So still bin ich lang nicht
gewesen, und wenn das Auge Licht ist wird der ganze Körper licht seyn et vice versa. Die Gräfinn hat mir
manche neue Begriffe gegeben, und alte zusammengerückt. Sie wissen daß ich nie
etwas als durch Irradiation lerne, daß nur die Natur und die größten Meister
mir etwas begreifflich machen können, und daß im halben oder einzelnen etwas zu
fassen mir ganz unmöglich ist! – Wie offt hab ich die Worte Welt, grose Welt, Welt haben u.s.w.
hören müssen und habe mir nie was dabey dencken können, die meisten Menschen
die sich diese Eigenschafften anmasten, verfinsterten mir den Begriff, sie
schienen mir wie schlechte Musickanten auf ihren Fiedeln Symphonien
abgeschiedner Meister zu kreuzigen, ich konnte eine Ahndung davon aus diesem
und ienem einzelnen Liede haben, vergebens sucht ich mir das zu dencken was mir
nicht mit vollem Orchester war produzirt worden.
Dienstag, 20. Juni 2017
Dieses kleine Wesen hat mich
erleuchtet. Diese hat Welt oder
vielmehr sie hat die Welt, sie weis die Welt zu behandlen, sie ist wie
Quecksilber das sich in einem Augenblicke tausendfach theilt und wieder in eine
Kugel zusammenläuft. Sicher ihres Werths, ihres Rangs handelt sie zugleich mit
einer Delikatesse und Aisance die man sehn muß um sie zu dencken. Sie scheint
iedem das seinige zu geben wenn sie auch nichts giebt, sie spendet nicht, wie
ich andre gesehn habe, nach Standsgebühr und Würden iedem das eingesiegelte
zugedachte Packetgen aus, sie lebt nur unter den Menschen hin, und daraus
entsteht eben die schöne Melodie die sie spielt daß sie nicht ieden Ton sondern
nur die auserwählten berührt. Sie tracktirts mit einer Leichtigkeit und einer
anscheinenden Sorglosigkeit daß man sie für ein Kind halten sollte das nur auf
dem Klaviere, ohne auf die Noten zu sehen, herumruschelt, und doch weis sie
immer was und wem sie spielt.
Was in
ieder Kunst das Genie ist, hat sie in der Kunst des Lebens. Tausend andre
kommen mir vor wie Leute die das durch Fleis ersezzen wollen was ihnen die
Natur versagt hat, noch andre wie Liebhaber die ihr Conzertgen auswendig
gelernt haben und es ängstlich produziren, noch andre – nun es wird uns Stoff
zur Unterredung genug geben. Sie kennt den größten Teil vom vornehmen, reichen,
schönen, verständigen Europa, theils durch sich theils durch andre, das Leben,
Treiben, Verhältniß so vieler Menschen ist ihr gegenwärtig im höchsten Sinne
des Worts, es kleidet sie alles was sie sich von iedem zueignet und was sie
iedem giebt thut ihm wohl. Sie sehen ich trete geschwind auf alle Seiten um mit
todten Worten, mit einer Folge von Ausdrücken ein einziges Lebendiges Bild zu
beschreiben. Das Beste bleibt immer zurück. Ich habe noch drey Tage und nichts
zu thun als sie anzusehn in der Zeit
will ich noch manchen Zug erobern. Nur noch einen der wie eine Parabel den
Anfang einer ungeheuren Bahn zeichnet. Der Pfarr hier ist ein schlechter Kerl,
nicht so daß man ihn absezzen könnte, genug er ist schlecht. Wenn der Graf ihn
zu Gaste lädt so ißt sie nicht mit hausen, und sagt es sey recht und nothwendig
auch öffentlich zu zeichen wenn man iemanden um seiner Schlechtigkeit willen
verachtet.
Thun Sie
dieses zu ienem oben gesagten hinzu so multiplizirt es die Summe ungeheuer.
Gerne macht ich Ihnen nun auch von ihm das Portrait so weit ichs habe und
führte den Rattentext weiter aus, wenn mich bey diesem Gegenstande nicht der
natürliche Widerwille gegen das Schreiben behende ergriff. Soviel kan ich sagen
er macht mir meine dramatische und epische Vorrathskammer um ein gutes reicher.
Ich kan nicht verderben, da ich auch aus Steinen und Erde Brod machen kan.
Adieu süse Unterhaltung meines
innersten Herzens. Ich sehe und höre nichts guts das ich nicht im Augenblick
mit Ihnen theile. Und alle meine Beobachtungen über Welt und mich, richten sich
nicht, wie Marck Antonins, an mein eignes, sondern an mein zweites selbst.
Durch diesen Dialog, da ich mir bey iedem dencke was Sie dazu sagen mögten,
wird mir alles heller und werther. Wir
haben heute Gäste von Langensalza. auf das Siegel drück ich einen Kuß und bin
dein für ewig.
Sonntag, 18. Juni 2017
Die
seltenste Entwickelungsstufe der Phantasmen bei vollkommenster Gesundheit des
Geistes und des Körpers ist die Fähigkeit, bei geschlossenen Augen das
willkührlich Vorgestellte wirklich zu sehen. Es sind nur wenige Fälle dieser
Art bekannt geworden; hierher gehören Cardanus, Goethe und noch einige andere
Fälle, die ich in der Schrift: »J. Müller, über die phantastischen Gesichtserscheinungen.
Coblenz 1826« mitgetheilt. …. Im Jahre
1828 hatte ich Gelegenheit, mich mit Goethe über diesen, uns beide gleich
interessirenden Gegenstand zu unterhalten. Da er wußte, daß bei mir, wenn ich
mich ruhig bei geschlossenen Augen hinlege, vor dem Einschlafen leicht Bilder
in den Augen erscheinen, ohne daß es zum Schlaf kommt, indem vielmehr die
Bilder sehr wohl beobachtet werden können, so war er sehr begierig zu erfahren,
wie sich diese Bilder bei mir gestalten. Ich erklärte, daß ich durchaus keinen
Einfluß des Willens aus Hervorrufung und Verwandlung derselben habe, und daß
bei mir niemals eine Spur von symmetrischer und vegetativer Entwickelung
vorkomme. Goethe hingegen konnte das Thema willkührlich angeben, und dann
erfolgte allerdings scheinbar unwillkührlich, aber gesetzmäßig und symmetrisch
das Umgestalten. Ein Unterschied zweier Naturen, wovon die eine die größte
Fülle der dichterischen Gestaltungskraft besaß, die andere aber auf die
Untersuchung des Wirklichen und des in der Natur Geschehenden gerichtet ist.
Die Männer denken mehr auf das Einzelne, auf das Gegenwärtige,
und das mit Recht, weil sie zu thun, zu wirken berufen sind; die Weiber
hingegen mehr auf das was im Leben zusammenhängt, und das mit gleichem Rechte,
weil ihr Schicksal, das Schicksal ihrer Familien, an diesen Zusammenhang geknüpft
ist, und auch gerade dieses Zusammenhängende von ihnen gefordert wird.
Donnerstag, 1. Juni 2017
Gar schön war’s, wie er sagte, dass ein einzelner Mensch nie einen Charakter in dem höchsten Ausdruck haben könne; er würde nicht leben können; er müsse vermischte Eigenschaften haben, um zu existieren. Er war in der Stunde, da er dies alles sprach, recht in seinem Himmel, und wir haben ihm endlich versprechen müssen, mit niemand davon zu reden.
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