine sehr zarte Organisation voraus, damit sie seltener Empfindungen fähig sein und die Stimme der Himmlischen vernehmen mögen. Nun ist eine solche Organisation im Conflict mit der Welt und den Elementen leicht gestört und verletzt, und wer nicht, wie Voltaire, mit großer Sensibiliät eine außerordentliche Zähheit verbindet, ist leicht einer fortgesetzten Kränklichkeit unterworfen. Schiller war noch beständig krank. Als ich ihn zuerst kennen lernte, glaubte ich, er lebte keine vier Wochen. Aber auch er hatte eine gewisse Zähheit; er hielt sich noch die vielen Jahre und hätte sich bei gesunderer Lebensweise noch länger halten können.«Dienstag, 4. August 2020
Samstag, 1. August 2020
Donnerstag, 30. Juli 2020
Mittwoch, 29. Juli 2020
Dienstag, 28. Juli 2020
Dienstag, 21. Juli 2020
Donnerstag, 16. Juli 2020
Dienstag, 7. Juli 2020
»Das Verführerische für junge Leute,« sagte Goethe, »ist dieses. Wir leben in einer Zeit, wo so viele Cultur verbreitet ist, daß sie sich gleichsam der Atmosphäre mitgetheilt hat, worin ein junger Mensch athmet. Poetische und philosophische Gedanken leben und regen sich in ihm, mit der Lust seiner Umgebung hat er sie eingesogen, aber er denkt, sie wären sein Eigenthum, und so spricht er sie als das Seinige aus. Nachdem er aber der Zeit wiedergegeben hat, was er von ihr empfangen, ist er arm. Er gleicht einer Quelle, die von zugetragenem Wasser eine Weile gesprudelt hat, und die aufhört zu rieseln, sobald der erborgte Vorrath erschöpft ist.«
Montag, 22. Juni 2020
Donnerstag, 11. Juni 2020
Mittwoch, 10. Juni 2020
Sonntag, 31. Mai 2020
Freitag, 29. Mai 2020
Mittwoch, 27. Mai 2020
Dienstag, 19. Mai 2020
»Woran aber,« sagte ich, »soll man sehen und wissen, daß eine Tendenz eine falsche sei?«
»Die falsche Tendenz,« antwortete Goethe, »ist nicht productiv, und wenn sie es ist, so ist das Hervorgebrachte von keinem Werth. Dieses an andern gewahr zu werden, ist nicht so gar schwer, aber an sich selber, ist ein eigenes Ding und will eine große Freiheit des Geistes. Und selbst das Erkennen hilft nicht immer; man zaudert und zweifelt und kann sich nicht entschließen, so wie es schwer hält, sich von einem geliebten Mädchen loszumachen, von deren Untreue man längst wiederholte Beweise hat. Ich sage dieses, indem ich bedenke, wie viele Jahre es gebrauchte, bis ich einsah, daß meine Tendenz zur bildenden Kunst eine falsche sei, und wie viele andere, nachdem ich es erkannt, mich davon loszumachen.«
»Wer wie ich,« antwortete Goethe, »sein ganzes Leben hindurch mit hohen Personen zu verkehren gehabt, für den ist es nicht schwer. Das einzige dabei ist, daß man sich nicht durchaus menschlich gehen lasse, vielmehr sich stets innerhalb einer gewissen Convenienz halte.«
Sonntag, 10. Mai 2020
Samstag, 2. Mai 2020
Freitag, 1. Mai 2020
Dienstag, 28. April 2020
Samstag, 25. April 2020
Mittwoch, 22. April 2020
Sonntag, 12. April 2020
»Ich dächte,« sagte ich, »das wäre ein gutes Wort und zwar ebenso gültig in der Poesie wie in den bildenden Künsten.«
»Ich sollte meinen,« sagte Goethe.
»Indessen,« fuhr er fort, »wäre es wohl besser, Sie sparten sich den fernern Genuß des trefflichen Claude zum Nachtisch, denn die Bilder sind wirklich zu gut, um viele davon hintereinander zu sehen.«
»Ich fühle so,« sagte ich, »denn mich wandelt jedesmal eine gewisse Furcht an, wenn ich das folgende Blatt umwenden will. Es ist eine Furcht eigener Art, die ich vor diesem Schönen empfinde, so wie es uns wohl mit einem trefflichen Buche geht, wo gehäufte kostbare Stellen uns nöthigen innezuhalten, und wir nur mit einem gewissen Zaudern weiter gehen.«
Montag, 30. März 2020
Mittwoch, 18. März 2020
»Ich muß bewundern,« sagte ich, »wie Napoleon bei solcher Jugend mit den großen Angelegenheiten der Welt so leicht und sicher zu spielen wußte, als wäre eine vieljährige Praxis und Erfahrung vorangegangen.«
«Liebes Kind,» sagte Goethe, «das ist das Angeborene des großen Talents. Napoleon behandelte die Welt wie Hummel seinen Flügel; beides erscheint uns wunderbar, wir begreifen das eine so wenig wie das andere, und doch ist es so und geschieht vor unsern Augen. Napoleon war darin besonders groß, daß er zu jeder Stunde derselbige war. Vor einer Schlacht, während einer Schlacht, nach einem Siege, nach einer Niederlage, er stand immer auf festen Füßen und war immer klar und entschieden, was zu thun sei. Er war immer in seinem Element und jedem Augenblick und jedem Zustande gewachsen, so wie es Hummeln gleichviel ist, ob er ein Adagio oder ein Allegro, ob er im Baß oder im Discant spielt. Das ist die Facilität, die sich überall findet wo ein wirkliches Talent vorhanden ist, in Künsten des Friedens wie des Kriegs, am Klavier wie hinter den Kanonen.»
Donnerstag, 12. März 2020
«Eine eigene Zaubergewalt,» sagte ich, «mußte er in seiner Persönlichkeit haben, daß die Menschen ihm sogleich zufielen und anhingen und sich von ihm leiten ließen.»
«Allerdings,» sagte Goethe, «war seine Persönlichkeit eine überlegene. Die Hauptsache aber bestand darin, daß die Menschen gewiß waren, ihre Zwecke unter ihm zu erreichen. Deshalb fielen sie ihm zu, sowie sie es jedem thun, der ihnen eine ähnliche Gewißheit einflößt. Fallen doch die Schauspieler einem neuen Regisseur zu, von dem sie glauben, daß er sie in gute Rollen bringen werde. Dies ist ein altes Märchen, das sich immer wiederholt; die menschliche Natur ist einmal so eingerichtet. Niemand dient einem andern aus freien Stücken, weiß er aber, daß er damit sich selber dient, so thut er es gern. Napoleon kannte die Menschen zu gut, und er wußte von ihren Schwächen den gehörigen Gebrauch zu machen.»
Donnerstag, 5. März 2020
Prächtige Gebäude und Zimmer sind für Fürsten und Reiche. Wenn man darin lebt, fühlt man sich beruhigt, man ist zufrieden und will nichts weiter.
Meiner Natur ist es ganz zuwider. Ich bin in einer prächtigen Wohnung, wie ich sie in Karlsbad gehabt, sogleich faul und untätig. Geringe Wohnung dagegen, wie dieses schlechte Zimmer, worin wir sind, ein wenig unordentlich ordentlich, ein wenig zigeunerhaft, ist für mich das Rechte; es läßt meiner inneren Natur volle Freiheit, tätig zu sein und aus mir selber zu schaffen.